Schon zum zweiten Mal wütet der Ausnahmekünstler Marco Godinho in den Räumlichkeiten des Casinos – diesmal geht es um Zeit und Raum.
Will man sich den Arbeiten Marco Godinhos nähern, hilft vielleicht ein Blick in das Labo, die Werkstatt für Kinder und Jugendliche im Casino in Luxemburg. Die koreanische Künstlerin und Illustratorin Keong-A Song hat hier einige neue Abenteuer ihres „Mr. Godinho“ erzählt und gewährt damit einen ganz eigenen, ironischen Einblick in die Arbeitsweise und den Schaffensprozess Marco Godinhos.
In den surreal fließend miteinander verknüpften Cartoons, die sie auf den vier Wänden ausgebreitet hat, erinnert „Mr. Godinho“ nicht nur wegen der großen Nase stark an den inzwischen zum Klassiker des Zeichentricks avancierten Herrn Rossi auf der Suche nach dem Glück, der mittels einer magischen Trillerpfeife zusammen mit seinem Hund Gastone durch die Zeit reist und so seinem Alltag in einer Fischkonservenfabrik zu entfliehen sucht.
Folgt man den Bildern Keong-A Songs, so scheint auch Godinhos Arbeiten durchaus ein spezieller magischer, metaphysischer Bezug eigen zu sein, der sich auch in der immer wieder auftauchenden unendlichen Schleife des Moebius-Bandes manifestiert. Und wahrscheinlich ist man als Besucher schon beim Eintritt in das Casino an einem solchen vorbeigekommen, ohne es zu bemerken, hat Godinho doch die Hausnummer des Casinos durch eine liegende Acht austauschen lassen. Dabei erinnert auch der Titel der Ausstellung – „Invisible More Visible More Invisible“ – bereits an eine Endlosschleife.
Allerdings geht es Godinho nicht darum, unbegrenzte Zeit zur Verfügung zu haben, es geht ihm vielmehr um die unendlichen Möglichkeiten, die uns über unsere eingeschränkte Wahrnehmung hinaus offenstehen. Aber auch um die mit diesen Möglichkeiten verbundenen Unwägbarkeiten und Überraschungen, Erfahrungen und Erinnerungen. Freilich prangert er damit auch die Neigung des Einzelnen an, in dem herrschenden Informations-Überangebot nicht mehr zu wählen, sondern sich auf das von Dritten bestimmte Erstbeste zu fokussieren und kritiklos davon vereinnahmen zu lassen. Allerdings zeigen seine Arbeiten auch, dass das kein wirklich neues Phänomen ist – vielleicht ist es nur leichter geworden, ihm zu verfallen, bzw. schwerer, zu entkommen.
Bewertungen nimmt Godinho dabei nicht vor. Diese überlässt er dem Betrachter, dem er aber im Grunde die Richtung vorgibt: Das Dilemma desjenigen, der zum eigenen Denken anregen will. Und Godinho hat sein Anliegen zweifellos tief verinnerlicht. Das zeigen nicht nur die vielen investierten Arbeitsstunden, die man einigen seiner Installationen ansieht und die zum Teil sogar beständig weiterwachsen. Vielmehr nutzt er immer wieder neue Methoden zur Vermittlung seines Anliegens, nimmt unterschiedliche Standpunkte ein, zeigt dem Betrachter immer neue Blickwinkel, um ihn so zumindest auf den eigenen Tellerrand hinzuweisen. Und genau diese Mischung macht auch seine Kunst so abwechslungsreich.
Erstaunlich ist nur, dass Godinho bei seinen Betrachtungen zu unserer Wahrnehmung der Fantasie so wenig Raum gewährt. Selbst dem erblindeten Jorge Luis Borges beim Theaterbesuch bleiben bei ihm „nur“ Erinnerung, Weisheit und Erkenntnis. Fantasie scheint nur im Sinne freier, aber zielführender Gedanken eine Rolle zu spielen, der Künstler den soliden philosophischen Boden, auf dem er mit beiden Füßen steht, nie zu verlassen. Ein wirklich negativer Beigeschmack entsteht jedoch nicht dadurch. In irgendeiner Fußgängerzone hat einmal jemand die Aufforderung auf das Pflaster geschrieben, den Kopf zu heben. Man fühlt sich ertappt und tut es. Marco Godinho erzielt mit seinen Installationen eine ähnliche Wirkung. Wie nachhaltig, muss jeder selber sehen. Die auch ohne das schon beeindruckende Ausstellung mit den Cartoons von Keong-A Song über „Mr Godinho“ abzurunden, ist eine gelungene Pointe.
Im Casino Forum d’art contemporain, bis zum 28. April.
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