URBAN ART: The Tag Generation

Durch seine Graffiti ist Sumo in Luxemburg längst bekannt. Nun wird seine Kunst in der Galerie l’Indépendance der Banque Internationale Luxembourg (BIL) ausgestellt und wer will kann sich eine Kreditkarte mit einem Sumo-Tableau bestellen.

„`Bad Meaning Good` – das ist die Sprache, die ich spreche. So, wie ich sagen würde `voll krass`, für etwas, das wirklich gut ist. Es ist die Sprache, die aus dem Hip-Hop kommt“, sagt Sumo, dessen künstlerische Handschrift schon lange über die Grenzen Luxemburgs hinaus bekannt ist. Seit 2002 stellt der zunächst in der Graffiti-Szene bekannte „Sumo“ auch in Galerien aus. Seine großen Eierköpfe, die „Crazy Baldheads“, sind seit Ende der 1990er zu seinem Markenzeichen geworden. Wochenlang hat er damals nach etwas Neuem gesucht, und als ihm irgendwann gar nichts mehr einfiel, malte er einfach eine Kartoffel und dachte sich: „Okay, versuch`s mal hiermit!“ So entstand sein Markenzeichen aus einem glücklichen Zufall.

Mittlerweile sind seine Motive nicht mehr nur auf Mauern, sondern etwa auch auf Aufklebern zu finden. Eine verfremdete Luxemburgfahne mit einem roten Löwen, der sein Maul weit gähnend aufreißt. Sumo ist hip ? keine Frage! Kein Wunder also, dass nun auch die BIL mit seinen Bildern wirbt. „Ich denke, sie haben mich gefragt, weil meine visuelle Sprache eine ganz andere ist und ich vielleicht eine komplett andere Zielgruppe und Generation anspreche“, meint der in England geborene Künstler, dessen bürgerlicher Name Christian Pearson ist.

Doch Graffiti sind in Sumos Lebenslauf nun Geschichte. Die Tableaus, die er heute malt, tragen zwar noch immer unverkennbar die Handschrift des ehemaligen Sprayers und weisen klar eine Nähe zum Graffiti auf, doch fallen sie eher unter die Kategorie „Urban Art“. Ganz vorbei sind die Zeiten, in denen er mit seinen Kollegen „Nask“ oder „Stick“ sprayte, noch nicht, doch wenn er heute Wände bemalt, sind es meist Auftragsarbeiten. „Graffiti passt irgendwie nicht mehr zu mir ? ich habe jetzt ’ne Frau und zwei Kinder und ein Familienleben,“ gibt Sumo zu bedenken. Dazu kommt, dass er mittlerweile auch über die Szene hinaus bekannt ist ? wo es eigentlich doch das Ethos von Graffiti-Künstlern à la Bansky ist, dass die echten Namen und Gesichter hinter der subversiven Street-Art unbekannt bleiben. Dennoch sieht Sumo das, was er jetzt macht, als Weiterführung seines bisherigen Schaffens an. Auf nahezu jedem seiner grellen Tableaus grinsen einem seine „Crazy Baldheads“ breit entgegen. Schicht über Schicht trägt er auf, verzichtet ganz auf leere Flächen. Eine weiße Leinwand überdeckt er zunächst einmal mit einem abstrakten Hintergrund. Nur so kann sich seine Zeichnung entfalten. Allmählich kommen Motive hinzu, und schließlich greift ein Motiv in das nächste. Dennoch hat der Künstler dabei nie eine narrative Struktur im Kopf, er möchte auch gar keine Geschichte erzählen, sondern er zeichnet drauflos

In seinen Tableaus kann man sich verlieren und entdeckt bei näherem Hinsehen immer wieder neue Nuancen und Details: Neben altbekannten Comicfiguren, wie Inspektor Gadget oder dem rosaroten Panther, findet man eine Fülle versteckter Botschaften und verfremdeter Slogans, die einem wie Tags ins Auge springen. So entstehen Kompositionen, die im Grunde nie fertig sind und immer wieder übermalt werden können. Gekonnt spielt Sumo mit Verfremdungseffekten: Neben feinen Pinselstrichen zerläuft die Farbe einer Spraydose, meint man, bekannte Slogans zu erkennen, die sich bei näherem Hinsehen als Verfremdung erweisen. So kann der Betrachter sich in ein Bild hinein- und rauszoomen oder ganz und gar darin verlieren.

Doch ist Graffiti als ursprünglich subversive Straßenkunst nicht eigentlich das Gegenteil der Art von Kunst, die in einer Bank ausgestellt wird? Verrät der Künstler nicht eine Subkultur? Hat er sich damit nicht dem Mainstream verschrieben? Pragmatismus scheint die Antwort. Wer in Luxemburg als Künstler Erfolg haben will, kommt am Mäzenatentum der Banken offenbar nicht mehr vorbei. Selbst der mit seinen Zeichnungen politisch provozierende Filip Markiewicz stellte seine Kompositionen zuletzt in der Galerie der BGL BNP Paribas aus. „Er ist ein Künstler“ ? mit Graffiti haben seine Tableaus kaum mehr etwas zu tun, wurde auf der Vernissage denn auch von allen Seiten betont. So scheint die Ausstellung in der Galerie der BIL (s)einem Ritterschlag gleichzukommen. Zu gönnen ist das dem bescheiden auftretenden Künstler, dessen Urban-Art-Stil in Luxemburg einzigartig und zurecht angesagt ist, allemal.?

Bis zum 13. September in der Galerie L’Indépendance.


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