PROSTITUTION: Schlecht beleumdet und abgeschoben

Um 1900 bekämpften Regierung, Justizbehörden und Polizei gemeinsam die Prostitution, ein „Übel“, das fast ausschließlich in der immigrierten Bevölkerung verortet wurde. Ab 1913 wurde Prostitution zu einem Ausweisungsgrund – waren Frauen mit Geschlechtskrankheiten infiziert, wurden sie inhaftiert. Die woxx sprach mit Heike Mauer, die zum Thema Migration und Prostitution forscht.

Prominente Frauen darunter Aline Mayrisch, deren Tante, Madame Xavier de Saint-Hubert und die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Thilges, Madame Joseph Thilges haben die Unterschriftenliste der Petition
des katholischen Frauenbundes unterzeichnet.

woxx: Großstadt, Bevölkerungswachstum, industrielle Revolution, Existenznot der Arbeiter, aufkommende Konsummärkte – das alles sind Faktoren, die eine Zunahme der Prostitution im 19. Jahrhundert bewirkt haben. Ist diese Entwicklung auch in Luxemburg festzustellen, anders gefragt: Kamen mit den Schmelzarbeitern auch die Prostituierten?

Heike Mauer: Man kann auf jeden Fall sagen, dass die Regierung, die Justizbehörden und die Polizei diese Erklärungsmuster stark gemacht haben. Insgesamt lässt sich beobachten, dass die Prostitution um 1900 und den Jahren danach vor allem im Minettbassin und in der Hauptstadt – einschließlich Hollerich und Bonneweg, die damals noch nicht eingemeindet waren – problematisiert wurde. Für die ländlichen Regionen des Nordens habe ich bis jetzt kaum Hinweise gefunden, dass die Prostitution oder das, was damals auch eng mit der Prostitution zusammenhing – die Konkubinate bzw. das uneheliche Zusammenleben – als Problem von den Behörden benannt worden wäre. Das sagt viel über die damalige Problemwahrnehmung aus, aber wenig darüber, was sich tatsächlich abgespielt hat. Diese Wahrnehmung hing klar mit der Industrialisierung, der Verstädterung, mit dem Zuzug von ausländischen Arbeitern und eben auch von Frauen zusammen. Die Pros-
titution wird vor allem als Problem der mobilen ärmeren Schichten betrachtet. Dabei standen die Frauen als Verdächtige im Fokus.

Wurde die Prostitution nur mit der Immigration in Verbindung gebracht? Immerhin gab es um diese Zeit auch viele Luxemburger Frauen, die ins Ausland gingen, um als Dienstmädgde zu arbeiten, aber nicht selten in der Prostitution endeten?

Das ist die andere Seite dieser Problemwahrnehmung. Meine Quellen – es sind hauptsächlich Polizeiberichte, Dossiers der Fremdenpolizei und Justizdokumente -, beziehen sich sehr stark auf den Zuzug von Ausländerinnen. Im Deutschen Reich war das Zusammenleben unverheirateter Paare verboten, weswegen in diesen Quellen auch häufig unterstellt wird, dass die Frauen bewusst nach Luxemburg ziehen, um in diesen „zweifelhaften Verbindungen“ leben zu können. Es sind also Aspekte, die damals sehr stark mit der Ausländergesetzgebung verknüpft wurden. Seit Juli 1913 ermöglichte das Gesetz über die Fremdenpolizei explizit die Abschiebung eines Ausländers der „die Prositution ausübt oder irgendwie erleichtert“. Das Zusammenleben in Konkubinaten war formal weiterhin erlaubt. Die Übergänge stellen sich allerdings fließend dar: In vielen Polizeiberichten findet sich die Unterstellung, dass sich die Frauen, die in sogenannten wilden Ehen lebten, für den Lebensunterhalt des Paares prostituierten.

Sie haben die Quellenlage erwähnt – ist es schwierig, Forschung zu dem Thema zu betreiben, das ja auch eng mit der Sozialgeschichte zusammenhängt?

