An diesen schönen, sommerlichen Tagen denkt niemand gern an den Tod. Und trotzdem lauert er an jeder Straßenecke. Zumal in der rue du St. Esprit auf der Höhe des historischen Museums der Stadt Luxemburg. Einige der Flanierer wissen bereits, dass die historische Luxemburger Guillotine dort wieder aufgestellt wurde. Aber nur wenige haben eine Ahnung davon, dass hinter den Häuserwänden Waffen und Werkzeuge lagern : die von Mördern. Doch nicht nur das, auch Videoaufnahmen vom jeweiligen Tathergang sowie viele Zeitungsausschnitte stapeln sich dort. Perfekt platziert zur Inspiration von Nachahmern oder zur präziseren Planung der nächsten Tat. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis das nächste gewaltsame, grausame Verbrechen verübt wird. Die Polizei weiß längst Bescheid, kann aber auch nur tatenlos zusehen kann. Klingt nach einem schlechten Krimi, ist aber Tatsache und zwar mitten in Luxemburg.
Aber, auch wenn wir alle potenzielle Opfer sind, sind wir mit viel größerer Wahrscheinlichkeit potenzielle Besucher von „Mord und Totschlag. Eine Ausstellung über das Leben“, die gegenwärtig im Geschichtsmuseum der Stadt Luxemburg zu besichtigen ist. Die Ausstellungsstücke zu diesem Thema stammen aus verschiedenen internationalen Sammlungen. So sind polizeiliche Beweisgegenstände und Überreste der Terroranschläge vom
11. September 2001 zu sehen. Ansonsten wird sehr viel interessantes Text-, Bild- und Filmmaterial geboten.
Bereits zu Beginn der Ausstellung wird die Empfindlichkeit des Besuchers erstmal gründlich auf Herz und Nieren geprüft, denn Konservierungsgläser – mit unter anderem diesen Organen – stehen zur Begutachtung. Auch wird man gleich mit der ersten großen Frage konfrontiert: „Was ist Ihr Leben wert?“ und schon beginnt man zu grübeln … und die nächsten fünfzehn Ausstellungsräume – mit je einer Frage im Raum – machen es einem auch nicht leichter: „Völkermörder – Ganz normale Menschen?“ oder „Serienkiller – Warum fasziniert das Böse?“. Schließlich muss man sich auch selbst fragen „Wofür würden Sie töten?“ und darf sich für eine der acht Antwortmöglichkeiten entscheiden. Notwehr lautet die meist gewählte Antwort. Unbehaglich ist einem schon zu Mute und nach acht Filmsequenzen, die je einen Mord zeigen und sein Motiv erklären, muss man erst einmal tief schlucken. Der vorletzte Raum ist als Lounge konzipiert und lädt den Besucher ein, auf einer der zwei weißen Liegen Platz zu nehmen um eingeblendete Zitate auf sich wirken zu lassen.
Dass auch Täter diese Ausstellung besuchen, ist gar nicht mal so abwegig. So ließ sich der noch inhaftierte Nico Reisdorff, ehemaliges Mitglied der „Waldbilliger Bande“, nicht die Gelegenheit entgehen selbst einen Fuß ins Museum zu setzen, um seine eigene Geschichte zu besichtigen und sich ins Gästebuch einzutragen.
Der umfangreiche Katalog zur Ausstellung lässt sich sehen und kann sich mit einem guten Krimi am Abend messen. Allerdings ist er weniger für Kinder unter zehn Jahren geeignet, genau wie die gesamte Ausstellung. Insgesamt aber ein sehr gelungenes Konzept, das die Realität nahe bringt und zum Nachdenken anregt. Voller Lebensfreude springt man nicht gerade aus dem Museum, doch man freut sich (noch) am Leben zu sein. Und die Moral der Geschicht‘: immer der Mörder ist der Gärtner nicht, manchmal ist es auch die Museumsaufsicht.
„Mord und Totschlag. Eine Ausstellung über das Leben“ ist bis zum 28. März 2010 im „Musée de l’histoire de la ville de Luxembourg“ zu sehen. ?
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