Angefangen hat alles mit T-Shirts. Ein persönliches Foto aufgedruckt ergab ein schnelles, vergleichsweise preiswertes, aber individuelles Geschenk mit dem Charme des Selbstgemachten. Später kamen Tassen dazu, Schlüsselanhänger und Kissen. Inzwischen kann man mit Fotos bedruckte Leinwände in Möbelhäusern als Ersatzgemälde kaufen. Auf den ersten Blick wecken auch die Ausstellungsstücke, die derzeit in der Galerie Terre Rouge in der Kulturfabrik in Esch gezeigt werden, diesen Eindruck. Stutzig machen den Betrachter vielleicht die monochrome Farbgebung und vor allem die fehlenden harten Kontraste, die heute im Bereich der Fotografie so beliebt sind. Dann entdeckt man die Wolkenschatten und erkennt sie als Maserung des Holzuntergrundes.
Die Technik, die hier benutzt wurde, geht zurück auf den Gummidruck, eine Form der Bildentwicklung, die aus einer Zeit stammt, als die Fotografie noch in ihren Kinderschuhen steckte, und mit deren Hilfe unterschiedlichste Untergründe belichtet werden können. Die beiden in Hamburg beheimateten Künstler Frauke Hänke und Claus Kienle haben sich dieser Technik mit Haut und Haar verschrieben und damit fast einen Alleinvertretungsanspruch. Nach ihrem Studium der Fotografie in Bielefeld haben sie 1993 beschlossen, ihren Lebensunterhalt allein durch künstlerische Arbeiten in diesem „Edeldruckverfahren“ zu bestreiten.
Dieser Schritt sagt nicht nur viel über das Künstlerpaar selbst aus, sondern auch über die Fotografie und die Kunst allgemein. Von Kunstschaffenden wird in der „modernen“ Kunst immer öfter ein Gesamtkonzept erwartet, in der Form und Inhalt miteinander in Beziehung stehen. Daraus ergeben sich oft experimentelle und nicht immer gelungene Arbeiten. Insofern wandeln Hänke und Kienle bei aller Progressivität auf relativ sicheren Pfaden, indem sie sich einer historischen Kunstform verpflichtet haben, die sie lediglich in die aktuelle Zeit übersetzen. Diese nüchterne Betrachtung sollte allerdings nicht über die Risikobereitschaft der beiden Künstler hinwegtäuschen. Denn: Der Erfolg gibt ihnen recht, behaupten sie sich doch bereits seit fast zwei Jahrzehnten.
Das liegt wohl auch daran, dass sie der Fotografie durch ihre Wahl der Technik das Element der Malerei deutlicher hinzugefügt haben, als dies gewöhnlich der Fall ist. „Gummigrafien entziehen sich der fotografischen Beweiskraft“, sie nehmen der Fotografie „den Anschein des Dokumentarischen“ und sind eher darauf ausgerichtet Impressionen zu erzeugen. Das gelingt Hänke und Kienle auch mit den in der Kulturfabrik präsentierten Arbeiten, die dabei in der Farbgebung treu dem Motto der Ausstellung „Sauce Andalouse“ folgen. Monochrom in verschiedenen Rottönen zeigen sie Landschaften und Einöden, Wohnwagen und Städte aus verschiedenen Ecken der Welt. Durch die technikbedingte Unschärfe lassen sie dabei Raum für Spekulation. Nebenbei spielen sie mit der Realität, wenn sie in aus Einzelbildern bestehenden breiten Panoramen Überlappungen nicht ausgleichen, sondern für eine Neugestaltung des Motivs nutzen. Weitere Rätsel stellen sie dem Besucher durch Botschaften aus Zahlen und Text, die sie nachträglich angebracht haben. Obwohl sie es mit denen allerdings hier und da etwas übertrieben haben.
Nichtsdestotrotz sind schon die Arbeiten Hänkes sehenswert, aber gerade die Arbeiten von Kienle zeigen die Vorzüge der Gummigrafie. Das von ihm als Untergrund verwendete Holz wird selbst zum gestalterischen Mittel. Erwähnt sei darüber hinaus eine Bilderserie, die in Luxembourg entstanden ist und in der ein Graupapagei und ein Kinderspielplatz die Hauptrolle spielen: „Ech versti kee kouschwanz“.
In der Galerie Terres Rouges, bis zum 3. Oktober.
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