UNI LETZEBUERG: „Mehr Qualität statt Quantität“

Zur Person:
Der 59-jährige Rolf Tarrach übernahm am 1. Januar 2005 die Nachfolge des verstorbenen François Tavenas. Der deutsch-
stämmige Spanier war vorher Professor für Physik und Vize-Rektor an der Universität Barcelona.
(Foto: Christian Mosar)

woxx: 4.059 Studenten haben sich zum Wintersemester an der Uni Luxemburg eingeschrieben. Das sind 708 mehr als im Vorjahr. Der Zuwachs von 21,5 Prozent ist viel höher als erwartet. Die Uni hat Platzprobleme. Wie viel mehr Studenten kann sie noch verkraften?

Rolf Tarrach: Wir haben jetzt schon hier und da Container aufgestellt. Im Vierjahresplan hatten wir bis Ende 2009 etwa 4.500 Studenten vorgesehen. Dem jetzigen Trend nach werden wir bis dahin 5.000 Studierende an der Uni haben. Das geht noch, doch bis wir nach Belval ziehen, können wir nicht mehr erheblich wachsen. Das heißt also, dass wir dafür sorgen müssen, dass das Wachstum sich verlangsamt.

Mit welchen Mitteln wollen Sie dafür sorgen?

Ich habe bereits die ersten Ideen, doch dazu möchte ich noch nicht allzu viel sagen. Wir haben am vergangenen Samstag darüber im Conseil de gouvernance diskutiert und werden uns weiter beraten. Vielleicht so viel: Die ersten Maßnahmen werden darin bestehen, dass wir nicht zu schnell zusätzliche, neue Studiengänge anbieten werden. Das tut uns zwar Leid, doch wir werden uns wohl in den nächsten Jahren etwas mehr auf die Qualität als auf die Quantität konzentrieren.

Sie haben zur diesjährigen Rentrée den Numerus Clausus ins Gespräch gebracht. Wird diese Möglichkeit ebenfalls in Erwägung gezogen?

Noch nicht. Ich schätze, dass wir im nächsten Jahr zwischen 12 und 15 Prozent Wachstum haben. Danach haben wir alle Bachelor-Studiengänge vervollständigt und deshalb ist dann auch ohne Numerus Clausus weniger Wachstum zu erwarten. Was danach passiert, kann man jetzt noch nicht sagen. Wir haben noch ein anderes Problem: Der Rhythmus der Berufungen ist viel langsamer als die Zunahme der Studierenden. Das führt dazu, dass wir einen Mangel an Lehrkräften haben.

Ist Luxemburg als Standort für Lehrkräfte immer noch nicht attraktiv genug?

Nein, das Problem liegt nicht darin. Wenn wir wirklich Top-Leute haben wollen, dann müssen wir uns zuweilen auf sehr lange Verhandlungen einstellen. Manchmal verhandelt man monatelang, ohne dass etwas dabei herauskommt. Viele Bewerber setzen bestimmte Dinge voraus, die es noch nicht gibt.

Wäre der Numerus Clausus Ihrer Meinung nach eine Möglichkeit, die Qualität der Studiengänge zu erhöhen?

Natürlich und irgendwann wird das auch kommen. Wir haben den N.C. ja schon in sechs Studiengängen. Doch das wird noch ausgebaut werden. Zudem haben wir die Möglichkeit, die Studiengebühren als weiteres Instrument zu nutzen.

Bleibt da nicht die soziale Gerechtigkeit auf der Strecke?

Erst einmal müssen wir garantieren, dass wir den Studierenden auch wirklich ein gutes Produkt anbieten können. Zum Zweiten müssen wir sicher sein, dass wir den guten Studenten, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, Stipendien anbieten können. Das ist jedoch rechtlich nicht geklärt. Darüber müssen wir uns mit der Regierung beraten. Was ich verhindern möchte ist, dass gute Studenten nicht kommen, weil sie es sich nicht leisten können. Das wäre eine Katastrophe.

„Wir werden dafür sorgen müssen, dass sich das Wachstum verlangsamt.“

Was sind denn „gute“ Studenten? Werden sie allein an den Abiturnoten gemessen?

Sie haben Recht. Es gibt wunderbare Studenten, deren Noten nicht berühmt sind. Auch da muss man vorsichtig sein. Ich glaube, um gute Studenten zu bekommen, ist es am wichtigsten, gute Lehrkräfte und gute Forscher zu haben. Sehr förderlich ist auch das internationale Ambiente, das wir an unserer Uni haben, dann die Dreisprachigkeit und die Mobilität, die wir Studenten in Form von Auslandssemestern anbieten.

Ziel war es, dass nicht überwiegend Luxemburger an der Uni studieren. Derzeit machen sie 54 Prozent der Studierenden aus. Sind Sie mit diesem Verhältnis zufrieden?

Ich denke, dass ungefähr die Hälfte der Studierenden Luxemburger sein sollten. Man darf ja auch nicht vergessen, dass in Luxemburg 40 Prozent Ausländer wohnen. Von ihnen sollte unser Wachstum kommen.

Was unternehmen Sie diesbezüglich?

Wir werden wahrscheinlich in die Lycées gehen und die ausländischen Schüler direkt ansprechen. Zudem machen wir Werbung im Ausland, um mehr Studenten von dort anzulocken.

In den Geisteswissenschaften gab es dieses Jahr einen überdurchschnittlich hohen Zuwachs. Sie haben Ihre Skepsis geäußert, was die möglichen Arbeitsplätze für Studienabsolventen betrifft. Inwieweit muss sich ein Universitätsrektor um die realen Chancen auf dem Arbeitsmarkt Gedanken machen?

