In dem Indie-Game _transfer schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle eines Computerprogramms nach einem Atomkrieg. Die kurzen, aber intensiven Spielerlebnisse werfen viele philosophische Fragen auf.
Ein schwarzer Bildschirm, eine Kommandozeile wie in Zeiten vor grafischen Benutzer*innenoberflächen und die Aufforderung, „Start“ einzugeben. Tut man das, huschen eine Reihe Fehlermeldungen über den Bildschirm, nach deren Ende ist man dennoch mit einem Server verbunden. Ein Hilfsprogramm erklärt die möglichen Optionen: Mit einem anderen Programm reden, Erinnerungsdateien anschauen oder die Verbindung beenden. Die Kommandozeile blinkt und wirkt dabei fast erwartungsvoll.
So wie _transfer startet, gestaltet sich das Spiel die meiste Zeit. In einer etwas verzerrten Form einer Kommandozeile können sich die Spieler*innen mit anderen Computerprogrammen unterhalten und sich Dateien mit Erinnerungen ansehen. Das Ziel ist herauszufinden, wer man ist, was passiert ist und was das Ganze eigentlich soll. Das ist nämlich überhaupt nicht so klar. Man spielt nämlich – so scheint es zumindest – ein Computerprogramm mit Amnesie, das nach und nach durch Gespräche und Durchforsten von Dateien seine Erinnerungen wieder erhält. Welche Ergebnisse dazu geführt haben, dass man sein Gedächtnis verloren hat, gilt es nach und nach aufzudecken.
_transfer spielt sich in kurzen, etwa zehnminütigen Sitzungen, die sich zwar gleichen, jedoch sehr unterschiedlich verlaufen können. Es gibt keine Möglichkeit zu bestimmen, mit welchem Programm man sich als nächstes unterhält, denn es ist stets nur eins verfügbar. Allerdings hat man meistens die Wahl aus mehreren verschiedenen Antworten, was zu sehr unterschiedlichen Gesprächsverläufen und letzten Endes auch Ergebnissen führen kann. Neben Text wird manchmal auch Ton abgespielt oder ein Videos gezeigt – allerdings immer in niedriger Qualität und oft mit „Fehlern“ an den entscheidenden Stellen. Es bleibt die Aufgabe der Spieler*innen, das Gesehene und Gehörte zu interpretieren und in einen Kontext zu stellen.
Dabei stellt sich nicht nur die Frage, was eigentlich genau passiert ist und warum diese Programme in doch recht merkwürdiger, sehr menschlicher Art und Weise miteinander kommunizieren. Ein Thema, das immer wieder aufkommt, ist das Vorhandensein einer „Ratte“, einem Menschen, der sich auf den Server geschlichen hat. Lässt sich dieser Eindringling finden? Oder ist es gar der*die Spieler*in, die diese Rolle eingenommen hat, unwissentlich?
_transfer wirft stets mehr Fragen auf, als es Antworten gibt, was besonders innerhalb der ersten Sitzungen sehr verwirrend sein kann. Den Spieler*innen wird zufällig eine von neun Rollen zugeteilt, ohne dass sie etwas davon wissen. Welche Gespräche und Erinnerungen sich daraus ergeben, muss man erst selbst zusammenstückeln. Umso großartiger fühlen sich die Aha-Momente an, wenn sich Informationen plötzlich zu einem Ganzen zusammenfügen und man ein besseres Bild von dem hat, was vor sich geht. So wurde während des woxx-Tests erst nach vielen Versuchen klar, was es mit dem mysteriösen Namen „Ansaldi“ auf sich hat, der in vielen Erinnerungen auftaucht.
„_transfer ist ein queeres narratives Spiel über Computer, Identität und darüber, was passiert, wenn du nicht mehr verstehst, wer du bist“, beschreiben die beiden Entwickler*innen, die sich unter dem Label Abyssal Uncreations zusammengetan haben, ihr Werk. Die Queerness ist allerdings nicht explizit, sondern lediglich im Subtext über die Suche nach Identität zu finden. Während vordergründig eine Erzählung über einen mutmaßlichen Atomkrieg und seine Folgen erzählt wird, stellen sich hintergründig viele Fragen darüber, was es heißt, ein Mensch – oder eine Maschine – zu sein. Dazu passen die schlichte Grafik, das stimmungsvolle Sounddesign und die spärlichen, bis zur Unkenntlichkeit zerstückelten Videos sehr gut.