Ich bin ursprünglich keine Historikerin, sondern Politologin und Genderforscherin. Und meine Hauptquellen sind tatsächlich die Dossiers der Police des étrangers. In denen geht es nur um die Ausländerinnen, das ist klar. Aber es gibt auch andere Quellen, wie die Presse oder die Korrespondenz zwischen den Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft und den Justizbehörden. Auch hier findet sich dieser Diskurs, dass Prostitution hauptsächlich als eingeschlepptes Phänomen zu verstehen sei – nach dem Motto: Wenn die Ausländerinnen weg wären, dann würde auch das Problem weitgehend verschwinden. Diese Quellen bestätigen also die Vermutung, dass Prostitution damals weitgehend als ausländisches Phänomen wahrgenommen wurde.

Das heißt, die Repression ging eigent-lich erst 1913 an?

Da ich derzeit noch mitten im Forschungsprozess stehe und als erstes Ausweisungen untersucht habe, die die Zeit ab 1913 betreffen und zuvor die Gesetzeslage anders war, muß die vorherige Ausweisungspraxis erst noch konkret erforscht werden. In der erwähnten Korrespondenz der Polizeibehörden gibt es jedoch auch schon für die Zeit vor 1913 Quellenmaterial, das auf dem gleichen Diskurs bezüglich der Ausländerinnen beruht: Sie arbeiteten als Kellnerinnen in verlotterten Schenken, um Gäste anzulocken, denen sie dann ihre eigentlichen Dienste offerierten. Auch in den Parlamentsdebatten, etwa in den Diskussionen um das Wirtshausgesetz von 1908, finden sich Aussagen, die Ausländerinnen verdächtigen – wie weit das aber tatsächlich vor 1913 zu Ausweisungen geführt hat, ist noch unklar.

Galten für immigrierte Familien damals die gleichen Rechte wie für Luxemburger?

In meinen Quellen gibt es Belege, dass sich immigrierte Frauen bei den Gemeinden um Armenunterstützung bemühten und ihnen diese auch gewährt wurde. Zugleich wurde den Ausländern unterstellt, die luxemburgischen Systeme der sozialen Sicherung gezielt auszunutzen, etwa die Krankenkassen und die Fürsorgeeinrichtungen. Ob die gewährte Unterstützung die Lebenshaltungskosten tatsächlich gedeckt hat, kann ich nicht sagen. Insgesamt zeigen die Quellen, dass diese Bevölkerungsgruppe unglaublich mobil war. Es ist für mich überraschend – anhand der Anmeldebögen lässt es sich feststellen -, wie oft diese Frauen, hauptsächlich aus dem Deutschen Reich stammend, sowie einige Italienerinnen, Belgierinnen und Französinnen, innerhalb des Landes, aber auch in der heutigen Grenzregion umgezogen sind und den Arbeitsplatz gewechselt haben. Die Frauen waren oft in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und besaßen kein Vermögen. Da es sich also um eine sehr mobile Bevölkerungsgruppe in sehr instabilen Verhältnissen handelte, kann man wohl kaum von klassischen Familienverhältnissen reden. Viele Frauen waren noch unter 20, sehr viele ledig. Ich glaube, dass diese Gruppe auch deswegen als so suspekt erschien, weil sie eben nicht die stabile Eingebundenheit in Familie, Haus etc. aufwies, sondern aus Menschen bestand, die irgendwo zur Untermiete wohnten.

Die italienische Immigration spielte hier also nur eine untergeordnete Rolle?

Es wurde von seiten der Polizeibehörden zwar immer das Ressentiment geschürt, dass die italienischen Schenken die schlimmsten seien, aber ein Verzeichnis der 1913 in Esch regis-trierten Kombinate weist ein große Mehrheit deutscher Frauen aus. Bereits Denis Scuto hat betont, dass die deutschen Migranten zur damaligen Zeit die mit Abstand größte Gruppe bildeten.

Was hatte diese Migration zur Ursache?

Da muss ich passen. Stefan Leiner, der über Migration und Urbanisierung geforscht hat, ist der Auffassung, dass die Grenzmigration hier im Erzbecken schon damals als Binnenmigrations-Phänomen zu verstehen sei: Außer darin, dass Landesgrenzen überschritten wurden, habe sich diese Migration nicht sonderlich von jener unterschieden, die auch innerhalb des Deutschen Reiches stattfand. Deswegen ist schwer zu entscheiden, ob es sich hier um Menschen handelt, die aufgrund bewusster Entscheidung ins Ausland gingen.

