Pana-Untersuchungsausschuss, dubiose Geschäfte von CSSF-Chef Claude Marx – die Panama Papers beherrschen weiterhin die Schlagzeilen. Die woxx befragte dazu den SZ-Journalisten und Autor Frederik Obermaier.
woxx: Stünde Claude Marx an der Spitze der deutschen Finanzaufsicht statt an der der luxemburgischen CSSF, könnte er sich dann noch halten?
Frederik Obermaier: In meinen Augen läge ein schwerer Interessenskonflikt vor, der den Ruf der deutschen Bankenaufsicht schädigen und auch ihre Unabhängigkeit klar in Frage stellen würde.
Wie tief war Claude Marx Ihren Kenntnissen nach in die Geschäfte verwickelt, und wie kompromittierend ist sein früheres Verhalten für jemanden, der jetzt Chef der Finanzaufsicht ist?
Man muss ganz klar sagen: Nach dem, was wir jetzt gesehen haben, war Claude Marx in das Offshore-Geschäft der HSBC Luxemburg involviert, und dies nicht nur marginal – er steckte mittendrin! Er hat sich dafür eingesetzt, dass Offshore-Firmen gekauft wurden, beziehungsweise überhaupt erst gegründet wurden. Wie aus den Mossack-Fonseca-Unterlagen hervorgeht, hat er sich um den Unterhalt, die Vergütung und die Abwicklung von Offshore-Firmen für Kunden der HSBC Luxemburg gekümmert. Er hat sich auch in E-Mails darum besorgt gezeigt, was Gesetzesänderungen in gewissen Steueroasen für seine Kunden bedeuten könnten. Das widerspricht in meinen Augen ganz klar dem, was wir bislang, und auch kurz nach der Veröffentlichung der Panama Papers im vergangenen Jahr, gehört haben. Die Behauptung, Marx sei nur passiv involviert gewesen, deckt sich in keiner Weise mit dem, was in diesen Dokumenten steht. Diese zeigen unmissverständlich, dass er aktiv eingebunden war.
„Es wäre tatsächlich naiv, zu glauben, dass durch ein Leak wie die Panama Papers Steueroasen komplett ausgetrocknet werden.“
Nun waren ja solche Geschäfte mit Offshore-Firmen während langer Jahre ein weitverbreiteter Usus am luxemburgischen Finanzplatz – ist es daher wirklich verwunderlich, dass ein Ex-Banker, der zur Finanzaufsicht wechselt, in sie verwickelt war?
In gewissen Ländern gab und gibt es natürlich einen viel freimütigeren Umgang mit Offshore-Geschäften als in anderen. Im Fall von Claude Marx geht es in meinen Augen aber vor allem darum, wie er und das luxemburgische Finanzministerium sich nach den ersten Enthüllungen zu seinen Verstrickungen geäußert haben. Diese Stellungnahmen widersprechen ganz klar dem, was sich in den Panama Papers widerspiegelt.
Welche Gewichtung hat der luxemburgische Finanzplatz in den Panama Papers?
Luxemburg spielt in diesen eine zentrale Rolle. Das ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists), dem die internationale Koordinierung der Panama-Papers-Recherchen oblag, hat analysiert, welche Banken bei Mossack-Fonseca Offshore-Firmen in Auftrag gegeben oder nur unterhalten haben. Ein Blick auf diese Statistik zeigt, dass sich unter den Top Ten etliche Banken aus Europa und speziell aus Luxemburg befinden. Zum Beispiel die Experta Corporated Trust Services, die Bank Safra Sarasin Luxembourg, die Société Générale Luxembourg und die Landsbanki Luxemburg – da wird schon klar, dass das Land eine wichtige Rolle spielt. Aus deutscher Sicht ist interessant, dass wir in mindestens einem Fall auch Notizen gefunden haben, denen zufolge sich Banker aus Luxemburg offenbar mit Mossack-Fonseca-Mitarbeitern getroffen haben. Letztere haben dann niedergeschrieben, was wahrscheinlich besprochen wurde: Gemäß diesen Notizen war den luxemburgischen Bankern durchaus bewusst, dass einige deutsche Kunden die Absicht hatten, ihr Geld vor dem deutschen Fiskus zu verstecken. Luxemburg war zudem ein Standort von Mossack-Fonseca, was für sich bereits einiges aussagt. Denn Mossack-Fonseca hat vor allem da Filialen eröffnet, wo sich gute Geschäfte machen ließen.
Wo zum Beispiel ?
Etwa in Malta, in den Niederlanden, in der Schweiz, in Liechtenstein, auf den Kanalinseln und in Gibraltar – allesamt Länder, die immer wieder auf diversen Steueroasen-Rankings und schwarzen oder grauen Listen auftauchen.
Zu den Folgen der Veröffentlichung der Panama Papers gehört auch die Einsetzung des Pana-Untersuchungsausschusses des Europaparlaments. Kann dieser überhaupt etwas bewirken?
