Mísia zwischen Hölle und Himmel
Zwei Jahre lang kämpfte die in Porto geborene Mísia gegen eine schwere Erkrankung und hat diese schlimme Zeit auf ihrem aktuellen Album verarbeitet. Pura Vida (Banda Sonora) hat Ecken und Kanten und ist gerade deshalb sehr berührend. Mísia hat ihr erstes Album 1991 veröffentlicht und begeisterte seitdem mit 13 Platten die Aufgeschlossenen und verschreckte die Fado-Puristen nicht nur damit, dass sie sich nicht an die kanonisierte Instrumentalisierung hielt. Im Begleittext zur aktuellen CD erklärt sie, dass es sich nicht um eine Fado-Platte handelt, Fado sei aber durchaus enthalten. Bemerkenswert ist der Einsatz der verzerrten E-Gitarre, die die Hölle, die sie erlebt hat, symbolisiert, während die traditionelle portugiesische Gitarre mit ihrem zarten Klang den Himmel darstellt. Zwischen diesen beiden Polen, also Verzweiflung und Hoffnung, bewegen sich die 14 Lieder, die die Hörer*innen in ihren Bann ziehen. Ein mutiges und tief bewegendes Album einer großartigen Sängerin!
Mísia – Pura Vida (Banda Sonora) (Galileo Communications)
Istanbuler Underground
Die vor 23 Jahren gegründete Istanbuler Band BaBa ZuLa hat zu den politischen Verhältnissen in ihrer Heimat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Viele Stücke und ganze Alben stehen in der Türkei auf dem Index. Das deutsche Glitterbeat Label hat deshalb schon ihre CD zum 20. Jubiläum herausgebracht und jetzt auch Derin Derin. Die Gruppe ist sehr experimentell und psychedelisch, setzt aber immer auf traditionelle Instrumente. Die Wurzeln des anatolischen Rock liegen in den 1960er-Jahren und BaBa ZuLa bringt ihn in eine zeitgemäße Form. Das haben sie schon beeindruckend in Fatih Akin’s Film „Crossing the Bridge“ von 2005 bewiesen. Auf dem neuen Album nehmen sie Bezug auf die Krautrocker von Can und tun eine ordentliche Portion Dub dazu. Wie immer prägen die elektrisch verstärkten traditionellen Instrumente Saz und Baglama und die anatolischen Skalen die teils ganz verrückten Kompositionen. Ausgezeichneter Undergroundsound aus Istanbul – natürlich modern und zugleich zutiefst anatolisch!
BaBa ZuLa – Derin Derin (Glitterbeat)
Direkt aus der Sahara
Zusammen mit Tartit sind Tinariwen die Wegbereiter der modernen Musik der Tuareg in Europa. Die Mitglieder von Tinariwen trafen sich in den 1980ern in den Camps, in die die Tuareg flüchten mussten, und gründeten eine Band, die alles verarbeitete, was sie musikalisch umgab, und spielten das auf elektrisch verstärkten Gitarren. 2001 erschien ihr Debutalbum, produziert vom Briten Justin Adams und den französischen Lo’Jo. Das neue Album Amadjar haben sie während einer Reise in einem Zelt in der Sahara, nahe der mauretanischen Hauptstadt Nuakchott aufgenommen, um der sterilen Atmosphäre eines Studios zu entkommen. Und tatsächlich atmet die Platte ganz die Stimmung der Wüste. Bei einem Stück singt auch die exzellente mauretanische Sängerin Noura Mint Seymali mit. Die neue Platte wird weltweit von den Kritikern hoch gelobt. Ich kann mich dem nur anschließen. Das ist wieder erstklassige Tuareg-Musik!
Tinariwen – Amadjar (Wedge/PIAS)
Oktober – Top 20
1. Tinariwen – Amadjar (Wedge/Pias) Mali
2. Dona Onete – Rebujo (Mais Um) Brasilien
3. Cimarrón – Orinoco (Cimarrón Music) Kolumbien
4. Lajkó Félix & Vołosi – Lajkó Félix & Vołosi (Fonó) Polen/Serbien/Ungarn
5. Mara Aranda – Sefarad en el Corazón de Turquía (Mara Aranda) Spanien
6. Habib Koité – Kharifa (Contre-Jour) Mali
7. The Garifuna Collective – Aban (Stonetree) Belize
8. Boban Markovic Orkestar – Mrak (Fonó) Serbien
9. Mah Damba – Hakili Kélé (Buda Musique) Mali
10. Oum – Daba (MDC) Marokko
11. Mísia – Pura Vida (Banda Sonora) (Galileo Communication) Portugal
12. Parno Graszt – Már Nem Szédülök / Rolling Back (Fonó) Ungarn
13. Otava Yo – Do You Love (ARC Music) Russland
14. Baba Zula – Derin Derin (Glitterbeat) Türkei
15. Kayhan Kalhor, Rembrandt Frerichs, Tony Overwater, Vinsent Planjer – It’s Still Autumn (Kepera) Iran/NL
16. Nusrat Fateh Ali Khan and Party – Live at WOMAD 1985 (Real World) Pakistan
17. V.A. – Just Around the Bend: Survival and Revival in Southern Banjo Sounds (Smithsonian Folkways) USA
18. Laurie Anderson, Tenzin Choegyal, Jesse Paris Smith – Songs from the Bardo (Smithsonian Folkways Recordings) Fusion
19. Janusz Prusinowski Kompania – Po Sladach / In the Footsteps (Słuchaj Uchem / Buda Musique) Polen
20. Rhiannon Giddens with Francesco Turrisi – There Is No Other (Nonesuch) USA
Die TWMC TOP 20/40 bei: http://www.transglobalwmc.com/ und bei Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und www.woxx.lu/author/Klopottek.