Die Entwicklung der Stahlindustrie, und mit ihr die Wirtschaftsimmigration, kommen also als Ursache der Einwanderung deutscher Frauen nicht in Betracht?

Teilweise führten die Frauen, wenn sie sich gegen ihre Ausweisung wehrten, wirtschaftliche Gründe an – es gebe in Deutschland keine Beschäftigung und deshalb wollten sie in Luxemburg bleiben. Wobei ich jedoch bisher festgestellt habe, dass nur wenige dieser ausgewiesenen Frauen in Fabriken arbeiteten. Sie waren hauptsächlich als Dienstmägde oder Kellnerinnen beschäftigt. Teilweise auch ohne Lohn, so dass der Verdacht der Prostitution nahelag. Deshalb reglementierten damals einige Kommunen das Kellnerinnen-Gewerbe, indem beispielsweise ein Mindestalter und der Nachweis eines untadeligen Lebenswandels vorgeschrieben wurde. Sicherlich wirkte die Industrie mit ihrem soziokulturellen Impakt, darunter nicht zuletzt den Gaststätten, wie ein Pull-Faktor für eine Migration, jedoch waren die von mir untersuchten Frauen weder direkt in den Metall- und Erzwerken noch in den Handschuhfabriken, die überwiegend eine weibliche Berufsdomäne darstellten, engagiert. Nicht wenige Frauen gaben bei ihrer Anmeldung in Luxemburg kein Berufsfeld an.

Wurden solche Schenken polizeilich kontrolliert, und gab es auch eine Straßenprostitution?

Die Straßenprostitution scheint keine große Rolle gespielt zu haben. Es hieß zwar gelegentlich, die Frauen suchten sich ihre Kundschaft auf der Straße, trotzdem hatten sie dann ein Zinmmer in einer der Schenken gemietet, weswegen die Problematisierung letztlich immer diese billigen Schenken im Blick hatte. Ich glaube, das Ganze war auch für die Wirte ein gutes Geschäft, denn der Wohnraum war knapp und die Leute waren auf dieses Arrangement angewiesen. Aus dem Umfang der Untervermietung sieht man ja auch, dass eigentlich Wohnungsnot herrschte und die Menschen in Kauf nehmen mussten, mit vielen anderen in beengten Verhältnissen zu leben.

Welche Rolle kam den Schankwirten zu?

Aus den Polizeiquellen geht zunächst hervor, dass die Frauen in den Kneipen dafür sorgen sollten, dass die Besucher teure Getränke konsumierten. Die Kneipen mussten um Kundschaft werben, da die Wirtshausdichte extrem hoch war und es immer wieder politische Versuche gab, die Anzahl der Kneipen zu begrenzen. Der Konkurrenzdruck zwischen den Wirten war entsprechend hoch; die „Kellnerinnenbedienung“ stellte wohl einen unverzichtbaren Teil des Wettbewerbs dar. Jedoch ist festzustellen, dass sich die Situation für die ausländischen Betreiber von Gaststätten verschlechterte. Ab 1908 musste eine 5-jährige Residenz im Großherzogtum nachgewiesen werden, um überhaupt eine Kneipe eröffnen oder übernehmen zu dürfen. Abgesehen davon, dass gewisse Eröffnungssteuern neben den normalen Einnahmesteuern gezahlt werden mußten. Die Wirte hatten insgesamt eine sehr ambivalente Position inne: Einerseits waren sie im Wirteverband organisiert, der etwa Petitionen gegen die allzu starke Besteuerung der Wirtschaften einreichte. Das heißt, die Wirte wurden als Steuerzahler und als wichtige Wählergruppe auf kommunaler Ebene wahrgenommen. Zum Teil saßen sie im Stadtrat, wo sie die Reglementierung der Gaststätten beeinflussen konnten. Andererseits wurde gerade gegen die italienischen Schankwirtschaften im Minettbassin oder die deutschen Kneipen in der Bahnhofsgegend der Hauptstadt mobil gemacht: Dort, so hieß es allgemein, herrschten schlimme Zustände.

Verfügten die Frauen, die in den Wirtshäusern untergekommen waren, über Netzwerke irgendwelcher Art?

