
Mittelpunkt der Ausstellung „Half of the Darkness“, die derzeit im Casino in Luxemburg gezeigt wird, ist die titelgebende Installation im großen Saal im Obergeschoss. Auf vier flachen, quadratischen Sockeln werden insgesamt fast 360 Negativabzüge präsentiert, die ohne erkennbare Reihenfolge mehr oder weniger bekannte Szenen aus Film, Fernsehen und Fotografie zeigen. Das reicht von der „Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof von La Ciotat“ der Gebrüder Lumière von 1895, über Boris Karloffs Frankenstein, die Mondlandung und Jean Reno als Enzo Molinari bis in die Gegenwart.
Sie ist der Schlüssel zu den Arbeiten des 1975 in Montreal geborenen Künstlers Pascal Grandmaison, die hier zum ersten Mal in Europa in einer Einzelausstellung gezeigt werden. Das zentrale Element, in dem alle Fäden zusammenlaufen ist dennoch – oder gerade deswegen – auch der langweiligste Teil.
Außer als Bildhauer betätigt sich Gandmaison in erster Linie als Fotograf und Videokünstler. Meistens arbeitet er in schwarz-weiß, oft mit Negativabzügen. Einige seiner Arbeiten verfremdet er noch stärker und macht etwa aus einer Glasscheibe einen schwarzen, undurchsichtigen Block, der in Standbildern langsam um sich selbst rotiert. Auf diese Weise gelingt es ihm vielfach die Realität auf den Kopf zu stellen. Dabei hilft ihm auch seine Detailversessenheit und der ständig auf das Kleine und vermeintlich Unbedeutende gerichtete Blick. So verknüpft er in einem seiner Filme den Verfall des Vergnügungsparks auf Coney Island mit dem verstaubten Innenleben einer alten Atari-Spielekonsole und zeichnet auf diese Weise nicht nur ein Bild von der rasenden Entwicklung in der Unterhaltungsindustrie, sondern auch vom immer schneller kommenden Ende. Dies alles schafft Grandmaison vollkommen unaufgeregt und dadurch noch eindringlicher. So entstehen Landschaften in Endzeitstimmung und beim Betrachter ein nagendes Unbehagen. Man wird sich der Gratwanderung bewusst, zwischen Fortschritt und Flucht.
In dem Kontext fällt auch Grandmaisons Faible für Schleifen auf, denen er schließlich auch eine ganze Bilderserie gewidmet hat. Wie Möbiusbänder weisen sie auf die Unendlichkeit und machen den Betrachter zu einem Sandkorn im kosmischen Zusammenhang. All dies wirkt wie eine Mahnung daran, sich mehr Zeit zu nehmen, den Augenblick stärker zu würdigen, dabei aber eben nicht nur den Sekundenbruchteil, sondern auch die scheinbar bedeutungslosen Objekte in unserer Umgebung.
Daher könnte man die Ausstellung auch unter das Motto der sogenannten „Entschleunigung“ stellen. Ein Kunstwort, das unser verzweifeltes Bemühen darstellt der rasenden Geschwindigkeit unseres Lebens Herr zu werden, aber dennoch nur ein Symbol für die Hilflosigkeit bei diesem Unterfangen ist. Wer bremst verliert.
Für diese Ausstellung gilt das nicht. Wer ins Casino geht um sich mal eben ein paar Kunstwerke von diesem Kanadier anzusehen wird schnell merken, dass er den nächsten Termin besser hätte weiter nach hinten schieben sollen – oder zumindest noch einen Euro mehr in die Parkuhr werfen. Gerade den Filmen sollte man Zeit widmen, da sie zwangsläufig nicht auf einen Blick erfasst werden können. Darüber hinaus gibt es auch die eine oder andere „versteckte“ Installation, an der man allzu leicht achtlos vorübergeht.
Insgesamt eine Ausstellung, die den intellektuellen und tiefgründigen Gehalt des Künstlers und seiner Arbeiten ins rechte Licht setzt.