Das CNA zeigt mit „Dystopian Circles/Fragments … all along“ ein Langzeitprojekts des luxemburgischen Fotografen Armand Quetsch. Die gezeigten Fotografien sind während eines Jahrzehnts auf verschiedenen Reisen quer durch die europäische Landschaft entstanden.
„Die Bilder die ich fand, passten nicht zu den Bildern, die ich suchte“ erklärt Quetsch, der sich seit einer kollektiven Residenz, im „Espace Photographique Contretype“ in Brüssel mit der Frage der fotografischen Darstellung des Begriffs Territorium beschäftigt. Das Projekt entwickelte sich zu einer Konfrontation mit dem Bild Europas. Dementsprechend spielt die Ausstellung mit der Rezipierung der Realität und ihrer Repräsentation: Bekannte historische, heroisch konnotierte Motive enthüllen ihre unterschwellige Gewalt in ihrer Kombination mit Bildern, die von wirtschaftlicher und politischer Ausgrenzung zeugen. Es entsteht eine Gleichzeitigkeit von Ideal und Dystopie, die vielleicht prägend für die europäische Identität ist.
Die Ruinen der Tempelsäulen Olympias, die die griechischen Wurzeln der europäischen Kultur repräsentieren, haften in schwarz-weißem Druck auf der rot-grünlichen Wasserreflektion einer Konsum-Leuchtreklame, die an den „American-Dream“ appelliert. Diese Anordnung wird von einer dokumentarisch anmutenden Aufnahme des Eingangs der Athener Nationalbank flankiert – eine Erinnerung an die Auswirkungen der Finanzkrise 2008, die auch den Ausgangspunkt für Quetschs Projekt markiert.
Die Kombination von Plattenbauten und einer Erdfunkstelle zeigt die Verbreitung von Bildern der „Außenwelt“, und die verschiedenen eingeschlossenen „Universen“, in denen diese ankommen. Von der Situation des still abgehängten Balkan zeugt unter anderem die körpergroße, wie zum Betreten einladende Fotografie des geschlossenen Museums Sarajevos, die wiederum das Foto der Fassade der serbischen Nationalbank verdeckt.
Die lebensgroßen Formate wechseln sich mit gerahmten, mit plakatierten und mit an der Wand anlehnenden Fotografien ab und überlagern einander zum Teil, wodurch die Ausstellung den Charakter einer Installation erhält. Durch die verschiedenen Kombinationen und Positionierungen im Raum entstehen formale, körperliche und inhaltliche Assoziationsketten, die den Zuschauer dazu auffordern eine persönliche Lesart zu entwickeln.
In der Mitte des Ausstellungsraums ist eine große Plane mit der fotografischen Abbildung einer Meeresoberfläche ausgebreitet – eine Aufnahme von der ersten Reise Quetschs, die sich in umgekehrter Richtung zur Flüchtlings-Route, von Brüssel nach Lampedusa, vollzog. Die Positionierung auf dem Boden übt einen starken Sog aus, indem sich die Erinnerung an ein körperliches Stehen über dem Meeresabgrund durch die politische Aufladung der Abbildung verdichtet. Die Wellenbewegung in der Meeresabbildung auf dem Boden korrespondiert mit der suggerierten Bewegung zweier leicht versetzter fragmentarischer Aufnahmen eines Sicherheitsgitters. Hinter dem „Meer“ reihen sich der Ausblick von Lampedusa aus auf die lagunenblaue afrikanische Küste, verschneite Berge der Alpenkette und ein blauer Himmel mit zwei Schwalben aneinander.
Menschliche Bewegung, ihre politische und wirtschaftliche Eingrenzung, finanzielle Ströme, Bewegung von Energieressourcen, Verbreitung von Bildern über Rundfunk – die kontinuierliche fragmentierte Aufnahme der Realität zieht sich wie ein subtiler thematischer Faden durch die ausgestellten Werke. Armand Quetschs offener und kritischer Blick wirft die Frage nach einer menschlicheren Haltung gegenüber dem europäischen „Spiel-Raum“ auf. Die Ausstellung überzeugt durch eine präzise, abgewogene Setzung der Werke und eine differenzierte Auseinandersetzung, über das Medium der Fotografie, mit politischen Oberflächen und den Bewegungsströmen – auch den weniger sichtbaren -, die das gegenwärtige europäische Gebiet ausmachen.
Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Pepperoni Books auch in Buchform publiziert. Zu sehen noch bis zum 14. Mai im CNA in Düdelingen.
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