Teilweise … Es gibt Hinweise, dass Frauen zum Teil die immer gleichen Lokale aufsuchten, das spricht für das Vorhandensein netzwerkartiger Verbindungen. Es waren auch stets dieselben Kneipen, die von den Polizeibehörden als besonders problematisch genannt wurden und im Verdacht standen, in Wahrheit Bordelle zu sein. Dennoch ist nicht ganz transparent, wie die Stellensuche konkret ablief. Für das luxemburgische Dienstpersonal, das zur damaligen Zeit nach Frankreich ging, existierte bereits der Zitha-Verein für die christlichen Dienstmädchen. Er vermittelte Dienststellen an Luxemburger Mädchen sowohl im Ausland als auch innerhalb Luxemburgs und wollte ein Gegengewicht zu den unseriösen Stellenvermittlungsbüros bilden.

Wie haben sich Kirche, Frauenorganisationen oder sozialistische Parteien in dem gängigen Diskurs zur Prostitution, der von den Ordnungskräften verstärkt wurde, positioniert?

Gegen die sogenannten Animierkneipen gab es verschiedene Kampagnen aus der Zivilgesellschaft. Zum Beispiel initiierte 1912 der Katholische Frauenverein eine Petition gegen das Unwesen der Animierkneipen in Luxemburg, die von ungefähr 3.000 Frauen unterschrieben wurde. Der Zeitpunkt ist bemerkenswert, denn erst ein paar Jahre zuvor hatte der Verein für die Interessen der Frau erklärt, dass es für die Einführung des Frauenwahlrechts noch zu früh sei. Eine solche Petition an die Abgeordnetenkammer stellt dagegen im engeren Sinne schon eine politische Betätigung dar. Ich habe diese Petitionslisten noch nicht en detail ausgewertet, aber die Frauen, die unterschrieben haben, waren durchaus einflussreich. Auch der Verein gegen den Mißbrauch der geistigen Getränke, ein luxemburgischer antialkoholischer Verein, Teil der Mäßigkeitsbewegung, lancierte in seinem Vereinsheftchen Kampagnen gegen die Animierkneipen. Dort wurde auch vor Geschlechtskrankheiten gewarnt und die Gefahr der Kneipenbesuche für das Glück der Familie beschworen. Dieser Verein war sehr stark katholisch dominiert, obwohl man sich nicht ständig auf die Religion berief. Als 1919 das Frauenwahlrecht in Luxemburg eingeführt wurde, gelang bei den ersten Parlamentswahlen der Lehrerin Marguerite Thomas-Clement auf der sozialdemokratischen Liste im Wahlbezirk Zentrum der Durchbruch. Sie vertrat eher den Viktimisierungsdiskurs, also den Standpunkt, dass Prostituierte nicht moralisch verkommen seien, sondern als Opfer des Wohlstandsgefälles anzusehen seien, das sie für die Verlockungen des Wohlstandes, mit dem sie von Männern angelockt werden, anfällig machte. In der luxemburgischen Zeitungslandschaft wurden die schlimmen Zuständen in den Animierkneipen beschrieben, und aus den Quellen wird ersichtlich, dass die Behörden durchaus auf derartige Berichte reagierten, indem sie von den betreffenden Polizeidistrikten genaues Zahlenmaterial anforderten.

Sah das Gesetz von 1913 auch Geldbußen bzw. Freiheitsentzug gegen Prostituierte vor?

