Die zwei Wörter „Fremd“ und „Gang“ gehen im Grunde nur dann eine Beziehung zueinander ein, wenn sie als Kompositum verwendet den Akt des Betrugs am Partner oder der Partnerin bezeichnen. Als Adjektiv und Nomen ohne grammatikalischen Bezug nebeneinander stehend bedeuten sie per se gar nichts.
So wirkt der Titel „Fremd Gang“ der aktuellen Ausstellung des CNA in Dudelingen erst einmal kryptisch. Man versucht Verknüpfungen herzustellen, die dann aber doch ins Leere laufen und immer wieder am „Fremdgehen“ hängen bleiben.
Es mögen Assoziationen geweckt werden zur Wanderschaft und Erkundung fremden Terrains, doch gerade dann erinnert der Gang in erster Linie an den Gang zum Friseur, Zahnarzt oder zum Schafott, eben den Weg ins Unbekannte und selten Positive. Dementsprechend sind die präsentierten Arbeiten auch stark geprägt von Melancholie und Sehnsucht, aber auch von Angst und Bedrohung. Hoffnung auf ein neues, besseres Leben als Ausgangspunkt für den Weg in die Fremde wird hier zerschlagen.
In sechs Bilderserien werden Arbeiten von acht Künstlern präsentiert, die sich jeweils auf ihre Weise mit dem Thema auseinandergesetzt und dafür zum Teil weite Wege auf sich genommen haben. Und immer wieder kommt dabei im übertragenen Sinn auch das Fremdgehen, der Betrug am Partner, zur Sprache, das Ausnutzen der Position des Schwächeren, sei es in der Fremde oder als Fremder im eigenen Land.
Das beginnt sehr anschaulich schon mit der „Café Odyssée“ portugiesischer Einwanderer auf der Suche nach günstigem Wohnraum in Luxemburg, die Patrick Galbats dokumentiert. Der Luxemburger zeigt Aufnahmen kleiner Kammern, die über ihren Etablissements von verschiedenen Café-Besitzern überteuert angeboten werden. Spärlich eingerichtete, zum Teil stark heruntergekommene Notunterkünfte in denen die Bewohner sich mit einfachsten Mitteln etwas Behaglichkeit zu schaffen suchen.
Den umgekehrten Weg geht Armand Quetsch von Europas heimlicher Hauptstadt Brüssel bis nach Lampedusa, der kleinen, italienischen Insel südlich von Sizilien, die als Tor nach Europa traurige Berühmtheit erlangt hat. Am Ende steht er im Selbstporträt vor einem Abgrund, ganz wie Caspar David Friedrichs romantischer Wanderer, nur dass er in eine schwarze Leere blickt.
Einen Schritt weiter gehen der Belgier François Goffin und Carine und Elisabeth Krecké aus Luxemburg. Die Schwestern akzentuieren den Kultur- und Identitätsverlust der nordamerikanischen Ureinwohner am Beispiel der Gewaltspirale in der Pine Ridge Reservation in den 1970er Jahren um deren brutalen Stammesvorsitzenden Dick Wilson, während Goffin vom Leben im kurdischen Gebiet der Türkei erzählt und sich bemüht die Gratwanderung auf der Grenze zwischen zwei Welten darzustellen.
Etwas aus dem Rahmen fallen die surrealistisch, expressionistisch anmutenden Aufnahmen von Gast Bouschet und Nadine Hilbert mit dem Titel „[insider]“. Schwarz-weiß und kontrastreich schaffen sie Endzeitszenarien, die mit dem Motiv London fast etwas wie einen Abgesang auf die moderne Welt beinhalten.
Herausragend sind letztlich aber die Arbeiten der Französin Chantal Vey, die in Belgien lebt und arbeitet. Sie ist in zwei Monaten mit ihrem Auto die belgische Grenze entlang gefahren und hat sich von Einheimischen deren Lieblingsplätze zeigen lassen. Dabei bleibt die Grenze Grenze, allein am Meer schweift der Blick kurz in die Ferne. So ist eine Reihe von unterschiedlichsten Landschaftsaufnahmen entstanden, die durch die Gemeinsamkeit der dahinter stehenden Idee bestechen.
Dem folgend ist es die konsequente Umsetzung und vor allem die Originalität der Konzepte, die diese Ausstellung so sehenswert macht.
Zu sehen noch bis zum 12. Januar 2012
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