„Aner Welten“: Luxemburgisches Fanzine gewinnt europäischen Preis

Die „European Science Fiction Society“ hat die Verleger*innen von „Aner Welten“ im August mit dem „Best Fanzine Award“ ausgezeichnet – und zwar für ihre Anthologie „Solarpunk“. Nicolas Calmes hat die Herausgeber*innen Cosimo Suglia und Sandy Heep für die woxx interviewt.

Sandy Heep und Cosimo Suglia gründeten das Luxemburger Fanzine „Aner Welten“. (© Aner Welten)

woxx: Ihr wurdet gemeinsam mit dem schwedischen „Nebulazine“ von der „European Science Fiction Society“ (ESFS) mit dem „Best Fanzine Award“ für eure „Solarpunk“-Anthologie ausgezeichnet. Kam das als Überraschung?

Sandy Heep: Absolut. Wir wussten nicht einmal, dass wir nominiert waren. Meistens nominieren wir durch unsere Vereinigung, die luxemburgische „Science Fiction and Fantasy Society“, andere Leute, für den vom ESFS vergebenen „Chrysalis Award“. Weil wir dieses Jahr aber privat wie beruflich viel beschäftigt waren, waren wir in der luxemburgischen Vereinigung weniger aktiv. Wir dachten nie, dass wir nominiert werden würden.

Cosimo Suglia: Eine Nominierung wäre ja noch im Raum des Vorstellbaren gewesen. Gewinnen war unvorstellbar.

Wie steht ihr im Allgemeinen zum Thema literarische Wettbewerbe und, implizit, literarische Vergleiche?

C. S.: Meinem Empfinden nach motivieren literarische Wettbewerbe zum Schreiben – auch dann, wenn man sie nur als Übung begreift. Sollen sie das einzige Ziel des Schreibens sein? Nein. Sie sind aber auch gut, um den eigenen Namen bekannter zu machen. Vielleicht sagt jemand dadurch: Cosimo Suglia, von dem habe ich schon einmal gehört.

S. H.: Ein Pfeiler von „Aner Welten“ ist es, dem Wettbewerbsgefühl zu entkommen. Bei unserer ersten Anthologie, „Solarpunk“, entschieden wir sehr früh, dass wir keinen ersten, zweiten und dritten Preis verleihen würden. Wir wollen ranggleiche Geschichten lesen. Uns ist dein Name egal, solange deine Geschichte ins Gesamtkonzept passt, bist du dabei. Unsere Anthologien sollen nicht als Wettbewerb wahrgenommen werden, weil sie das nicht sind. Die Autor*innen werden im Buch alphabetisch geordnet. Es ist ein ekliges Gefühl, wenn du als „Auftraggeber*in“ entscheiden musst, was das Beste und das Schlechteste ist.

C. S.: Wie Sandy sagt … Bei „Aner Welten“ hierarchisieren wir nicht. Natürlich analysieren wir die Qualität der Texte. Aber die Thematik ist der ausschlaggebende Punkt.

S. H.: Ein Urteil ist ohnehin subjektiv. Nur, weil wir etwas gut finden, bedeutet das noch lange nicht, dass andere Leute das auch so sehen.

Sandy, du arbeitest seit Kurzem in Vollzeit für das Kulturzentrum „Opderschmelz“ in Düdelingen. Inspiriert dich deine Arbeit in deinem kreativen Schreiben?

S. H.: Ganz klar. Ich habe die letzten Jahre über an vielen Events mitgearbeitet, von Literaturevents über sieben große Musikfestivals bis hin zu einem akustischen Picknick auf einer Wiese. Als Künstlerin und Schriftstellerin ist es zutiefst bereichernd, auch einmal etwas anderes kennenzulernen – Science-Fiction und Fantasy sind mir sehr nahe, aber ohne meine professionelle Arbeit würde ich vielleicht jetzt nicht sagen, dass ich stolz auf mich bin.

Könnt ihr euch an den Moment erinnern, bei dem es bei euch „Klick“ machte, und ihr dachtet, das hier beweist, dass ich schreiben kann?

C. S.: Als ich beim Wettbewerb um den „Prix Laurence“, bei dem junge Autor*innen ausgezeichnet werden, mehrmals Finalist wurde. Die erste Kurzgeschichte, die ich je schrieb, schrieb ich im Rahmen dieses Wettbewerbs – nur als Übung. Und es funktionierte. Ich wurde Finalist.

