Luxemburgische Filmproduktion „Operatioun Pauly“: Ein schales Drama

von | 04.10.2024

In „Operatioun Pauly“ geht es um die historisch verbürgte, sensationelle Flucht von vier jungen Männern aus einem Nebenlager des KZ Buchenwald. Trotz dieser starken Vorlage erweist sich der Low-Budget-Film jedoch als ein misslungenes filmisches Werk.

Die Schlüsselszene des Films: Die vier Häftlinge können das Lagergelände unerkannt verlassen. (Foto: Unioun vun de Lëtzebuerger Resistenzorganisatiounen asbl)

Die Geschichte hat es in sich: Im Sommer 1944 flüchteten vier Insassen aus dem Nebenlager Arolsen, das zum KZ Buchenwald gehörte, in einem SS-Fahrzeug. Dafür war nicht nur unfassbar viel Mut, sondern auch eine akribische Planung nötig: Der Belgier Fernand Labalue (Constant Kloeckner) stahl aus der Kleiderkammer vier Uniformen, die den Flüchtigen als Tarnung dienen sollten, der Luxemburger Nic Wolff (Charly Leonardy) war für die Benzinbeschaffung zuständig und reparierte zudem gemeinsam mit dem polnischen Häftling Adolf Korzynski (Damian Poltorak) den Fluchtwagen, der in einer Lagerhalle unter einer Plane stand. Der Luxemburger Pierre Schaul (Fabien Gillander) sollte Abdrücke von dem Schlüssel machen, mit dem er sich Zugang zu Büroräumen verschaffte, in denen wichtiges Material wie zum Beispiel Landkarten lagerten. Und natürlich musste auch ein hölzernes Modell zusammengezimmert werden, das die vier Männer anstelle des Wagens unter die Plane stellen konnten, damit möglichst lange keiner Verdacht schöpfte, auch wenn sie sich schon lange mit dem Auto auf der Straße befänden.

Ein paar Mal flog ihr Plan fast auf, aber schließlich schafften es die vier, das Lager in dem gestohlenen Ford Eifel zu verlassen. Auf kleinen Straßen fuhren sie quer durchs Deutsche Reich, nahmen zum Tanken immer wieder große Risiken auf sich, passierten – unter Vorgabe, an einer Geheimmission beteiligt zu sein – die Rheinbrücke, die nur noch von der Wehrmacht und den SS-Verbänden befahren werden durfte, und kamen schließlich nach Trier, von wo aus sie in Zweiergruppen mit dem Zug nach Luxemburg fuhren. Dort wurden sie bis zum Kriegsende von den Familien Wolff und Schaul versteckt.

Die Flucht der vierköpfigen Gruppe gilt als eine der spektakulärsten der NS-Zeit. Mit „Operatioun Pauly“ wurde sie nun auf die Leinwand gebracht. Der Film wurde von der „Unioun vun de Lëtzebuerger Resistenzorganisatiounen asbl“ und „Filmengelcher asbl“ produziert, der Journalist und Filmemacher Marc Thoma führte Regie. Schon vor Kinostart kam es zu Diskussionen, weil die Produktion keine finanzielle Unterstützung des Film Fund Luxembourg erhielt.

Karikierende Charakterdarstellung

Pierre Schaul, Fernand Labalue, Adolf Korzynski und Nic Wolff hecken einen Plan aus, um aus dem Lager auszubrechen. (Foto: Unioun vun de Lëtzebuerger Resistenzorganisatiounen asbl)

Im Nachgang ist es müßig zu diskutieren, ob „Operatioun Pauly“ besser geworden wäre, wenn die Produzen- t*innen eine Subvention erhalten hätten und sie so nicht nur in ihre tiefgehenden, über zwei Jahre andauernden Recherchen, sondern auch in Cast, Dramaturgie und technische Machart des Films hätten investieren können. Denn letztlich bleibt das Drama trotz der beeindruckenden und äußerst spannenden historischen Vorlage fade. Daran schuld ist nicht einmal seine schludrige DIY-Optik – diese kann durchaus einen Reiz haben und wegen ihres fingierten dokumentarischen Charakters für ein immersiveres Kinoerlebnis sorgen.

Vielmehr liegt es an den leider schwachen Leistungen der Laien- schauspieler*innen. Ob es sich nun um die Hauptfiguren, die als bösartige wie tölpelhafte Sadisten gezeichneten SS-Männer oder Menschen aus der Zivilbevölkerung handelt – ihr ungelenkes und durchweg unglaubwürdiges Auftreten verhindert, dass man als Zuschauer*in in den Plot eintauchen kann, ja, mitunter sorgt es gar für unfreiwillige Komik, die beim Kinopublikum für Erheiterung sorgt. So wirken auch die Szenen, die als Höhepunkte den Verlauf der Spannungskurve prägen, seltsam ausgehöhlt und spröde.

Wie bei einem Dokumentarfilm wird vor dem Einsetzen der eigentlichen Handlung die Vorgeschichte mithilfe einer Off-Voice und dem Einblenden von Zeitdokumenten beziehungsweise kurzen filmischen Sequenzen geschildert. Von der Besetzung Luxemburgs während des Zweiten Weltkriegs, der Zwangsrekrutierung luxemburgischer Männer, die gegen jugoslawische Partisanen ins Feld ziehen mussten, sowie der Auflehnung der Kämpfenden, die schließlich dazu führte, dass Wolff und Schaul deportiert wurden, wird im Schweinegalopp berichtet. Die verknappende wie hastig erzählte Einleitung, bei der die Zuschauer*innen mit Informationen förmlich zugeschüttet werden, verhindert ihrerseits jegliche atmosphärische Aufladung, die dafür sorgen könnte, dass sich die Rezipient*innen ungehindert auf das Filmgeschehen einlassen können.

Nicht zuletzt ist es die oben schon angerissene kategorische Überzeichnung der als heimtückische Bösewichte markierten SS-Handlanger, die für Momente der Fremdscham sorgen und die sich – man denke an Hannah Arendts Begriff der Banalität des Bösen – nicht nur unrealistisch, sondern auch verzerrend und unsensibel herauskristallisiert. „Operatioun Pauly“ ist ein Film, der zwar unabsichtlich, aber dafür umso stärker an der Grenze zum Trash entlangschrammt. Damit wurde das ganze Potenzial, das die historische Episode birgt, verschwendet – schade.

Zu sehen in Kinoler, Kulturhuef, Kursaal, Orion, Prabbbeli, Scala, Starlight, Sura, Utopia und Waasserhaus.

Die „Unioun vun de Lëtzebuerger Resistenzorganisatiounen asbl“ fragte beim Film Fund Luxembourg eine „Carte Blanche“-Beihilfe für ihr Filmprojekt „Operatioun Pauly“ an. Diese Beihilfe wird nicht automatisch, sondern nach einem Selektionsprozess vergeben für Werke mit reduziertem Budget, die einem originellen, innovativen beziehungsweise experimentellen künstlerischen Ansatz folgen. Eines der Ziele der Förderung ist es, neue Talente zu unterstützen. „Die Entscheidungen werden auf der Grundlage der künstlerischen und kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien der Projekte und des verfügbaren Budgets getroffen“, schrieb der Film Fund Luxembourg auf Anfrage der woxx. Die Frage, warum „Operatioun Pauly“ nicht zurückbehalten wurde, ließ der Film Fund Luxembourg in seiner Antwort offen. „Die Entscheidung über das fragliche Projekt wurde einstimmig und auf der Grundlage einer Analyse der künstlerischen und kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien des eingereichten Antrags getroffen“, hieß es vage in der schriftlichen Rückmeldung.

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