Peru: Kleinbauern erobern Kakaomarkt

von | 26.09.2025

Die peruanischen Kakaobauern profitieren vom wachsenden Interesse an edlen Sorten und derzeit hohen Weltmarktpreisen. Genossenschaften, die auf Bio-Anbau, Qualität und nachhaltige Entwicklung setzen, profitieren aber nur bedingt von diesem Boom.

Eine halbierte Kakaoschote: Das süße Fruchtfleisch, das die Bohnen umgibt, ist bei Kindern wie Erwachsenen beliebt, wird aber nicht weiterverarbeitet. (Foto: Knut Henkel)

Eduardo Espinoza ist zuversichtlich. „Bisher ist unsere Kakaoernte ausgesprochen positiv verlaufen“, sagt der Kakaoexperte der Genossenschaft „Norandino“: „Wir haben einen Zuwachs, denn anders als in den Jahren zuvor war nicht das Wasser der begrenzende Faktor.“ Er deutet aus dem Wagenfenster auf den Fluss, den Río Bigote, der nur ein paar Meter von seinem Dorf La Quemazón entfernt vorbeifließt und relativ viel Wasser führt. Das ist in der Vergangenheit im Frühjahr selten so gewesen. In der semiariden Region im Norden Perus, in der auch die Stadt Piura liegt, gibt es oft wenig oder gar kein Wasser. Das limitiert die Möglichkeiten der Kakaobauern, ihre Produktion auszubauen. Dabei wäre die Nachfrage da.

Aus dem Bezirk Juan de Bigote, in dem auch La Quemazón liegt, kommt eine der schmackhaftesten Kakaosorten der Welt: der Cacao blanco. Die Bäume, an denen die hellen Kakaobohnen im weißen, leicht rosafarbenen Fruchtfleisch der Schoten reifen, waren schon beinahe ausgestorben. Eduardo Espinoza gehört zu dem Team, das es in sorgfältiger Arbeit geschafft hat, aus den besten und ertragreichsten Bäumen neue Setzlinge zu ziehen und etliche Bäume zu veredeln. „Das war ein Prozess über zehn, fünfzehn Jahre, so Espinoza. Alle Bauern der Region hätten dabei mitgemacht. Die hiesige „Genossenschaft der kleinbäuerlichen Agrarproduzenten“ von La Quemazón ist die wichtigste Organisation im Dorf. In La Quemazón ist Espinoza aufgewachsen, hier lebt das Gros seiner Familie und hier unterhält er nach wie vor eine kleine Kakaofarm.

Die Wiederentdeckung der weißen, aromatischen Bohnen, die auch bei den Luxusmarken unter den internationalen Schokoladenanbietern gefragt sind, war für die Bio-Bauern des kaum 150 Häuser zählenden Dorfes eine gute Nachricht. Auf weniger als einem Hektar bauen viele den weißen Kakao an. Nur sehr wenige kommen auf mehr als zwei Hektar, auf denen die mittelgroßen Bäume mit den großen Blättern und den charakteristischen Schoten wachsen. Gelb-orange leuchten sie, wenn sie reif sind, und Bauern wie Nico Guerrero Pintado kontrollieren regelmäßig ihre kleinen Plantagen, um auf Schädlingsbefall, oft Pilze, frühzeitig reagieren zu können. Auch der stämmige Mann von Anfang vierzig muss sich mit einem Hektar begnügen, auf dem er Kakao anbaut, und darüber hinaus noch Lebensmittel für den Eigenbedarf. „Ich würde wie andere auch gerne meine Produktion ausweiten, aber es gibt keine geeigneten Flächen“, so der Bauer. Außerdem werde künftig wohl das Wasser knapp.

Guerrero zählt zu den jüngeren unter den 35 bis 40 Genossenschaftern, die derzeit in Etappen ernten. „Es sind mehrere Durchläufe, in denen wir die Schoten pflücken, denn sie werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten reif. Dann halbieren wir die Schote und kratzen die Kakobohnen und das weiße süßlich schmeckende Fruchtfleisch heraus“, erläutert er und weist auf eine große, noch leicht grüne Schote. Fruchtig-süß ist das Fruchtfleisch und bei Kindern wie Erwachsenen beliebt. Bei der weiteren Verarbeitung der Bohnen in der Genossenschaftszentrale findet es keine Verwendung mehr.