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein wichtiges und richtiges Signal. Ich finde auch gut, dass es sich diesmal um einen regulären Untersuchungsausschuss handelt und nicht um einen Sonderausschuss mit abgeschwächten Wirkungsmöglichkeiten wie im Fall der „Taxe“-Kommission, die nach Luxleaks eingesetzt wurde. So ein Ausschuss bringt Publizität. Nichtsdestotrotz krankt auch dieser Ausschuss daran, dass er weniger Macht hat als vergleichbare Ausschüsse in diversen EU-Mitgliedsstaaten, wo Personen, Politiker und Experten zu Aussagen gezwungen werden können. Der Pana-Untersuchungsausschuss hat schon diverse Fälle behandelt, in denen seinen Einladungen nicht Folge geleistet wurde. Meiner Meinung nach zeugt dieses Verhalten von Geringschätzung einer wichtigen europäischen Institution, des Parlaments. Es unterläuft sämtliche Bestrebungen nach besserer Zusammenarbeit. Und das finde ich inakzeptabel.
„Die Stellungnahmen von Claude Marx und dem Finanzministerium widersprechen ganz klar dem, was sich in den Panama Papers widerspiegelt.“
Vor kurzem wurden in Panama die Inhaber der Kanzlei Mossack und Fonseca festgenommen. Ist das für Sie ein Grund zur Genugtuung?
Ich bin Journalist und kein Aktivist. Mir geht es nicht darum, dass jemand ins Gefängnis kommt. Mir geht es darum, die Öffentlichkeit über Missstände aufzuklären und ihr die Möglichkeit zu geben, sich selbst eine Meinung zu bilden. Trotzdem ist es schon so, dass es in den Panama-Papers sehr viele Verdachtsmomente für kriminelles Handeln gibt – also müssen auch Ermittlungen eingeleitet werden. Wenn Behörden dann zu dem Ergebnis kommen, dass sich der Verdacht erhärtet hat, ist es nur folgerichtig, dass auch Festnahmen erfolgen. Mich hat es jedenfalls nicht überrascht, dass es so gekommen ist. Eher, dass es die panamaischen Behörden waren, die jetzt den Schritt getan haben. Denn man hat dort sehr lange eine politische Elite am Werk gesehen, die dem Offshore-Handel sehr wohlgesonnen war und – wie viele Experten kritisiert haben – ihre schützende Hand über ihn hielt.
Könnte es sich bei Mossack-Fonseca nicht um ein Ersatzopfer handeln, das über die Planke gejagt wurde, um das Geschäft nicht zu allzu sehr zu schädigen?
Dieses Risiko ist natürlich immer gegeben. Auch weil Mossack-Fonseca bei weitem nicht die einzige Kanzlei in Panama ist, die sich auf dieses Geschäft spezialisiert hat. Und wenn man sich das gegenwärtige Kabinett von Panama anschaut, stellt man fest, dass es Verbindungen zu etlichen Kanzleien gibt, die einen sehr ähnlichen Service anbieten. Es ist ein kleiner Schritt, aber ich glaube trotzdem, dass in Panama die ganze Branche sich im Klaren darüber sein muss, dass weltweit sehr viele Augen auf sie gerichtet sind und dass sehr genau hingeschaut wird. Und ich glaube auch, dass die Panama Papers vielen Leuten, die in der Branche arbeiten, gezeigt haben, dass Whistleblower geheim und somit geschützt bleiben können.
Ist es denn trotzdem nicht so, dass nach jedem Leak das gleiche Szenario abläuft: An der Oberfläche wird ein bisschen was verbessert, und im Hintergrund laufen die Geschäfte weiter?
Es wäre tatsächlich naiv, zu glauben, dass durch ein Leak wie die Panama Papers Steueroasen komplett ausgetrocknet werden und das ganze Geschäft zum Erliegen kommt. Es ist aber doch bemerkenswert, dass die Diskussion um die Panama Papers, obwohl die bereits vor einem Jahr an die Öffentlichkeit kamen, immer noch anhält. Es gibt neben dem Pana-Untersuchungsausschuss auch Gremien auf UN- auf OECD-Level, in denen immer noch über Konsequenzen geredet wird. Wir sehen in etlichen Ländern, dass Gesetzgebungen auf den Weg gebracht werden – zum Beispiel für transparentere Firmenregister, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Auch was mehr Transparenz angeht?
Also ich sehe hier schon eine Veränderung zu mehr Transparenz in diesem Geschäftsbereich. Es ist aber nur ein kleiner Schritt – wenn man wirkliche Transparenz will, müsste noch viel mehr geschehen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Leaks auch eine psychologische Wirkung haben. Ich glaube, spätestens seit den Panama-Papers muss jeder, der solche Strukturen wählt, um etwas zu verbergen – sei es vor der eigenen Familie, dem Fiskus oder den Ermittlungsbehörden – sich darüber im Klaren sein, dass er oder sie nicht mehr sicher ist. In Banken, Kanzleien oder Offshore-Kanzleien könnte schon jetzt, während wir reden, irgendwo ein Mitarbeiter sitzen, der einen USB-Stick in den Computer steckt und dann Gigabytes geheimer Daten herunterlädt, um sie Behörden oder Journalisten zuzuspielen. Diese Wirkung darf man nicht unterschätzen, das hören wir auch aus der Branche. Wenn man sich zum Beispiel die Firmengründungen auf den britischen Jungferninseln ansieht, ist da ganz klar ein Einbruch nach den Panama-Papers zu erkennen.