Paul Lesch: Heim ins Ufa-Reich

In seiner Studie „Heim ins Ufa-Reich“ analysiert der Historiker Paul Lesch das Tauziehen zwischen der luxemburgischen Bevölkerung und den Nazi-Besatzern um die ideologische Vormachtstellung im luxemburgischen Kino.

Der Luxemburgische Filmschauspieler René Deltgen sympatisierte überall mit den Nazis.

Wider die braune Schmutzflut

„Wir werden uns gegen die braune Schmutzflut schützen müssen. Deutsche Filme wollen wir nicht mehr so kritiklos hinnehmen wie bisher.“ Diese kämpferischen Sätze stammen aus der Feder des Luxemburgers Evy Friedrich. Der junge Filmkritiker schrieb sie im Jahre 1933 in der Studentenzeitschrift „La Voix des Jeunes“. Friedrich gehörte zu den wenigen, vornehmlich linksliberalen Journalisten, die sich früh und vehement gegen die Aufnahme von deutschen „Tendenzfilmen“ ins damalige luxemburgische Kinoprogramm aussprachen. Zitiert werden er und andere kritische sowie weniger kritische ZeitzeugInnen in Paul Leschs Studie „Heim ins Ufa-Reich?“, die kürzlich im Wissenschaftlichen Verlag Trier erschienen ist. Darin geht der luxemburgische Historiker der Frage nach, wie der deutsche Tonfilm von Nazis zu Germanisierungszwecken eingesetzt wurde und wie die luxemburgische Bevölkerung sich – recht erfolgreich – gegen diese Einflussnahme zur Wehr setzte.

Gegen den Film „Morgenrot“ (von Gustav Ucicky/1933) etwa, der den Heldentod deutscher Soldaten verherrlicht und gegen die Briten agitiert, protestierten StudentInnen mit Trillerpfeifen und Stinkbomben. Die luxemburgischen Behörden verboten schließlich die Aufführung.

Paul Lesch geht in seiner Untersuchung chronologisch vor: Detailliert zeichnet er den Verfall des deutschen Filmes von 1933 bis 1944 nach. Genossen deutsche Kinowerke dank cineastischer Größen wie Fritz Lang und Walter Ruttmann bis Anfang der 30er Jahre im Großherzogtum noch einige Popularität, nahm das Ansehen der deutschen Filmbranche mit der Machtergreifung Hitlers rapide ab. Ursache für den internationalen Niedergang der deutschen Filmindustrie war, laut Lesch, ihre immer unverhohlenere ideologische Ausrichtung. Eine Tendenz, welche die Mehrheit der luxemburgischen Bevölkerung nicht hinnehmen wollte.

Boykott gegen Nazi-Manipulation

Anhand von Besucherzahlen, Zeitungsartikeln, Zitaten, Belegen über mögliche Verlängerungen von Publikumsrennern sowie Berichten des nationalsozialistischen „Sicherheitsdienstes“ rekonstruiert Lesch die Strategien, mit denen sich LuxemburgerInnen dem Goebbelschen Propagandakrieg zu entziehen versuchten. Diese reichten von Störaktionen über das „Schwänzen“ der obligatorischen Wochenschau bis hin zum völligen Boykott verhasster Filmproduktionen und dem Hören des „feindlichen“ Senders BBC. Der Widerstand trug Früchte: Trotz Preissenkungen erreichten die Besatzer ihr Ziel nicht, das in erster Linie darin bestand, „… den Deutschen Film an alle Schichten der Bevölkerung weitgehendst heranzutragen, und darüber hinaus in propagandistischer und kultureller Hinsicht die stark frankophile und amerikanische Filmneigung der Kinobesucher deutsch auszurichten“. Aufgrund des Widerstands sei die Gaupropagandaleitung zunehmend dazu übergegangen, der ideologischen Manipulation unverdächtigere, weil subtiler wirkende Unterhaltungsfilme in ihre Kinoprogramme zu nehmen.

Lesch belegt seine These vom widerständigen, politisch agierenden Kinopublikum überzeugend – ohne dabei anti-semitische Einstellungen(der Hetzfilm „Jud Süss“ war auch in Luxemburg ein Publikumsrenner) oder deutschtümelnde Absichten in Teilen der luxemburgischen Bevölkerung auszublenden. Dass Nationalismus und „preußische“ Tugenden auch im Großherzogtum ihre Anhänger hatten, davon zeugen Auszüge aus dem katholisch-konservativen „Luxemburger Wort“: Das erkor den „schönen“ Soldatenfilm „Morgenrot“ ob seiner Tugendhaftigkeit zum „Film der Woche“.

Diese differenzierte und fundierte Analyse der NS-Filmpolitik in Luxemburg hält Lesch aber nicht immer durch: Seine Annahme, die Mehrheit der Luxemburger habe nicht nur nationalsozialistische Ideen, sondern auch jegliche autoritäre Staatsform abgelehnt, belegt er mit den 50,7 Prozent der luxemburgischen Bevölkerung, die sich 1937 bei einer Volksbefragung gegen das „Maulkorbgesetz“ (Verbot der kommunistischen Partei) aussprach. Rechnerisch ist das korrekt, verallgemeinerbare, empirische Aussagen über politische Orientierungen lassen sich von diesen Zahlen jedoch kaum ablesen. Für die – durchaus plausible – These, dass mit strenger gewordenem Besatzungsregime und härteren Strafen die offene Ablehnung der luxemburgischen KinobesucherInnen sank, führt der Autor ebenfalls keine Belege an.

Solche unwissenschaftlichen Nachlässigkeiten verärgern und sind zudem unnötig. Denn das ansonsten gründlich recherchierte und gut lesbare 150 Seiten starke Buch überzeugt auch so.

Ines Kurschat

Paul Lesch, Heim ins Ufa-Reich? NS-Politik und die Rezeption deutscher Filme in Luxemburg 1933-1944, 21,50 Euro.


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