Heutzutage muss man die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt schon ein bisschen mit einbeziehen. Doch auch da muss man vorsichtig sein. Denn der Arbeitsmarkt ändert sich schnell und die Universitäten sind eher träge. Allerdings sollte sich ein Staat, der viel für die Universitäten ausgibt, um die Arbeitsplätze für Studienabgänger sorgen.

„Man darf nicht denken, dass die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Unternehmen reibungslos funktioniert.“

Wie weit sollte sich die Uni in diese Politik einmischen?

Wenn sich jemand anders darum kümmert, ist mir das auch recht. Doch hierzulande sind im betreffenden Ministerium gerade einmal ein oder zwei Personen zuständig für Hochschulpolitik. Es gibt Bereiche, um die sich ausländische Universitäten nicht kümmern müssen, mit denen wir jedoch zu tun haben. Auch, weil wir die erste und einzige Uni in Luxemburg sind und weil es große Skepsis gegenüber dieser Uni gab. Da ist es wichtig, dass die Bevölkerung auch sieht, dass die Uni Mehrwerte schafft.

Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es zu wenig Studierende. Was wird unternommen, um dieses Defizit zu beheben?

Das ist ein großes Problem. Ich weiß nicht, wie viel wir da machen können. Das Problem besteht bereits in der Sekundarschule. Der Beruf des Ingenieurs scheint heutzutage nicht nur in Luxemburg nicht sehr attraktiv zu sein. Man darf zudem nicht vergessen, dass wir diesbezüglich keine besonderen Standortvorteile in Luxemburg haben.

Steht die Nominierung des Doyen der Fakultät für Humanwissenschaften Lucien Kerger zum Vizerektor im Zusammenhang mit den Zuwachs-Zahlen in den Geisteswissenschaften?

Ich wollte einen Vizerektor haben, der im Gegensatz zum Rest des Rektorats nicht aus den Naturwissenschaften kommt.

Im September wurde angekündigt, dem Verwaltungsdirektor würden neue Aufgaben zugeteilt. Es gab Meinungsverschiedenheiten. Ihrer Meinung nach sollte die Verwaltung mehr im Dienste der Lehrenden und der Studierenden stehen. Was wird sich konkret ändern?

Es gibt in der Person von Eric Tschirhart einen neuen Verwaltungsdirektor und die Verwaltung wird ein wenig umstrukturiert. Nicht radikal, Luciënne Blessing wird weiterhin für die Forschung zuständig sein, Lucien Kerger übernimmt die akademische Seite, und Franck Prévost wird den Bereich Organisation abgeben, denn das ist dann Aufgabe des neuen Verwaltungsdirektors. Im Januar möchte ich mich darum kümmern, den verschiedenen Services den zuständigen Vizerektor zuzuweisen.

Eine Ihrer diesjährigen Prioritäten sind externe und interne Evaluierungen. Im Herbst wurden sie eingeleitet. Wie ist der Stand der Dinge?

Die interne Evaluierung wird im Februar zu Ende sein. Dann werden die Dokumente an die externe Kommission geschickt. Die wird für jede Disziplin eine Evaluierung machen. Der endgültige Bericht soll dann im März 2009 veröffentlicht werden. Das läuft also, ich habe aber keine Ahnung, was dabei herauskommen wird.

„Die externe Finanzierung ist deswegen interessant, weil wir dadurch unabhängiger vom Staat werden.“

Am 11. Dezember fand unter dem Motto „Business meets research“ ein von der Uni organisiertes Treffen zwischen Unternehmen und Forschern statt. Wieso sind solche Treffen Ihrer Meinung nach wichtig?

Wir brauchen die Unternehmer, damit unsere Studierenden wenigstens einen Teil ihres Studiums – etwa ihre Diplomarbeit oder ihre Doktorarbeit – anhand von praktischen Fragestellungen in der Industrie absolvieren. Positiv ist auch, dass die Unternehmen dann einen Teil dieser Forschungsarbeit finanzieren.

Wo fangen Ihrer Meinung nach Interessenskonflikte an, wenn der Markt die Forschung mitbestimmt?

Manche Unternehmer gehen davon aus, dass die Universität ein Dienstleister für sie ist – da gibt es dann schon einen Konflikt. Man darf nicht denken, dass diese Zusammenarbeit immer reibungslos funktioniert. Ich spreche nur nicht sehr viel darüber. Wir müssen stets aufpassen, dass es sich bei dem Studium trotz Drittmittelfinanzierung weiterhin um eine universitäre Ausbildung handelt.

Gibt es für Sie eine Grenze, wie weit die Industrie finanziell in den Unibetrieb einsteigen sollte?

Die externe Finanzierung ist interessant, weil wir dadurch etwas unabhängiger vom Staat sind. Aber natürlich nur so lange, wie wir dann nicht zu sehr von den Unternehmen abhängen. Hier muss man ein Gleichgewicht suchen. Diese finanzielle Autonomie ist wichtig, damit die Universität auch eine Universität bleibt.

Mittal hat angeboten, einen Lehrstuhl zu stiften. Wie steht es damit?

Dazu kann ich noch nichts sagen. Ich weiß bislang nichts Offizielles. Ich treffe mich aber noch diese Woche mit den zuständigen Mitarbeitern von Mittal. Mal sehen, was dabei herauskommt.


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