MALEREI: Böse Karten

Eine nackte Frau mit Wespentaille, üppigen Kurven und blauen Haaren lockt den Besucher in das Café Ancien Cinéma in Vianden. Sie hält Pinocchio, die vorlaute, verlogene Puppe mit der langen Nase, in ihren Händen und sieht ihn begehrlich an. Der blickt erschreckt zurück. Was durch das Plakat einen leicht anrüchigen Anstrich erhält, gerät zum Besuch einer Ausstellung, die man gern mit einem Bierchen abklingen lässt. Sex sells. Im ersten Wettbewerb, den Adam Pe?kalski gewonnen hat, ging es um die Gestaltung einer Briefmarke.

Ein Karriere-Schritt, der an „Fargo“ erinnert, einen Film der Coen-Brüder, in dem der engagierte Ehemann der ermittelnden, schwangeren Kommissarin, verzweifelt versucht, einen solchen Wettbewerb um das beste Briefmarkenmotiv zu gewinnen. Am Ende bekommt er den Zuschlag für die 3-Cent-Marke. Er wirkt wie ein Verlierer.

Adam Pe?kalski ist das nicht. Seine Bilder lassen ihn als alten, lustigen Mann erscheinen: Weise und hintergründig, etwas wehmütig vielleicht, aber immer mit einer diebischen Freude, den Betrachter an der Nase herumzuführen.Seine Motive wählt der Mittdreißiger so, dass man als Betrachter selbst bei seinen surrealen Sujets den Eindruck hat sie wiederzuerkennen. Dabei reicht ihm zur Inspiration ein Standbild aus einem Film, ein Gemälde oder Foto, manchmal nur ein Satz, den er irgendwo aufgeschnappt hat.

So entstehen Bilder mit im wahrsten Sinne des Wortes traumhaften Motiven, wie etwa in seiner Serie um einen Zylinder tragenden Weltreisenden, den er an den unterschiedlichsten Orten Station machen lässt und dort mit fantastischen und absurden Kuriositäten konfrontiert. Solche Akzente findet man immer wieder in seinen Bildern. Zum Beispiel bei der viktorianischen schwarzen Witwe, die mit der Füllfeder in der Hand über einem Brief an ihr nächstes Opfer sinniert und auf deren Schreibtisch anachronistisch eine Computermaus liegt.

Dazu kommen Arbeiten, die den Gehalt von Erinnerungsfotos haben. In ihrer Spontanität und Banalität versetzen sie den Betrachter in die Rolle des Fotografen. Man baut sich seine eigenen Geschichten darum herum und fühlt sich plötzlich mit Leichtigkeit auf den Arm genommen. Wir erschaffen uns unsere heile Welt, wie der Kapitän, der seine „nice cup of tea“ im vom britischen Landhausstil geprägten Interieur genießt. Nur das Bullauge weist auf den Liegeplatz des Schiffes in der Südsee hin.

Pe?kalski sieht sich nicht als Maler, sondern gibt an Illustrator zu sein. Der psychologische Vorteil dabei sei, dass man als Illustrator ein Clown der Kunstszene wäre und nicht darum kämpfen müsse ernst genommen zu werden. Tatsächlich kann sein Stil auf den ersten Blick den Eindruck mangelnder Ernsthaftigkeit wecken. Mit den harten Kanten, den starken Kon-
trasten und Abstraktionen wirken seine Arbeiten eher wie Karikaturen, wozu die Motive oft ihr Übriges beitragen. Dabei beschränkt sich der gebürtige Danziger nicht darauf den Betrachter selbst vorzuführen, sondern übt bisweilen weitergehende Kritik, wenn etwa eine Nixe mit Brille und erhobenem Schwert einer Gruppe von Anzugträgern, kolossalen Neubauten und amerikanischen Fastfood-Konzernen voranschreitet um sich wild entschlossen auf das alte Polen zu werfen. Eine Nixe mit Schwert und Schild ziert übrigens auch das Wappen Warschaus. Sie soll den Bürgern einst versprochen haben, der Stadt bei Gefahr beizustehen.

Jedes Einzelne von Pe?kalskis Bildern wäre geeignet auf einer lustigen Postkarte veröffentlicht zu werden. Aber dafür sind sie im Grunde viel zu schade. Man sollte sie genießen wo sie sind, bei einer Tasse Tee oder Kaffee oder eben einem Bier, zwischen Audrey Hepburn und Marilyn Monroe.

Im Ancien Cinéma in Vianden, noch bis zum 29. September.


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