Brent Birnbaums Installation im Aquarium des Casinos lädt den Zuschauer dazu ein, sich Fragen auszusetzen und sie zu beantworten ? das ist erfrischend und originell.
Albert Einstein soll einmal gesagt haben, die Definition von Wahnsinn sei, immer von neuem das Gleiche zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Gedanke von der Aktivistin Rita Mae Brown stammt, die ihn einem Leitfaden der Narcotic Anonymous entnommen hat. Wer ihn nun wirklich als Erster gefasst hat, ist aber unwesentlich, lässt sich diese überspitzte Definition doch viel zu gut und viel zu oft auch auf unser eigenes Leben anwenden. Vielleicht noch mehr in der Variante aus besagtem Leitfaden, wo von den Fehlern die Rede ist, die man immer aufs Neue macht.
Brent Birnbaum hat sich in seiner Installation, die derzeit im Casino in Luxemburg gezeigt wird, dieses Themas angenommen. Dem stellt er die Idee des „wearing the world like a loose garment“ gegenüber – also der Empfehlung, die Welt und das Leben als locker sitzenden Anzug zu betrachten. Zusammengenommen ergibt sich so der Titel der Installation „Ride (w/) the Wind“ fast zwangsläufig. Lass` dich auf der Welle treiben aber fahr` dich nicht fest, und vor allem: Konzentriere dich aufs Wesentliche.
Birnbaum lebt und arbeitet in New York. Geboren wurde er 1977 in Dallas, dem titelgebenden Ort, der Fernseh-Serie um die Intrigen des Öl-Kapitalismus, die einmal unsere Wohnzimmer heimsuchte. Aus heutiger Sicht bildet der Künstler dazu schon rein äußerlich einen Gegenentwurf: mit beringtem Nasenflügel und einem Bart, der durchaus auch einem Amish zur Ehre gereichen würde.
Sein Hauptinteresse lag und liegt auf der Interaktion mit dem Zuschauer, daher bildeten Performances, bei denen er oft mit viel Humor zu Werke ging, lange das Zentrum seiner Arbeit. Und auch wenn er den Witz nicht verloren hat, steht er existentiellen Themen spätestens seit „Bureau of Apology“ offen gegenüber.
Im Aquarium des Casinos hat er den geeigneten Ort gefunden, seine Vorstellungen umzusetzen. Das Gebäude nimmt nun die Installation aus neun Räumen auf, die wie auf einem Zeitstrahl hintereinander liegen. Durch versetzt zueinander liegende Zugänge von Raum zu Raum wird diese Geradlinigkeit gebrochen, sodass der Eindruck eines Labyrinths entsteht. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass sich die einzelnen Räume weitgehend gleichen. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Telefon, eine Uhr. Und Bücher, immer in Verbindung mit dem Thema Wind. Dazu kleine Skulpturen und Erinnerungsstücke. Auffällig sind die Markierungen an den Wänden, die an Tagesmarken an einer Zellenwand denken lassen. Der hauptsächliche Unterschied liegt in der Farbgebung der Räume.
Zu den Fragen, die bereits diese Wiederholungen aufwerfen, kommen weitere, die Birnbaum den Besuchern ganz direkt stellt und die ? so seine Empfehlung – von diesen schriftlich beantwortet werden sollen. Sie kreisen um die großen Themen wie das Glück oder die Vorstellung vom Tod, zielen aber auch auf so profane Dinge, wie den Betrag auf dem Bankkonto des Befragten oder darauf, welches das wertvollste von den Dingen war, die er jemals gestohlen hat. Es ist erfrischend, wie locker Birnbaum allein mit dieser Frage provoziert.
Und doch zielt die ganze Installation letztlich „nur“ darauf ab, den Besucher zu ein paar Gedanken anzuregen. Das mag für den einen oder anderen sogar verstörend sein. Einen Besuch ist es in jedem Fall wert. Leider scheint Birnbaum aber etwas zu wenig Vertrauen in die Besucher zu haben – oder zu viel Sorge um sein Kunstwerk – denn zugänglich sind die Fragen nur, wenn der Künstler sich im Hause befindet. Auch wenn das recht oft der Fall ist (wann, erfährt man über die Homepage des Casinos), stellt es doch einen Mangel dar. Nicht dass diese Fragen noch nie gestellt worden wären, aber sie sind zu gut und zu wenig auf der Hand liegend, um sie zu verstecken. Im Grunde machen erst sie die Ausstellung zu einer runden Sache. Das hätte man anders lösen können.
Im Casino, bis zum 1. Dezember.
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