Schon auf den ersten Blick fällt die Einwirkung auf, die die aktuelle Ausstellung mit dem kryptischen Titel R-05.Q-IP.0001 auf den Ort der Ausstellung selbst, das Casino, genommen hat. Der Besucher wird bei seinem Eintritt in die Galerie nicht, wie sonst, schon an der Treppe abgefangen, sondern ab dieser in den neu angelegten Eingangsbereich geführt, wo er an der breiten, schlichten Theke, die der Treppe gegenüberliegt, in Empfang genommen wird. Dabei wird einem zuerst kaum auffallen, dass man hier einem Blender zum Opfer fällt, der konsequent durch mehr Schein als Sein mit unserem Hang spielt, sich eher an äußerlichen Formen und Strukturen und damit vor allem am ersten Eindruck zu orientieren, als sich auf die doch eigentlich wichtigeren Inhalte zu konzentrieren.
Der Blender, dessen Arbeit hier präsentiert wird, ist der Belgier Wesley Meuris. Ihn soll das Verfahren, nämlich den Besucher des Casinos direkt am Eingang an einem kleinen Tisch abzukassieren, schwer schockiert und motiviert haben, sich über die Gestaltung und Umsetzung einer Ausstellung an sich Gedanken zu machen. Gemälde, Skulpturen und Artefakte werden weggelassen und nur die Mittel der Präsentation gezeigt, streng, wenn auch nicht wissenschaftlich, den Regeln der Museografie folgend. Und alles basierend auf Meuris‘ eigenen Erinnerungen und Vorstellungen, und so im Prinzip auf den Erfahrungen eines jeden, der schon einmal, Plakaten und Flyern folgend, ein kulturelles Event besucht hat.
Hierauf vor allem zielt Meuris‘ Kritik. Der Erfolg eines Museums bemisst sich inzwischen ausschließlich am finanziellen Erfolg, also auf dieselbe Weise wie der eines jeden kommerziellen Events. Das, was den „durchschnittlichen“ Besucher nicht interessiert, tritt zwangsläufig in den Hintergrund. Und genau wie in den verschiedensten Fernsehprogrammen wird auch der Museumsbesuch viel zu oft nur noch als Spektakel inszeniert. Doch auch Meuris selbst ist von diesen Begrenzungen nicht frei, wenn er mit seinem virtuell angelegten Projekt FEAK eine Hilfe zur Inszenierung ebensolcher Spektakel bietet und seine Ausstellung von den Eintrittskarten bis hin zur Kinderecke methodisch durchorganisiert. Doch außer in seinen Karteikartenkästen kann man gerade in seinem „Display Kit for Portrait Statues“ einen Hang zum Althergebrachten erkennen, dem Versuch, dem Besucher die Ausstellungstücke möglichst objektiv zu präsentieren. Dies führt dazu, dass diese potentiellen Stücke eher ausgestellt werden wie Tiere im Zoo. Dabei schafft es der Künstler, dank seines eigenwilligen Codesystems den Besucher bei der Stange zu halten, und entwirft daneben Museumswelten, die scheinbar über das rational Mögliche hinausgehen. Es gelingt ihm, praktisch ohne Inhalt Inhalte zu präsentieren – das Negativ zu des Kaisers neuen Kleidern.
Eine Ausstellung, mit der Wesley Meuris den Besucher an der Nase herumführt, und die paradoxerweise gerade wegen ihrer „Oberflächlichkeit“ reichlich Tiefgang bietet.
Im Casino, bis zum 2. September.
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