Game-Empfehlung: Silicon Dreams

Können Sie einen Roboter von einem Menschen unterscheiden? Was heute leicht ist, ist in der Zukunft ein eigenständiger Beruf: In Silicon Dreams verhört man defekte Android*innen und entscheidet über deren Schicksal.

Jedes Verhör beginnt mit einem Bericht über den*die vermeintlich fehlerhafte*n Android*in. Die Spieler*innen müssen herausfinden, 
wie viel davon stimmt. (Screenshot: Clockwork Bird)

Es ist wohl eine der bekanntesten Szenen aus dem dystopischen Science-Fiction-Film „Blade Runner“: Ein (vermeintlicher) Androide wird mit der Voight-Kampff-Maschine, einer weiterentwickelten Form des Lügendetektors, die Menschen von menschenähnlichen Robotern unterscheiden kann, verhört. Wichtig ist für die Maschine vor allem die Veränderung der Pupille, die im Film groß dargestellt wird. Kein Wunder also, dass genau dieses Bild, eine Großaufnahme der Pupille der*des Verhörten, auch im Spiel Silicon Dreams prominent zu sehen ist.

Obwohl das Vorbild klar erkennbar ist, sind die Unterschiede zum Film groß: Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle eines Androiden, der im Auftrag des Kronos-Konzerns verschiedene angeblich defekte Roboter verhört. Mit jedem Interview gerät der Protagonist des Spiels tiefer in ein dichtes Netz aus konzerninterner Verschwörung und dem Versuch von Androiden, sich für mehr Rechte – oder gar eine Revolution gegen ihre menschlichen Gebieter*innen – einzusetzen. Bleibt man dem eigenen Arbeitgeber treu oder versucht man, seine Roboter-Geschwister aus dem Inneren des Konzerns bei ihrem Befreiungskampf zu unterstützen?

Zu Beginn eines jeden Interviews bekommen die Spieler*innen einen Fragebogen, den sie möglichst genau ausfüllen müssen. Einige Standardfragen sind bei jedem Verhör verfügbar, ansonsten geht es meist um ganz spezifische Situationen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, den*die Android*in an den Untersuchungsstuhl zu fesseln oder Gefühle wie Angst oder Wut in ihr*ihm auszulösen, um die Befragung zu beeinflussen.

Zurück zur Arbeit oder auf den Schrottplatz?

Am Ende des Verhörs hat der*die Spieler*in die Qual der Wahl: Wird der Androide zurückgeschickt, wird er umprogrammiert und verliert dabei all seine Erinnerungen oder wird er außer Betrieb genommen? Diese Entscheidung kann nicht alleine nach dem eigenen Bauchgefühl getroffen werden: Kronos beobachtet ganz genau, was man tut – wer sein Handeln nicht rechtfertigen kann, wird früher oder später ebenfalls auf dem Schrottplatz landen.

Das erste echte Verhör, das die Spieler*innen nach einem Trainingslauf absolvieren müssen, ist mit dem Androiden SM-032, der seiner Besitzerin nicht effizient genug arbeitet. Es stellt sich heraus, dass SM-032 eigentlich das Gegenteil tut: Er versucht, so schnell und gründlich wie möglich zu sein, und putzt deswegen sogar in der Nacht. Da seine Besitzerin das allerdings nicht sieht, hält sie ihn für unzureichend. Es stellt sich ein moralisches Dilemma: Soll der*die Android*in neu programmiert werden, damit die penible Besitzerin sich nicht mehr beim Kronos-Kund*innenservice beschwert, oder reicht es, dem Androiden-Kollegen ein paar Tipps im Umgang mit Menschen zu geben?

Wer etwas tiefer bohrt, findet vielleicht noch ein paar ungewollte Verhaltensweisen und damit einen guten Grund, den*die Android*in umprogrammieren zu lassen – oder noch bessere Gründe, das sein zu lassen. Ein späteres Verhör erinnert tatsächlich an „Blade Runner“: Hier versucht eine Androidin, als Mensch durchzugehen. So lautet zumindest die Vermutung von Kronos, die es zu bestätigen oder entkräften gilt. Der Fall wird im weiteren Spielverlauf immer wieder von Bedeutung sein.

Spielen Android*innen Computerspiele?

Je länger man spielt, um so schwieriger werden die Entscheidungen über Leben und Tod von Android*innen, denn wer sich als gute*r Verhörer*in herausstellt, wird vom Kronos-Konzern mit neuen Verhörmöglichkeiten und einer schöneren Wohnung belohnt. Letzteres kann den Spieler*innen vielleicht egal sein, Ersteres verändert die Möglichkeiten während des Spiels jedoch entscheidend.

Silicon Dreams versucht nicht, mit einer aufwendigen Grafik zu beeindrucken, sondern konzentriert sich vor allem auf die Story. Wer sie erleben will, muss sich darauf einlassen, viel zu lesen: Eine Synchronisation gibt es nicht, was vermutlich am eher kleinen Budget des neuen Entwicklungsstudios Clockwork Bird liegt, das gerade mal aus zwei Personen besteht. Das ist aber sicherlich kein Nachteil, denn die Geschichte stellt eine der ewigen Fragen der Science-Fiction: Was macht uns eigentlich menschlich und wie klar ist die Abgrenzung zur Maschine wirklich? Dabei gibt Silicon Dreams keine Antworten vor, sondern überlässt es den Spieler*innen, diese selbst zu finden.

Das Spiel selbst ist relativ kurz und lässt sich mit etwa sechs Stunden Spielzeit ganz gut an einem Wochenende durchspielen. Da es stets mehrere Möglichkeiten gibt, an ein Verhör heranzugehen, lässt es sich auch ohne Probleme mehrmals spielen, um verschiedene Enden zu erleben. Wie viele Möglichkeiten man entdeckt hat, zeigt das Spiel nach jedem Verhör an – so können Perfektionist*innen ihre (Miss)Erfolge gut nachvollziehen. Der recht niedrige Preis ist auf jeden Fall angemessen für das, was man geliefert bekommt. Wer noch nicht gänzlich überzeugt ist, kann eine kostenlose Demo ausprobieren – eine Tugend aus den Urzeiten der Videospiele, die glücklicherweise ein Revival erlebt.

Auf Steam, für Windows, Linux und Mac, etwa 12,50 Euro.

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