Eduardo Espinoza steht vor einem der Trockenzelte und nimmt die Bohnen, die auf einem Geflecht aus Kunststoff trocknen, in Augenschein. „Wir steuern in diesem Jahr auf eine gute Ernte zu, werden deutlich über der Ernte des letzten Jahres von rund 700 Tonnen liegen“, prognostiziert der 58-Jährige, der einen breitkrempigen Hut gegen die gleißende Sonne trägt.

Kaum mehr als 25 Tonnen des Edelkakaos werden in La Quemazón und den umliegenden Dörfern produziert. Der Rest kommt aus anderen Anbauregionen Perus wie Tumbes oder St. Martín. Dennoch ist die Gegend rund um Piura, einer mittelgroßen Stadt nahe der ecuadorianischen Grenze, für die Edelkakaos bekannt, die in aller Regel noch teurer sind als der ohnehin schon extrem kostspielige Durchschnittskakao. Mehr als 12.000 US-Dollar kostete eine Tonne Kakaobohnen vor einem Jahr, im Januar 2025 waren es noch rund 11.000 US-Dollar und derzeit liegt der Preis bei etwa 8.000 US-Dollar. Das sei positiv, laut Espinoza. „Der Markt hat sich etwas beruhigt, die Aufkäufer der großen Süßwarenkonzernen wie „Mars“, „Nestlé“ oder „Mondelez“ sind seltener mit ihren Geldkoffern unterwegs, meint Espinoza mit einem sarkastischen Grinsen.

Der Hauptgrund für die Preisentwicklung der vergangenen Jahre sind die Ernteausfälle der beiden größten Produzenten, Elfenbeinküste und Ghana.

Das war vor ein paar Monaten noch anders. Die Genossenschaft macht diese Großankäufer für die schlechte Ernte im vergangenen Jahr mitverantwortlich. „Wir hatten es nicht nur mit ungünstigem Klima und mit Wassermangel zu tun, sondern auch mit Bauern, die schwach wurden und nicht an uns, ihre Genossenschaft, sondern an die Coyotes verkauft haben“, sagt Espinoza. Coyotes – so heißen in Peru und den Nachbarstaaten die Aufkäufer von Kakao, Kaffee und anderen Agrarprodukten, die für den internationalen Markt bestimmt sind.

Espinoza blickt in die Runde der Bauern, die sich heute eingefunden haben, um Ernteabläufe, Kaufpreise und die Abholung der Ware zu koordinieren. Norandino bietet ihnen derzeit Ankaufpreise oberhalb des Weltmarktpreises an und hat Kredite aufgenommen, um die Nachfrage der jeweiligen Abnehmerfirmen bedienen zu können.

Der Hauptgrund für die Preisentwicklung der vergangenen Jahre sind die Ernteausfälle der beiden größten Produzenten, Elfenbeinküste und Ghana. Schädlinge und überalterte Plantagen haben die Ernte der Jahre 2023 und 2024 dort um bis zu 30 Prozent einbrechen lassen. Vor knapp drei Jahren war eine Tonne Kakaobohnen noch für 3.000 US-Dollar zu haben. Angesichts der hohen Preise werden derzeit Kakaoplantagen neu angelegt, alte reaktiviert, weltweit wird mehr Kakao angebaut. „Allerdings dauert es vier bis fünf Jahre bis ein Kakaobaum Früchte trägt, sodass die Hochpreisphase maximal noch zwei, vielleicht auch drei Jahre andauern wird“, prognostiziert Eduardo Espinoza. Er verbringt zwar oft das Wochenende in La Quemazón, sein Büro hat er aber in Piura auf dem Areal der Genossenschaft. Auf 12.000 Quadratmetern finden sich dort die Lagerflächen sowie die Infrastruktur für die Selektion und Verarbeitung der Bohnen. Rund 6.000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen vertritt man insgesamt.

Espinoza ist für den Kakaosektor zuständig. Doch auch Zuckerohr und Kaffee werden hier in der Region in Bioqualität angebaut und weltweit erfolgreich vermarktet. Dafür hat Norandino professionelle Strukturen aufgebaut und zwei Millionen US-Dollar in die Kaffeelagerung und -verarbeitung investiert. Sechs Millionen waren es beim Kakao. Ein Teil des Geldes floss in die noch kleine Schokoladenfabrik, wo heute Kuvertüre für „Original Beans“, eine in Amsterdam ansässige nachhaltige Edel-Schokoladen-Marke, produziert wird.

