GESCHICHTE: Das andere KZ

Frauen in Konzentrationslagern – ein Geschichtsaspekt, der lange vernachlässigt wurde, ist Thema einer Wanderausstellung im CCRN.

Im lichten Innenhof der Neumünster Abtei stehen zur Zeit vier graue rechteckige Kisten, die es in sich haben. In dieser modular konzipierten Ausstellung befassen sich StudentInnen und Lehrende des Bachelor professionnel en sciences de l’éducation mit dem Schicksal der Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück.

Dass die Nazi-Diktatur nicht davor Halt machte auch Frauen in ihre Lager zu sperren ist weitaus bekannt. Welchen Bedingungen sie dort ausgesetzt waren und wie das Regime mit weiblichen Gefangenen umging – weniger. Auch wenn sie keine speziellen – oder geschlechtsspezifischen – Markierungen tragen mussten, so war der Alltag der Frauen in Ravensbrück doch anders als der der Männer in ähnlichen Lagern. Zumal Frauen mit Kindern oder schwangeren Frauen zusätzliches Leid zugefügt wurde. Ein Kind in Lagerhaft zu gebären hatte oft den Tod der Mutter und des Kindes zur Folge. Das Geburtenbuch von Ravensbrück, das eine Insassin nach der Befreiung mitnahm, zeigt auf wie Geburten im permanenten Ausnahmezustand der Lagerhaft gehandhabt wurden: Bürokratisch, kalt und menschenfeindlich. Neben den Namen der Mutter wurde in größerer Schrift ihr Haftgrund vermerkt und die meisten Einträge enden mit der lapidaren Bemerkung: Kind tot. Die Kinder die nicht bei der Geburt starben, wurden von den Müttern getrennt. Sie konnten einmal am Tag besucht werden. Das alltägliche und Bangen, dass ein Kind über Nacht sterbe, muss unerträglich gewesen sein. Einige dieser Kinder haben überlebt und sogar einen Teil ihrer Kindheit im Lager verbracht: Sie sind heute wichtige Zeitzeugen und werden in der Ausstellung mit einer eigenen Wand bedacht.

Ein weiterer Aspekt, der weniger bekannt sein dürfte, sind die Aufseherinnen. Dieser Teil der Ausstellung ist bei Weitem der Interessanteste, denn er nimmt nicht nur die Psyche dieser Frauen unter die Lupe, sondern stellt sie als das dar was sie – leider – waren: Menschen und keine Monster. Viele von ihnen kamen aus den unteren Schichten und betrachteten ihre Arbeit als sozialen Aufstieg. Rachegelüste an den oberen Schichten und andere menschliche Regungen trieben diese Frauen dazu, sich der patriarchalischen Mordmaschinerie der Nazis zu unterwerfen und andere Frauen zu demütigen, zu foltern und zu töten. Dass es auch Frauen gab, die ihre Arbeit im KZ Ravensbrück niederlegten, weil sie dem System nicht standhielten und einige sogar nach dem Krieg freigesprochen wurden, weil Häftlinge ihnen humanes Verhalten und Hilfestellungen bescheinigten, diversifiziert das Bild der Aufseherinnen.

Interessant sind auch die Überbleibsel aus der Zeit – Zeichnungen, Tagebücher und andere Artefakte – die oft illegal entstanden und den Lageralltag auf sehr persönliche Weise wiedergeben. Als ungewöhnlichstes Überbleibsel darf wohl die Operette gelten, die die französische Insassin Germaine Tillion schrieb. „Verfügbar aux enfers“ wurde 2007 in Paris uraufgeführt. Doch auch die Luxemburgerinnen kommen nicht zu kurz. So wird die oft vergessene Yvonne Useldinger, Ehefrau des langjährigen Escher Bürgermeisters Arthur Useldinger erwähnt. Eine sehenswerte Ausstellung, die neben interessanten neuen Aspekte, nicht allzu sehr auf die Tränendrüse drückt.

Impressionen, Expressionen, Frauen im KZ Ravensbrück, noch bis zum 9. November im CCRN.


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