Das neuste Zelda-Spiel bricht Verkaufs- und Wertungsrekorde. Dieser Erfolg überrascht in der Gamesbranche niemanden. Die woxx hat „Tears of the Kingdom“ angespielt und herausgefunden, wie einsam das Weltenretten doch sein kann.

Oft gleitet Link über menschenleere Landschaften. Weltenretten in „Tears of the Kingdom“ ist ein einsames Geschäft. (Screenshot: Nintendo)
Ächzend klettert Link eine Felswand hoch. Die Mittagssonne brennt heiß über der trockenen Landschaft. Als der Held fast am Ende seiner Kräfte ist, wagt er einen Sprung und schafft es noch gerade so über einen Vorsprung. Er atmet schnell, versucht sich von den Strapazen zu erholen. Dann schaut er sich um und sieht: eine leere Fels- und Berglandschaft. Dabei hatte er gehofft, von seinem erhöhten Aussichtspunkt einen Hinweis zu erblicken, wohin er als nächstes reisen sollte.
Link, der Held der „Legend of Zelda“-Reihe, der – wieder einmal – das Königreich Hyrule retten soll, ist allein. Nicht nur, dass er seit Anfang seines neusten Abenteuers („Tears of the Kingdom“) von Prinzessin Zelda getrennt wurde, auch die Welt, die er retten soll, ist vielerorts menschenleer. Wo einst Tempel, Festungen, Ställe und andere menschliche Siedlungen standen, stehen nur noch Ruinen, in denen niemand mehr lebt. Sieht man ein Lagerfeuer oder einen Unterstand, handelt es sich nur allzu oft um das Lager von Monstern, die Link angreifen, sobald sie ihn erblicken.
Die wenigen Orte, an denen sich noch Menschen oder ihre fantastischen Verbündeten sammeln, sind rar gesät. Selbst auf direktem Wege vergeht oft einiges an Spielzeit, bis man den nächsten freundlich gesinnten Ort findet. Die wenigsten Spieler*innen werden jedoch stets auf den ausgetretenen Pfaden bleiben: Zu groß sind die Verlockungen links und rechts der Wege, die virtuelle Welt Hyrules zu erkunden. Neben den Schauplätzen, zu denen man eigentlich hin soll, um die Welt zu retten, gibt es weitere interessante Orte.
Da wären zum Beispiel die Kartografiertürme, deren Besuch einen Teil von Links virtueller Landkarte freischaltet, sodass die Orientierung leichter fällt. In den sogenannten Schreinen muss Link ein oder mehrere Rätsel lösen und erhält als Belohnung ein magisches Licht, das sich später gegen mehr Herzen oder Ausdauer eintauschen lässt. Auch viele Höhlen und leere Brunnen lassen sich erkunden. Manche Bewohner*innen Hyrules, wenn man sie dann mal auf einem der vielen leeren Wege trifft, geben Tipps für die Schatzsuche.
Fast alleine in der Postapokalypse
„Tears of the Kingdom“ ist das 20. Spiel der Zelda-Reihe. 1986 erschien „Legend of Zelda“ für die erste Nintendo-Spielkonsole. Seitdem brachten die Titel meist sehr viel Lob von Kritiker*innen und Spieler*innen ein. Das erste Zelda-Spiel in 3D, „Ocarina of Time“, führt auch über ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen immer noch die Liste der bestbewerteten Spiele auf Metacritic.com, einer Seite, die Medienkritiken aggregiert, an. Nach seiner Erscheinung am 12. Mai wurde auch „Tears of the Kingdom“ von der Spielepresse in den höchsten Tönen gelobt.
