ASTM zum CO2-Handel: Hier reduzieren statt dort kompensieren!

CO2-Gutschriften werden als Instrument zum Klimaschutz gehypt. Die Dritt-Welt-NGO ASTM legt ihre Schwächen und Nebenwirkungen bloß: Sie öffnen Schlupflöcher fürs Verschmutzen, gehen auf Kosten der indegenen Völker und entspringen einer kolonialen Weltsicht.

Elefantenschutz ist Klimaschutz. Der Satz könnte im Projektbericht einer internationalen Naturschutzorganisation stehen. Oder in der Werbebroschüre des Anbieters von CO2-Gutschriften, die durch die Schaffung eines Naturreservats in Kamerun generiert werden. Doch der Elefanten- und vermeintliche Klimaschutz gehen auf Kosten des indigenen Volks der Baka, so die „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) auf der Eingangsseite ihrer Broschüre „COP28 : un pas de plus vers le colonialisme carbone ?“ („Ein weiterer Schritt in Richtung Kohlenstoff-Kolonialismus“). Das Beispiel soll illustrieren, dass es bei dieser Art von Naturschutz nicht um den Erhalt der Elefanten geht, sondern um das gute Gewissen „eines weit entfernt lebenden weißen Mannes“, dessen Firma zu viel CO2 ausstößt. Fragen die Baka, warum er sie von ihrem Land vertreibt, statt einfach bei sich den Ausstoß zu reduzieren, so lautet die Antwort: Die Emissionen kompensieren ist billiger.

Es besteht die Gefahr, dass die Länder des globalen Nordens ihre Verpflichtung zu CO2-Reduktionen nicht selber erfüllen.

In der am Mittwoch vorgestellten Broschüre wird erklärt, worum es bei diesen CO2-Gutschriften (Carbon offsets) geht. Der Markt dafür wächst, das Verfahren ist im Pariser Abkommen vorgesehen (und soll auf der COP28 weiter geregelt werden, siehe Edito S. 2). Eine erste Gefahr sieht die ASTM darin, dass die Länder des globalen Nordens ihre Verpflichtung zu CO2-Reduktionen nicht selber erfüllen. So plant die Schweiz, ihr Klimaziel zu einem Drittel durch Carbon offsets zu erreichen. Die zweite Sorge der ASTM betrifft die für den Klimaschutz notwendigen Nord-Süd-Finanzflüsse. Diese könnten künftig vermehrt im Rahmen von Kohlenstoffgeschäften fließen, statt ohne Gegenleistung über den Green Climate Fund zur Verfügung gestellt zu werden (siehe Kasten).

61 Offset-Projekte mit Nebenwirkungen. (carbonbrief.org)

Drittens mache die Marktlogik der handelbaren CO2-Kompensationen die Natur zur Ware und die Finanzlogik führe unweigerlich zu Betrügereien, wie Beispiele in der Vergangenheit zeigten. Neokolonial sei schon das Prinzip der Äquivalenz von Emissionen und Kompensationen: Für den Erhalt der „imperialen Lebensweise“ im Norden müssten aufgrund eines Kohlenstoffgeschäfts die Bevölkerungen im Süden Einschränkungen bei ihren Grundbedürfnissen akzeptieren, obwohl ihr Pro-Kopf-Ausstoß schon so viel geringer ist. Fünftens ist es in den Augen der ASTM ebenfalls neokolonial, den Bevölkerungen im Süden Wirtschaftsformen wie Safari-Tourismus und industrielle Landwirtschaft aufzuerlegen. Das geschehe zum Beispiel auf Kosten nomadischer Weidewirtschaft und ohne die Rechte der indigenen Völker zu respektieren.

Statt in Kompensations-Projekte zu investieren, sollte der Norden Emissionen senken und den Klimaschutz im Süden finanzieren.