S. H.: Für mich war Cosimo der Grund. Er ließ nicht locker, bis ich eine Geschichte an die Literaturzeitschrift „Les Cahiers luxembourgeois“ schickte und sie veröffentlicht wurde. Daraufhin schrieb die woxx, dass meine Geschichte ihr „coup de coeur“ der aktuellen Ausgabe sei. Ich fühlte mich geehrt, dass jemand, der etwas von Literatur verstand, meine Geschichte als sein „coup de coeur“ bezeichnete. Dabei war es nicht einmal eine Fantasygeschichte, und mir steht Fantasy am nächsten.

Gab es einen vergleichbaren Moment hinsichtlich der Verlagsarbeit?

C. S.: Ich habe einen Master in Luxemburgistik gemacht. Meine These handelt von dem Literaturgenre Science-Fiction in Luxemburg. Da merkt man, wie wenige Science-Fiction-Texte es hierzulande gibt. Mich inspirierte am meisten der Moment, als ich eine Anthologie aus den 1970er-Jahren vom Verlagshaus „Op der Lay“ fand mit dem Titel „Himmel auf Erden – Science Fiction aus Luxemburg“. Im Vorwort stand sinngemäß: „Wir wollen im Geiste Hugo Gernsbacks eine luxemburgische Science-Fiction-Tradition begründen.“ Danach passierte bis zu den Nullerjahren nicht viel. Erfolgreich waren die Verleger*innen von „Himmel auf Erden“ in dem Sinne nicht. Ich fand, dass es nicht schlecht wäre, trotzdem immer wieder Anthologien zu veröffentlichen und eine Plattform für Science-Fiction-Literatur zu entwickeln. Für dieses Vorhaben habe ich mich von den großen US-amerikanischen Websites inspirieren lassen. Die größten Namen in der Szene werden auf diesen Seiten publiziert, die mithilfe des simplen WordPress-Programms betrieben werden. Die Software kann ich installieren, ein bisschen programmieren kann ich auch. Ich erzählte Sandy von meiner Idee und sie sagte: „Ja, warum nicht?“

Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft von Science-Fiction und Fantasy in der luxemburgischen Literatur aus?

C. S.: Größer, besser, und ich hoffe, dass sie noch mehr in die traditionelle Verlagswelt eindringt. Dies tut sie teilweise schon.

S. H.: Ich bin da ebenso optimistisch. Ich bin davon überzeugt, dass irgendwann auch die kleine luxemburgische Welt sieht, dass Science-Fiction und Fantasy gar nicht so abgedreht sind, wie man denkt, und dass Lesen Spaß macht. Man muss nicht immer in unserer alltäglichen Realität gefangen sein. Menschen sollen auch träumen dürfen, und wenn sie das nicht mal in der Literatur können, wo findet man dann noch Spaß am Leben?

Der Interviewer Nicolas Calmes kennt die Befragten dieses Artikels privat und professionell. Er hat mit ihnen studiert, wurde auf www.anerwelten.lu veröffentlicht und wird in der nächsten Anthologie „Monster“, die 2025 erscheinen wird, publiziert. Nach interner Besprechung gelangte die woxx zu der Auffassung, dass dieses Gespräch in seinem präzisen Kontext keinen gravierenden Interessenskonflikt darstellt.

Aner Welten“ ist ein Online-Fanzine mit Schwerpunkt auf „speculative fiction“ aus Luxemburg. Es zielt darauf ab, eine Tradition dieser Art von Belletristik in und über Luxemburg zu etablieren. Das Fanzine fungiert als Plattform für vor allem junge Stimmen aus Luxemburg. Die digitale Zeitschrift wurde von Cosimo Suglia und Sandy Heep gegründet. Beide Autor*innen sind in dem Genre zu Hause. Auf ihrer Seite www.anerwelten.lu erklären sie, dass sie das Gefühl hatten, der Bedarf nach einer einschlägigen Plattform bestehe – nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass Luxemburg der Geburtsort von Hugo Gernsback ist: Der Mann, der den Begriff der „scientification“ schuf, aus dem später die Science-Fiction wurde. Auf ihrer Website publizieren Cosimo Suglia und Sandy Heep Prosa und Lyrik, die man kostenlos lesen kann – auch die Texte, die Teil der Solarpunk-Anthologie sind, können online gelesen werden.


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