Die Handlung knüpft an den Vorgänger „Breath of the Wild“ an, mit dem sich „Tears of the Kingdom“ einen Großteil der Spielwelt teilt. Ungewollt wecken Zelda und Link den Dämonenkönig Ganondorf auf, woraufhin es im Königreich Hyrule zum sogenannten „Kataklysmus“ kommt: Monster erscheinen, Waffen verrosten und an mehreren Orten tritt ein krankmachender Nebel, Miasma genannt, aus der Erde. Während die titelgebende Prinzessin verschwunden ist, findet sich Link geschwächt auf einer im Himmel schwebenden Insel zurück.
Er bemerkt außerdem, dass sein rechter Arm durch eine Prothese ersetzt wurde. Diese hat, so erklärt ihm der vorherige Besitzer des Arms, der nunmehr ein Geist ist, magische Fähigkeiten. Auf der Himmelsinsel muss Link diese meistern, bevor er sich wieder auf den Boden Hyrules zurückbegeben kann. Dieses Areal fungiert als eine Art Tutorial, bei dem die Spieler*innen die grundlegenden Mechaniken des Spiels sowie Links neue Fähigkeiten ausgiebig testen können.
Die sind beeindruckend: Link kann so gut wie jedes Objekt in der Spielwelt mit anderen verbinden. Damit ist es möglich, Gefährte zu bauen und Hindernisse kreativ zu überwinden. Dabei signalisiert das Spiel oft überhaupt nicht, welche Lösung die „richtige“ wäre. Eine eingestürzte Hängebrücke kann dadurch überwunden werden, dass Baumstämme zu einer improvisierten Brücke werden oder aber indem Link ein Fluggerät bastelt. Die weiteren neuen Fähigkeiten lassen den Helden beliebige Objekte an Waffen und Schilden befestigen, die Zeit für ein Objekt kurzfristig rückwärts laufen lassen und durch Decken springen.
Bereits auf der Himmelsinsel lässt sich die spätere Einsamkeit des Spiels erahnen: Zwar ist sie von Robotern bewohnt, die in der Ästhetik der japanischen Jōmon-Kultur gehalten sind, diese sind jedoch zum Großteil feindlich. Jene, die es nicht sind, bieten zwar einige wenige hilfreiche Sätze an, helfen Link jedoch nicht bei den Aufgaben, die er erfüllen muss.
Story nebensächlich
Die Story, die sich aus Zeldas Verschwinden, dem Kataklysmus und Links Rückkehr nach Hyrule ergibt, ist nicht sonderlich neu, sondern bedient bekannte Elemente des Fantasy-Genres. Vieles wird Zelda-Veteran*innen nicht unbekannt sein. Obwohl es um die Rettung der Welt geht, gibt es keinen zeitlichen Druck: Link kann so viel und so lange erkunden, wie er will.
Der Indie-Titel „Thousand Threads“ (siehe woxx 1643) fühlt sich beim Wandern, Klettern und Erkunden ähnlich an wie „Tears of the Kingdom“, obwohl die Spielwelt in ersterem wesentlich kleiner ist. Der große Unterschied ist jedoch: In „Thousand Threads“ geht es explizit um die Verbindungen zu und zwischen Menschen. Als Briefträger*in verbindet man Menschen und baut positive und negative Verbindungen zu ihnen auf. Link hingegen rettet die Welt – ein einsames Geschäft.
Im späteren Spielverlauf stehen ihm für jeweils kurze Zeit Gefährt*innen zur Seite, allerdings immer nur für einen sehr kurzen Abschnitt. Die weiten Landschaften muss Link weiterhin alleine erkunden. Das mag einsam und zum Teil auch frustrierend sein, weil ein aus der Ferne interessant aussehendes Objekt sich als Stein entpuppt, aber es ist insgesamt ein großartiges Spielerlebnis.
Obwohl die Switch-Konsole technisch nicht mehr auf dem neusten Stand ist, sieht das Spiel sehr gut aus. Der Soundtrack, der zum Großteil mit vertrauten Melodien aufwartet, und das Design der vielen, oft humorvollen Nebencharaktere sind weitere Argumente, die das Spiel sehr wahrscheinlich zu einem weiteren Klassiker machen werden.