Drei Fallbeispiele mit zweifelhaften Offset-Projekten sind Teil der Broschüre – mehr davon findet man auf einer interaktiven Karte von Carbon Brief. Das Klima-Newsportal sieht aber nicht alles schwarz, im detaillierten Beitrag „Can carbon offsets help to tackle climate change?“ werden die Probleme des Instruments und die Verbesserungsmöglichkeiten analysiert. Dabei geht es auch um die Positionen des Weltklimarats sowie um das Risiko, dass CO2-Senkungen doppelt angerechnet werden.

Unterm Strich spricht sich die ASTM grundsätzlich dagegen aus, für die Vermeidung von Emissionen handelbare Gutschriften auszustellen. Statt in Kompensations-Projekte zu investieren, solle der Norden – und Luxemburg – die eigenen Emissionen maximal senken und öffentliche Finanzmittel für den Klimaschutz im Süden aufbringen. Hierzu sei angemerkt, dass derzeit unklar ist, in welchem Maße die Staaten zur Erfüllung ihrer Klimaziele auf Carbon offsets, insbesondere aus dem grauen Markt, zurückgreifen können. Die Europäische Union scheint aus der Vergangenheit (als sich auch Luxemburg „freikaufte“) gelernt zu haben: Kompensieren ist nur in sehr geringem Ausmaß möglich, eine Einbeziehung ins Emissionshandelssystem aber nicht endgültig vom Tisch. Andererseits sieht der international geregelte Markt für Luftfahrt-Emissionen durchaus die Möglichkeit von CO2-Kompensation vor. Nicht zuletzt betont Carbon Brief, dass Unternehmen für sich entscheiden können, auf Greenwashing mittels zweifelhafter Offsets zu verzichten. Stattdessen können sie in die 2022 eingeführten „Mitigation contributions“ (Beitrag zur globalen CO2-Reduktion) im Süden investieren, die zwar nicht die eigenen Emissionen kompensieren, aber als „gute Tat“ verbucht und vorgezeigt werden können.

COP28: Klimafinanz? Abgehakt!

(lm) – Die Fragen zur Klimafinanz sind zufriedenstellend beantwortet, nun kann sich die COP28 dem Hauptthema, der Senkung der Emissionen von Treibhausgasen, widmen und dabei hoffentlich ähnlich erfolgreich sein. Von diesem Satz stimmt nur der letzte Teil – insofern bei der Emissionssenkung wohl ähnlich geblufft und gelogen wird, wie bei den Nord-Süd-Finanzflüssen. Zwar stimmt es, dass kurz vor Beginn der Klimakonferenz die Erfüllung des 100-Milliarden-Versprechens beim Green Climate Fund (GCF) validiert wurde und dass gleich zur Eröffnung eine Einigung über den Fonds für „Loss and damage“ zustande kam. Doch auf den Jubel der ersten Tage folgt nun der Katzenjammer. Was die Klimaschäden angeht, so stehen einem geschätzten jährlichen Bedarf von über 400 Milliarden Dollar bisher finanzielle Zusagen in Höhe von 700 Millionen gegenüber. Darunter die des größten historischen Emittenten, der USA, die sich mit gerade mal 17,5 Millionen beteiligen wollen. Das ist nicht verwunderlich, denn geeinigt hat man sich am 30. November darauf, dass die Einzahlungen auf freiwilliger Basis und ohne direkten Bezug zur historischen Verantwortung erfolgen. Freiwillig ist auch die Speisung des GCF, dessen magische 100-Milliarden-Marke nur mittels einer zweifelhaften Berechnungsmethode erreicht wurde. Vor allem aber soll dieser 2009 beschlossene Fonds ja energetische Transition und Anpassung an den Klimawandel finanzieren – die Kosten dafür werden aber mittlerweile auf viel mehr als 100 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Unter Verweis auf die beiden „Erfolgs“-Meldungen dürfte nichtsdestoweniger das Thema Finanzen für die diesjährige Klimakonferenz vom Tisch sein. Doch für die Annahme der Abschlusserklärung Mitte nächster Woche könnte es dadurch womöglich schwieriger werden, die Länder des globalen Südens, die sich verschaukelt fühlen, ins Boot zu bringen.


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