Das junge Argentinien
Wer bei Argentinien nur an Tango denkt, liegt falsch. Die jungen Musiker*innen dort orientieren sich längst pan-(latein)amerikanisch und auch global, vergessen dabei aber keineswegs ihre Wurzeln. La Yegros – eigentlich Mariana Yegros – stammt aus dem Norden Argentiniens, wo der volkstümliche Chamamé und auch brasilianische Rhythmen beliebt sind, und lebt heute in Buenos Aires und Frankreich. Ihren Stil bezeichnet sie als „Nu Cumbia“. Er verbindet alles, was Lateinamerika musikalisch zu bieten hat, mit Electronics und Rap, mit klarer Betonung auf akustischen Instrumenten. Auf La Yegros’ jetzt veröffentlichtem dritten Album Suelta hört man ganz oft die indianische Andenflöte und auch das Akkordeon ist stets präsent. Wie man im letzten Jahr in Wiltz erleben konnte, sind sie und ihre Band auch live höchst erfrischend. La Yegros spielt die junge Musik Lateinamerikas: hochmodern und doch traditionsbewusst. Und natürlich unbedingt tanzbar.
La Yegros – Suelta (Canta La Selva)
Kolumbien trifft Kongo
In Lateinamerika haben die Nachkommen der afrikanischen Sklav*innen in vielen Fällen die Beziehung zur Musik ihrer Vorfahr*innen nicht verloren, auch wenn man sich natürlich weiterentwickelt hat. Die schwarze lateinamerikanische Musik hat im Gegenzug schon seit den 1930ern die Afrikaner*innen inspiriert. So passt es perfekt, wenn sich die feine afro-kolumbianische Gruppe Alé Kumá, mit Sängerinnen aus verschienen Teilen Kolumbiens, mit einem der größten kongolesischen Soukous-Gitarristen zusammentut. Dizzy Mandjeku hat mit seinem melodischen, glockenreinen Gitarrensound seit den 1960ern erst die Band der Legende Franco Luambo Makiadi beglückt und später in unzähligen weiteren kongolesischen Top-Gruppen gespielt. Auf der Platte De Palenque à Matongé verbinden sich typisch afro-kolumbianischer Gesang und Rhythmus mit dem Drive der kongolesischen Rumba zu einer unwiderstehlichen Melange, die ganz großen Spaß macht und in die Beine geht.
Dizzy Mandjeku & Alé Kumá – De Palenque à Matongé (Zephyrus Records)
Der Fado lebt
Der Fado aus den Armenvierteln Lissabons wurde unter dem faschistischen Salazar-Regime zum Symbol einer fragwürdigen nationalen Identität umgedeutet, was seinem Ansehen nachhaltig schadete. Nach der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 und erst recht nach dem Tod der Fado-Königin Amália Rodrigues 1999, schien sein Schicksal besiegelt zu sein. Dann aber entdeckten junge, unbelastete Sänger*innen die Schönheit dieser Musikform wieder. Mit Mariza gelang dem Fado vor 20 Jahren ein bemerkenswertes Comeback und heute pflegen ihn zahllose junge Künstler*innen und entwickeln ihn weiter. Carminho gehört seit zehn Jahren zur Spitzengruppe und hat gerade ihr fünftes Album Maria veröffentlicht. Natürlich beherrscht sie den emotionsgeladenen, aber subtilen Gesangsstil in allen Variationen perfekt, sie geht aber auch neue Wege. Allerdings lehnt sie banale Verflachungen ab, wie sie in ihrem Lied „Pop-Fado“ bekennt. Starke Stimme! Starke Platte! Bester zeitgenössischer Fado!
Carminho – Maria (Parlophone/Warner Music)
Juni – Top 20
1. Minyo Crusaders – Echoes of Japan (Mais Um) Japan
2. Kronos Quartet, Mahsa & Marjan Vahdat – Placeless (Kirkelig Kulturverksted) USA/Iran
3. Refugees for Refugees – Amina (Muziekpublique) Syrien/Irak/Afghanistan/Pakistan/Tibet/BE
4. AKA Trio – Joy (Bendigedig) Senegal/Brasilien/Italien
5. Altın Gün – Gece (Glitterbeat) NL/Türkei
6. Bassekou Kouyate & Ngoni Ba – Miri (Outhere) Mali
7. Alim Qasimov and Michel Godard – Awakening (Buda Musique) Aserbaischan/F
8. Las Hermanas Caronni – Santa Plástica (Les Grands Fleuves) Argentinien
9. Waed Bouhassoun – Safar: Les Âmes Retrouvées (Buda Musique) Syrien
10. The Gloaming – 3 (Real World) Irland/USA
11. Aziz Sahmaoui & University of Gnawa – Poetic Trance (Pias) Marokko
12. Ifriqiyya Électrique – Laylet el Booree (Glitterbeat) Italien/Frankreich/Tunesien
13. Mara Aranda – Sefarad en el corazon de Turquia (Mara Aranda) Spanien
14. Le Vent du Nord – Territoires (Borealis) Kanada
15. Zulya – Six Days Loving / Alty Tön Yaratu (Zulya Kamalova) Australien/Russland
16. Dobranotch – Mercedes Kolo (CPL-Music) Russland
17. Söndörgö – Nyolc 8 Nyolc (SNDRG Music) Ungarn
18. Gaiteiros de Lisboa – Bestiário (Uguru) Portugal
19. Our Native Daughters – Songs of Our Native Daughters (Smithsonian Folkways) USA
20. Black Flower – Future Flora (Sdban Ultra) Belgien