Während der Apokalypse ist Fotojournalist*in kein besonders gemütlicher Job. Das Spiel Umurangi Generation schafft den Spagat zwischen Dystopie und Lebensfreude dennoch – oder gerade deswegen.

Neben Tanzen und Feiern bieten sich am Rand der Apokalypse auch eher triste Bilder wie dieses. Umurangi Generation fordert dazu auf, sie alle festzuhalten. (Fotos: Origame Digital)
In der nahen Zukunft ist die Stadt Tauranga in Aotearoa (Neuseeland) von einer hohen Mauer abgeriegelt. Das Militär, unter Kontrolle der UN, hat das Sagen, ein Großteil der Bevölkerung lebt in Flüchtlingscamps. Der Grund: Außerirdische haben die Erde angegriffen, überall herrschen Ausnahmezustand und Krieg gegen die Invasor*innen. Als Spieler*in schlüpft man in die Rolle eines*einer Fotojournalist*in für den „Tauranga Express“. Dabei besucht man verschiedene Schauplätze in Tauranga und muss Fotoaufträge erfüllen. Immer mit dabei ist eine Freund*innengruppe, zu der auch ein Pinguin gehört.
Das Spielprinzip ist leicht erklärt: Wie in einem Egoshooter läuft man in Stadtteilen, U-Bahnstationen, Zügen und Schlachtfeldern herum und kann zu jederzeit ein Foto machen. Nach einem Schnappschuss kann das Foto noch nachträglich bearbeitet werden, zum Beispiel was Kontrast oder Farbintensität angeht. Anfangs ist die Ausrüstung beschränkt: ein einziges Objektiv steht zur Verfügung.
Nach und nach kommen verschiedene Linsen und Bearbeitungsmöglichkeiten hinzu, sodass sich mehr kreative Möglichkeiten auftun. In jedem Level sollen unterschiedliche Motive abgelichtet werden. Manchmal ist auch vorgegeben, ob es sich um eine Nahaufnahme handeln oder ein bestimmtes Objektiv benutzt werden muss. Für die meisten Aufgaben gibt es mehr als eine „Lösung“, denn Kreativität steht stets an oberster Stelle.
Umurangi Generation ist kein fotorealistisches Spiel, sondern bedient sich ganz bewusst einer comicartigen 3D-Grafik. Die Fotos sehen oft etwas grobkörnig aus, was dazu passt, dass in der Fiktion mit analogem Film gearbeitet wird. Gibt es in der Welt von Umurangi Generation viel zu entdecken, so ist die manchmal etwas unberechenbare Steuerung hier in gewissen Fällen ein Hindernis. Besonders wenn man versucht, das Zeitlimit von zehn Minuten für ein Level einzuhalten. Schafft man das, winken spezielle Ausrüstungsgegenstände für die nächste Fototour. Ein Kreativmodus, in dem man ohne Zeitdruck fotografieren kann und Kontrolle über Aspekte wie Tageszeit und Lichtstimmung hat, behebt die kleinen Probleme des Spiels.
Der Entwickler des Spiels, Naphtali Faulkner, ist ein Maori, der in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Australien umgezogen ist. Er wollte anfangs ein reines Fotografiespiel machen, um seinem Cousin den Umgang mit einer Spiegelreflexkamera näherzubringen. Dann kamen die Buschfeuer des australischen Sommers 2019/2020 und die unzureichenden Reaktionen der Politik, was ihn dazu brachte, den Fokus des Spiels zu verändern. Umurangi bedeutet auf Te Reo Maori, der Sprache der Maori, „roter Himmel“ – eine Anspielung auf die Farbe des Himmels während der Buschbrände. Umurangi Generation bezeichnet also eine Generation, die mit dem Wissen leben muss, Katastrophen schutzlos ausgeliefert zu sein.
Die Thematik des Spiels ist hauptsächlich eine Metapher auf die Klimakrise, aber auch auf die Covid-19-Pandemie. In einem Interview mit dem Online-Magazin Indiegamewebsite gibt Faulkner an, er habe die Art und Weise, wie der Neoliberalismus sogar eine Pandemie in Werbebotschaften verwandelt hätte, überspitzt darstellen wollen. Das sieht man besonders auf den omnipräsenten Plakaten, die entweder die Alien-Invasion für Produktwerbung benutzen oder Durchhalteparolen der Regierung wiedergeben. Dass es für Fotos von den angreifenden Aliens Punkteabzug gibt, zeigt, dass auch (Foto)journalist*innen nicht vollkommen abseits ökonomischer Zwänge berichten können.
Die Jugendlichen der Umurangi Generation sind jedoch nicht ständig verzweifelt. Sie genießen vielmehr jene kleinen Freiheiten, die ihnen noch bleiben, wie etwa Graffiti mit Maori-Symbolik auf ein verlassenes Hochhaus sprayen oder in den Straßen tanzen. Umurangi Generation ist ein besonderes Spiel: Die Fotomechanik alleine wäre den Kauf bereits wert, die Story und die politische Botschaft sind ein zusätzliches Sahnehäubchen.