Wenn bei Frauen Geschlechtskrankheiten nachgewiesen wurden – die Untersuchung geschah auch zwangsweise -, lag das Strafmaß bei sechs Monaten Freiheitsentzug. Für den Straftatbestand der Prostitution habe ich dagegen nur relativ wenige Verurteilungen gefunden. Das kann daran liegen, dass diese schwer nachweisbar war. Die Behörden klagten damals zwar immer wieder darüber, dass man der Freier nicht richtig habhaft werden könne – doch zugleich entschuldigte die Staatsanwaltschaft die Männer: Ein Mann gerate normalerweise nur in einem Moment der Pflichtvergesessenheit in so ein Milieu hinein – kein Mann wolle seine Familie dieser Schande aussetzen.
Insofern ist das Ganze sehr ambivalent. Ab 1913 konnten die Frauen dann wegen Prostitution ausgewiesen werden. In den Quellen ist eine Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Justizbehörden nachzulesen, in dem Sinne, dass die Staatsanwaltschaft lange eine eher liberalere Position einnahm, indem sie argumentierte, dass man Beschuldigte nur dann ausweisen könne, wenn sie auch wirklich rechtskräftig verurteilt waren – hierzu aber reiche der Tatbestand der wilden Ehe nicht aus. Da war die Polizei zum Teil rigoroser: Es finden sich in den Ausländerdossiers ab 1914 – also kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen – viele Polizeiprotokolle, die gewisse Frauen der Prostitution bezichtigten, da sie in einer schlecht beleumdeten Schenke arbeiteten und gut gekleidet seien. Diese Frauen wurden auf Verdacht ausgewiesen. Vorher war diese Art der Ausweisung auf Verdacht nicht möglich. Es ist interessant, wie die Polizeibehörden hier argumentierten. Manchmal sind es nur ganz dünne Akten, auf die ich mich hier beziehen kann, eine Anmeldeerklärung, ein Polizeidossier und dann die Ausweisungsverfügung. Manchmal sind die Akten aber auch sehr umfangreich, je nachdem, wie weit der Zeitpunkt der ersten Anmeldung in Luxemburg zurücklag und was alles in der Zwischenzeit noch passierte. Einige Frauen hatten Glück, heirateten einen Luxemburger und wurden eingebürgert und konnten bleiben.

Hing die Tatsache, dass die Ausweisungen der Frauen um 1914 zunahmen, auch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusammen?

Der Krieg, und die Anwesenheit des deutschen Militärs hat wie ein Brennglas bereits existierende Tendenzen verstärkt. Vielleicht kamen tatsächlich mehr Frauen, die wussten, wo das Militär stationiert war und die ihm hinterherreisten. Die Überzeugung, dass die Ausländerinnen nach Luxemburg kommen, um hier ein „leichtes Leben“ zu führen, ist jedoch schon 1908 vorhanden, und darauf bauen alle weiteren Entwicklungen auf. Es kann auch sein, dass das Gesetz über die Fremdenpolizei von 1913, in dem die Prostitution prominent wurde, einen Schub provoziert hat. Vorher gab es nur die Umschreibung, dass jemand, der die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdete, ausgewiesen werden konnte; darunter ließ sich auch die Prostitution subsumieren. Denn die Prostitution an sich war in Luxemburg die ganze Zeit über verboten. Es gab, anders als im Deutschen Reich, kein System der Sittenkontrolle, in dem Prostituierte bei der Polizei (zwangs-)registriert wurden. Insofern war das Verbot schon da – nur die Handhabe war schwierig.

Welches Ergebnis Ihrer Forschungen hat Sie persönlich am meisten erstaunt?

Ich war nicht darauf gefasst, so viele persönliche Dokumente – Briefe, aber auch Anwalts-Korrespondenz ? zu finden von Frauen, die wegen des Verdachts der Prostitution ausgewiesen wurden Es gibt zahlreiche Widersprüche und Eingaben, in denen Frauen gegen ihr Schicksal protestieren: Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, was ist der Grund der Bestrafung usw. Viele schreiben aus dem Gefängnis und fordern vor der Ausweisung noch einen Tag Zeit, um ihre Koffer zu packen. Diese persönlichen Zeugnisse in den Akten der Fremdenpolizei – das hat mich überrascht. Und die Petition mit den 3.000 Unterschriften luxemburgischer Frauen gegen die „Animierkneipen“. Es ist noch nicht ganz klar, was diese Petition letzlich bewirkt hat. Es gibt Zeitungsartikel, die kritisieren, dass die Regierung nichts unternommen habe, trotz der großen Zahl der Unterschriften.

Seit Oktober 2010 arbeitet Heike Mauer an ihrem AFR*-geförderten Dissertationsprojekt an der Universität Luxemburg. Zuvor war sie in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung in Deutschland tätig. An der Universität Trier machte sie 2006 ihren Abschluss in Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie für eine Arbeit über Multikulturalismus, Feminismus und die deutsche Kopftuchdebatte.

*„Aide à la Formation-Recherche“ vom Fonds National de la Recherche


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