Langsam läuft die dickflüssige Schokolade in die transparenten Kunststoffformen. Ein paar Minuten später, wenn sie ausgekühlt sind, werden die dicken, überdimensionierten Tafeln aus den Formen geklopft. Manchmal wiegen sie ein Pfund, manchmal auch zwei Kilo, alle sind sie mit dem Logo der Abnehmerfirma versehen. Sie werden in die bereitstehenden mit Folie ausgekleideten Pappkartons verstaut. Norandino steht in dicken Lettern auf den Kartons, die aus dem Hafen von Piura regelmäßig nach Amsterdam verschifft werden. Das gilt auch für andere Kakaoprodukte.

Perspektivisch soll neben Kuvertüre auch Schokolade für den nationalen peruanischen Markt produziert werden. Doch das wird noch etwas dauern, denn Geld für weitere Investitionen gibt es derzeit nicht. „Wir haben vor allem in Hochpreisphasen immer wieder zu kämpfen“, sagt Omar Guerrero Alberca, der Geschäftsführer der Genossenschaft. „Zwar haben unsere Bauern und Bäuerinnen dann endlich mal die Chance, ein wenig Geld zu verdienen. Immer wieder verkaufen sie dann jedoch an andere und wir haben Probleme, unsere Lieferverträge zu erfüllen“, gibt er unumwunden zu.

Hinzu komme, dass es die Großaufkäufer in Zeiten knapper Bestände kaum interessiere, welche Qualität die Ware hat. „Wenn wenig Kakao oder Kaffee auf dem Markt ist, wird fast alles gekauft – ohne Qualitätskontrolle und ohne zwischen konventionellem und Bioanbau zu unterscheiden“, ärgert sich Guerrero Alberca. Das gefährdet den mühsamen Lern- und Aufbauprozess, sowohl qualitativ als auch nachhaltig und biologisch zu produzieren und entsprechende Produktionsstandards in den kleinen Genossenschaften wie La Quemazón zu etablieren. Dass man über dem Weltmarktdurchschnitt liegende Preise zahlen könne, liege auch an der hohen Qualität der Ware und „weil wir Bio-Zuschläge von unseren Partnern erhalten“, wie Espinoza ergänzt. Er tut alles, um die Identifikation der Bäuerinnen und Bauern mit Norandino zu fördern. Zusätzliche Schulungen und Seminare werden angeboten, auch Besuche in der Zentrale der Genossenschaft werden hin und wieder organisiert.

Das begrüßt Luis Mendoza vom peruanischen Kakao-Kleinbauern-Verband „Appcacao“, der selbst Kakao in der Region Piura anbaut. Der 58-Jährige ist froh, dass die Regierung in Peru zumindest offiziell den Bioanbau im Kakaosektor fördert. Echte Fördermaßnahmen sind zwar selten, aber anders als im benachbarten Ecuador ist der Kakaoanbau eine kleinbäuerliche Domäne mit oft besserer Qualität. Langsam und nachhaltig soll der Sektor wachsen. Dabei helfen faire Standards an beiden Enden der Lieferkette. Mendoza wirbt sowohl für das Europäische Lieferkettengesetz als auch für die am 30. Dezember 2025 in Kraft tretende EU-Entwaldungsverordnung (EU-DR). Letztere verpflichtet Bauern, Genossenschaften und Unternehmen zum Nachweis, dass sie für den Anbau von Kakao und anderen Agrarprodukten wie Kaffee oder Palmöl keine Bäume gefällt haben.

Die EU-Verordnung, so die Hoffnung von Experten, aber auch von Kakaobauern wie Nico Guerrero Pintado aus La Quemazón, könnte für ein Umdenken in der Branche sorgen. Nachhaltiger und fairer wünschen sich viele Bauern den Markt. Viele Genossenschaften plädieren für Mindestpreise, die existenzsichernde Löhne in der Branche ermöglichen. Doch darauf deutet derzeit allerdings wenig hin, auch nicht auf langfristige Lieferverträge mit Kleinbäuer*innen und Genossenschaften. Immerhin: Eduardo Espinoza hat mit einzelnen Partnern wie „Original Beans“ Verträge ausgehandelt, die je nach Weltmarktpreis angepasst werden. Ein Modell, das auch in anderen Ländern und Regionen funktionieren könnte.

Knut Henkel berichtet für die woxx aus Lateinamerika.

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