Von der Bedeutung der Bestäubungsleistung der Bienen hat man kaum einen Begriff, und auch auf die Abnahme der Biodiversität in der Landschaft wird zu wenig reagiert. Im Vorfeld der Filmpremiere von „More than Honey“ sprach die Woxx mit dem Imker und Naturschützer Marc Thiel.
Woxx: Worin sehen Sie das Hauptproblem der Imkerei?
Marc Thiel: Im Film „More than Honey“ wird auch die Thematik der Bestäubung aufgegriffen. Wenn jemand an die Imkerei denkt, dann meint er damit in der Regel den Honig – das Wichtigere ist jedoch die Bestäubung. Schweizer Studien besagen, dass der Wert der Bestäubungsleistung 10 bis 30 Mal so hoch ist wie der des Honigs. Wenn wir den Wert der Bestäubung rechnerisch mit dem des Honigs vergleichen würden, dann müsste man eigentlich den Honig für 50 bis 150 Euro pro Glas verkaufen, statt der heutigen fünf Euro. Von den Bienen wird eine Leistung erbracht, die nirgendwo beziffert wird – die jedoch ein extrem wichtiger Beitrag zum Erhalt der Landschaft ist. Viele landwirtschaftliche Produkte gäbe es ohne Bienen nicht – Obst und Raps zum Beispiel. Auch viele wilde Blumen und Hecken würden die Früchte nicht tragen, von denen sich die Vögel ernähren.
Wenn Sie von der Wichtigkeit des Bestäubens reden, müssten dann nicht die Imker, die die Bienen züchten, anders entlohnt werden?
Alleine würde die Biene heute nicht mehr überleben können. Es gibt Parasiten, wie die Varroamilbe, die ein Bienenvolk innerhalb kürzester Zeit sterben lässt. Das heißt, die Bienenvölker sind heute auf Imker angewiesen. Diese fordern nicht unbedingt eine höhere Vergütung. Aber es geht darum, den Wert der Bestäubungsleistung zu beziffern und ins Bewußtsein zu rücken.
Ein weiteres Problem stellen die Neonicotinoide dar, eine Gruppe von hochwirksamen Insektiziden. Passiert hier etwas auf EU-Ebene?
Das ist ein großes Problem. Es gibt eine Reihe verschiedener Insektizide, die negative Auswirkungen auf die Bienen haben. Bei den Neonicotinoiden wurden letzte Woche auf EU-Ebene erste konkrete Schritte zu ihrer Abschaffung in die Wege geleitet. Das ist für die Naturschützer und Imker natürlich eine sehr gute Nachricht, und wir hoffen, dass das Vorhaben konsequent umgesetzt wird. Ein weiteres Problem ist die Biodiversität der Landschaft. Sie ist in den letzten hundert Jahren sehr stark zurückgegangen, so dass die Bienen heute zeitweise nicht mehr genug Nahrung finden. Im Frühjahr, wenn Obstbäume oder Hecken blühen, finden die Bienen ein reichhaltiges Angebot vor – im Sommer jedoch ist plötzlich nichts mehr da, da viele Pflanzen, die früher im Acker standen, durch Pestizide herausgespritzt werden.
Sehen Sie Möglichkeiten, dem zu begegnen?
Auch aus allgemeineren Naturschutzgründen treten wir aktiv für Wiesen ein und dafür, dass Blumen nicht umgepflügt werden. Wir versuchen, neue Hecken anzulegen und Bongerten zu erhalten, damit der Lebensraum der Biene geschützt und erhalten bleibt. Wenn die Bienen nicht mehr da sind, müssen wir unser Obst selbst bestäuben, das wird nicht klappen. Wir wollen die Menschen ? dazu dient auch der Film – auf die enorme Bedeutung der Bienen als Bestäuber der Pflanzen in der Landschaft aufmerksam machen.
Marc Thiel arbeitet für die Organisation „natur&ëmwelt“ und ist selbst Imker.
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