Vier verschiedene Kongresse des vergangenen Wochenendes geben Grund, über den Stillstand bei der Regierungskoalition und mögliche Strategien für politische Veränderung nachzudenken.
Die gute Nachricht zuerst: Die DP nennt sich liberal und ist gewiss wirtschaftsfreundlich, aber neoliberale Dogmen wie Rückbau des Staates oder Einführung einer Kopfsteuer stehen für sie nicht ernsthaft zur Debatte. Unerklärlich wären sonst das großzügige Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst, die dem Defizitabbau nicht zuträglichen Steuersenkungen und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Wahr ist freilich auch, dass im Gegenzug für die Wirtschaft großzügige Steuererleichterungen vorgesehen sind.
Doch die sagen nicht nur etwas über die DP aus. Laut Luxemburger Wort erklärte Vizepremier Étienne Schneider am Sonntag auf dem LSAP-Kongress, das Geld, das man verteilen wolle, müsse man vorher erwirtschaften. Deshalb, so der bekennende Rolls- und Porschefahrer, betreibe er Standortpolitik, auch wenn er dafür als „zu liberal“ kritisiert werde. Mit anderen Worten: Nur ein paar „sozial Akzente“ trennen die LSAP noch von der rechten Mitte. Auch wenn sie immer noch ihr rotes Logo hochhält, sind ihre politischen Inhalte doch längst blassrosa. Was wohl erklärt, dass Fraktionschef Alex Bodry wenig über Sozialismus sprach, dafür aber die Dreierkoalition lobte, weil sie gezeigt habe, dass man auch ohne die CSV auskommt.
Bewahrheitet hat sich, was wir bereits im Herbst 2013 bei der Analyse des Koalitionsprogramms vorausgesagt hatten: Außer gesellschaftspolitischen Reformen ist nicht viel Fortschrittliches zu erwarten (woxx 1244). Die historische Leistung der DP-LSAP-Gréng-Koalition besteht darin, sich selbst zustandegebracht und dadurch neue Möglichkeiten für künftige politische Veränderungen in Luxemburg eröffnet zu haben.
In punkto soziale Gerechtigkeit kann die nun eingeführte – abgeschwächte – „Reichensteuer“ die TVA-Erhöhung nicht vergessen machen. Und was einen „Green New Deal“ angeht, so war von diesem bereits im Koalitionsprogramm nicht mehr die Rede. Gewiss, die grünen Leader bezeichneten auf dem Kongress am Samstag die Steuererleichterungen für Dienstwagen mit unterdurchschnittlichem CO2-Ausstoß als „Durchbruch“. Doch am gleichen Tag gab sich die CSV auf ihrem Kongress einen ökologischen Touch, indem sie das Wachstums-Dogma hinterfragte – eigentlich ein urgrünes Anliegen. Und dass die Kritik des Mouvement écologique-Kongresses – der ebenfalls am Samstag stattfand – noch glimpflich ausfiel, liegt daran, dass der Mouvement sich an die Hoffnung klammert, zur Steuerreform könne es noch einen ökologischen Nachschlag geben.
Diese Regierung müsste eigentlich für einen politischen Neuanfang und eine Mehrheit links von der Mitte stehen.
Was läuft schief? Die Dringlichkeit tiefgreifender ökologisch-sozialer Reformen liegt auf der Hand. Doch eine Regierung, die für einen politischen Neuanfang und eine Mehrheit links von der Mitte stehen müsste, bringt diese Reformen kaum voran. Wozu dienen Parteien wie Grüne und LSAP denn eigentlich? Was macht der Mouvement als mächtigste Umweltlobby falsch? Und, für alle, die heute noch in den Startlöchern sitzen, von Déi Lénk bis Transition-Bewegung: Was lässt sich aus dem Scheitern lernen? Wie könnte man an der Macht teilhaben und trotzdem seine Radikalität bewahren?