Ein Kommunikations-GAU gleich zu Beginn. Doch Gambia zeigt sich lernfähig.

Eine der Fähigkeiten, die dem frisch gekürten Premier Xavier Bettel von allen Seiten zugestanden werden, ist die, „gut mit den Menschen zu können“. Ein Kommunikationsgenie demnach, sollte man meinen. Doch das am Freitag vergangener Woche unterschriebene Koalitionsabkommen wollte Bettel erst am Tag seiner Regierungserklärung publik machen. „Die Chamber“, so, ganz basisdemokratisch, der Regierungschef in spe, „hat das Recht, als erste zu erfahren, was wir uns alles vorgenommen haben.“
Dass die Regierungserklärung erst unmittelbar vor dem Auftritt des Premiers öffentlich gemacht wird, hat Tradition. Und: Es gilt das gesprochene Wort, will heißen, sogar dieser Text unterliegt der allgemeinen Regel, dass er erst kommentiert wird, wenn er auch wirklich den Wortlaut der Rede wiedergibt. Die parlamentarische Rede und die Reaktionen auf sie gehören tatsächlich zum demokratischen Ritual, das dann zusammen mit den Zwischenrufen und den Repliken des Redners fein säuberlich im Chamberbericht dokumentiert wird.
Enthält das Papier Grausamkeiten, die den eigenen Mitgliedern nicht zugemutet werden?
Koalitionsabkommen hingegen haben nicht einmal den Status eines parlamentarischen Dokuments. Sie bringen den Willen der an der Koalition beteiligten Parteien zum Ausdruck, gemeinsam ein bestimmtes Programm zu realisieren. Es sind die Parteien, die ein solches Abkommen durch eine von ihnen bestellte Verhandlungsdelegation ausarbeiten lassen. Es ist danach an den, in den jeweiligen Statuten vorgesehenen, Gremien dem Endresultat zuzustimmen.
Es mag wohl sein, dass die DP diese Angelegenheit diskreter handhabt – bei LSAP und Déi Gréng jedoch ist es nun einmal der Parteikongress, der diesen, im Prinzip für fünf Jahre geltenden, Schritt vollzieht. Alle dort mit Stimmrecht vertretenen Personen müssen „en connaissance de cause“ ihr Votum abgeben können. Das heißt: Sie brauchen zu einem Zeitpunkt Zugang zum Dokument, der es ihnen erlaubt, die 200 Seiten auch angemessen zu studieren. Alles andere hieße, die Katze im Sack zu kaufen.
Wer aber, wie im Koalitionspapier mehrfach aufgeführt, stärkere Transparenz im politischen Leben verspricht, der sollte über die eigenen Gremien hinaus denken: Auch die breite Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, was in dem zu Ende verhandelten Dokument zurückbehalten wurde. Dass noch ein paar Tage vergehen werden, bis eine saubere Endredaktion vorliegt, ist sicherlich hinnehmbar. Wer aber glaubt, ein Dokument zehn Tage lang geheim halten zu können, das, als Ganzes oder in Teilen, mehreren Dutzend Personen bereits zugänglich gemacht wurde, ist grenzenlos naiv.
Kein Wunder also, dass schon nach drei Tagen die fehlenden Kommata alle gesetzt sind und das Dokument online für alle Welt zur Kenntnisnahme bereitliegt. Die grünen BasismilitantInnen hatten also am Montag ganz umsonst das Luxemburger Verkehrschaos zusätzlich angeheizt, als sie in die Parteizentrale strömten, um dort Einblick in das strenggehütete Dokument zu nehmen. Und der bedauernswerte grüne Fraktionssekretär hätte sich lieber ein erstes freies Wochenende seit den Wahlen gönnen sollen, statt nun ein vollkommen überflüssiges Resümee des Abkommens anzufertigen.
Aber auch aus Sicht der Protagonisten wäre eine wirksame Geheimhaltung letztlich kontraproduktiv gewesen. Wieso will man den eigenen Leuten das Papier vorenthalten? Ist es wirklich so schlecht? Enthält es Grausamkeiten, die den eigenen Mitgliedern nicht zugemutet werden? Sollen Kommentare seitens der „forces vives de la nation“ vermieden werden, die die Beschlussfassung eventuell beeinflussen könnten?
Ein Gutes können wir dieser Episode aber doch abgewinnen: Noch ehe sie im Amt war, hat die neue Regierung ganz anschaulich vorexerziert, dass es fortan nicht mehr möglich sein wird, dieses Land ohne ein Mindestmaß an Transparenz zu regieren.