In Moldau wurde die Präsidentin Maia Sandu wiedergewählt und ihr Kurs hin zu einer EU-Integration in einem Referendum knapp bestätigt. Es soll eine russische Einmischung gegeben haben, die aber erfolglos blieb. Ausschlaggebend waren letztlich die Stimmen der im Ausland lebenden Moldauer*innen.
Die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, wird für weitere vier Jahre im Amt bleiben. Am Sonntag, dem 3. November, erhielt die Gründerin der liberalen proeuropäischen „Partidul Acțiune și Solidaritate“ (Partei der Aktion und Solidarität, PAS) bei der Stichwahl gegen Alexandr Stoianoglo von der kremlnahen „Partidul Socialiștilor din Republica Moldova“ (Partei der Sozialisten, PSRM) 55,35 Prozent der gültigen Wählerstimmen, Stoianoglo 44,65 Prozent. Im ersten Wahlgang zwei Wochen zuvor hatten die beiden die meisten Stimmen erhalten; insgesamt waren elf Kandidat*innen angetreten.
Parallel zum ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen wurde am 20. Oktober ein Referendum über die Festschreibung des EU-Beitritts als Staatsziel in der moldauischen Verfassung abgehalten, das sehr knapp ausgefallen war. Nur 50,35 Prozent hatten dafür gestimmt, 49,65 Prozent dagegen. Beim Referendum wie bei der Stichwahl gaben die Stimmen der Moldauer*innen aus dem Ausland den Ausschlag. Stoianoglo erhielt bei der Stichwahl im Inland 51,19 Prozent der Stimmen, Sandu 48,81. Im Ausland hatten hingegen 82,83 Prozent der Wähler*innen für sie und nur 17,17 Prozent für Stoianoglo gestimmt. Fast 1,7 Millionen Menschen gingen wählen, 320.000 im Ausland, so viele wie nie zuvor. Das Referendum und die Präsidentschaftswahlen gelten als Abstimmungen, bei denen sich Moldau zwischen einer Anlehnung an Russland und der Aussicht auf eine Zukunft in einem demokratischen Europa entscheiden musste.
Während Sandus erster Amtszeit hatte Moldau im Juni 2022, wie das Nachbarland Ukraine, den EU-Beitrittskandidatenstatus erhalten, in diesem Jahr wurden die Beitrittsgespräche aufgenommen. Dass nun sowohl beim Referendum mehrheitlich mit ja gestimmt wurde als auch Sandu die Präsidentschaftswahlen gewann, bestätigt – wenn auch knapp – den proeuropäischen Kurs des Landes bei gleichzeitiger Distanzierung von Russland.
Doch diese Entwicklung möchte der Kreml wohl nicht hinnehmen. Am Sonntag erhob der Nationale Sicherheitsbeauftragte der Präsidentin, Stanislav Secrieru, auf dem Social-Media-Kanal „X“ Vorwürfe einer „massiven Einmischung“ Russlands in den Wahlprozess, die „ein hohes Potenzial habe, das Ergebnis zu verzerren“.
Das Referendum und die Präsidentschaftswahlen gelten als Abstimmungen, bei denen sich Moldau zwischen einer Anlehnung an Russland und der Aussicht auf eine Zukunft in einem demokratischen Europa entscheiden musste.
In der Tat wurden die Wahlen von einer Kampagne überschattet, die auf Desinformation und direkten Stimmenkauf zielte. Nach Angaben moldauischer Behörden investierte Russland vor dem ersten Wahlgang rund 100 Millionen US-Dollar, um die Entscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Teils sei das Geld über Fluggäste aus Moskau durch den Flughafen Chișinău ins Land geschleust, teils auf russische Bankkarten überwiesen worden, mit denen im abtrünnigen Territorium Transnistrien Geld abgehoben werden kann.
Drahtzieher und Bindeglied zum Kreml ist demnach der in Moldau zu 15 Jahren Haft verurteilte Unternehmer und kremlnahe Politiker Ilan Șor, der als Teil eines kriminellen Netzwerks eine Milliarde Dollar aus dem moldauischen Bankensystem entwendet hatte und sich vor der moldauischen Justiz in Israel versteckte. Derzeit hält er sich in Russland auf, von wo aus er seine Leute steuert, die in Moldau gegen Bezahlung als Aktivist*innen auftreten, an Demonstrationen teilnehmen und prorussisch wählen. Ihre Arbeit wird über „Telegram“-Gruppen und -Bots koordiniert, ihre Stimmabgabe mit Fotos der Stimmzettel aus der Wahlkabine belegt.
Die moldauische Wochenzeitung „Ziarul de Gardă“ veröffentlichte eine zweiteilige investigative Videorecherche mit versteckter Kamera, bei der eine Journalistin sich undercover Zutritt zu Șors Gruppen verschafft hatte. Der erste Teil der Recherche wurde vor dem ersten Wahlgang, der zweite Teil vor der Stichwahl ausgestrahlt. Der Recherche zufolge sind viele der Beteiligten weniger an dem prorussischen Wahlprogramm als vielmehr an der Bezahlung interessiert. Versprochen wurden der Investigativreporterin und anderen Interessierten 3.000 moldauische Lei (umgerechnet ungefähr 150 Euro) pro Monat Pauschalbetrag und 3.000 Lei zusätzlich, wenn sie die ihnen aufgetragenen Aufgaben wie das Anwerben neuer Leute erfüllen.
Der moldauische Polizeidirektor Viorel Cernăuțeanu hatte Anfang Oktober gesagt, rund 138.000 Moldauer seien von einem von Russland gesteuerten Netzwerk bestochen worden, um beim Referendum mit nein und für putinfreundliche Kandidat*innen zu stimmen. Sandu sprach nach dem ersten Wahlgang gar von 300.000 Wählerstimmen, die kriminelle Gruppen kaufen wollten. Die Ergebnisse der beiden Wahlgänge und des Referendums wären ohne Einflussnahme sicherlich deutlicher in Richtung EU-Annäherung ausgefallen. Für den Sommer kommenden Jahres sind Parlamentswahlen angesetzt. Auch hier dürfte Russland gezielt versuchen, das Ergebnis zu manipulieren.
Die Wiederwahl Sandus begrüßten Staats- und Regierungsoberhäupter in Europa und den USA. „Monatelang hat Russland versucht, die demokratischen Institutionen und Wahlprozesse in Moldau zu untergraben. Aber Russland hat versagt“, teilte US-Präsident Joe Biden am Montag mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb in seinem Telegram-Kanal, er habe Sandu seine Unterstützung „für die europäische Entscheidung“ der Moldauer*innen zugesichert. „Wir bekräftigten unsere Verpflichtung, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten – die Mitgliedschaft in der Europäischen Union“, so Selenskyj.