BOMMELEEËR: Vor dem großen Knall?

Der Bommeleeër-Prozess erfährt eine – kurze? – Unterbrechung, weil neue Verdächtige aufgetaucht sind. Wichtiger wäre indes, zu erfahren, wieso es überhaupt solange dauern muss, um Jahrzehnte alte Erkenntnisse zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verschmelzen.

Als vor mehr als zwei Jahrzehnten ein Journalist einen Informanten mit den Worten zitierte „er kenne keinen Förster, der nicht in krumme Geschäfte verwickelt wäre“, handelte er sich einen jahrelangen Presseprozess ein. Der woxx-Vorgänger GréngeSpoun solidarisierte sich, wie viele andere, mit dem Journalisten, dem fälschlicherweise unterstellt wurde, er habe zum Ausdruck gebracht, alle Förster seien korrupt. Uns kostete die Solidarität zwar ein paar Förster-Abos, doch nach einem langen, kostspieligen Kampf durch sämtliche Instanzen gab der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof dem Journalisten Recht und mahnte an, der Status der Presseschaffenden sollte verbessert werden, um sie etwa vor ruinösen Prozessen zu schützen.

So gesehen dürfte der Bommeleeër-Prozess, mehr noch als der Srel-Ausschuss, die politische Krise im Frühsommer befeuert haben.

Die jüngsten Vorkommnisse im Bommeleeër-Prozess könnten zu ähnlich kompromittierenden Aussagen verleiten, wie die damals zitierten: Ob aus dem inneren Kreis der Polizei- bzw. Gendarmerieführung der 1980er Jahre sowie der Brigade Mobile (BMG) nicht alle irgendwie in die Bommeleeër-Affäre verwickelt waren. Wir werden natürlich nicht so leichtsinnig sein, zu behaupten, es habe zu jener Zeit keinen Flic und keinen Gendarmen gegeben, der nicht auch sein Bömbchen gelegt hätte. Doch dürfte die Entbindung von mindestens drei früheren BMG-Mitgliedern aus dem Zeugenstand, die in den Augen der Staatsanwaltschaft ab sofort als Verdächtige zu betrachten sind, klar machen, dass das Feld der Tatverdächtigen wohl größer ist, als bislang angenommen.

Natürlich ist die Vermutung, Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte hätten sich damals die Aufrüstung ihres Apparates herbeigebombt, nicht erst jetzt entstanden. Doch nun, da weitere Namen ins Spiel kommen, wird einiges plausibler. Zudem wird immer deutlicher, dass der eigentliche Skandal nicht die teils operettenhaft durchgeführten Aktionen waren, sondern die Vertuschungsmaschinerie, die anschließend in Gang gesetzt wurde. „Pech und Schwefel“ hielten zusammen mit der Konsequenz, dass alle Versuche, Licht in die Affäre zu bringen, so lange unterbunden wurden, bis das biologische Gesetz zu dem Resultat geführt hatte, dass wichtige Zeugen und Mittäter nicht mehr befragt oder gar belangt werden konnten.

Tatsächlich schwindet in der Öffentlichkeit mit dem zunehmenden Alter der einstmals jung-dynamischen Protagonisten das Interesse an der personalen Verantwortung für die Attentate. Was hingegen die Spannung steigen lässt, sind die tröpfchenweise durchsickernden Erkenntnisse, wie Staat und Justiz mit der Affäre umgingen. Während Srel-Geschädigte sich in den vergangenen Monaten ganze Nächte um die Ohren schlugen, um sich durch ihre mit Stasi-Akribie erstellten Akten des „Spëtzeldéngscht“ durchzuarbeiten, wurde immer deutlicher, dass über Jahre Beweise, Protokolle und Asservaten aus der Bommeleeër-Affäre gleich kistenweise entsorgt und wichtige Untersuchungen erst gar nicht in Angriff genommen worden sind.

So gesehen dürfte der Bommeleeër-Prozess, mehr noch als der Srel-Ausschuss, die politische Krise im Frühsommer befeuert haben. Die Mischung aus Vertuschung und Druck auf mögliche „Whistleblower“, ihr Wissen für sich zu behalten, um persönliche Nachteile im System zu vermeiden, lagen wie ein schwere Glocke über dem, was man im allgemeinen den CSV-Staat nennt. Genau wie weiland bei den Förstern, geht es keinesfalls darum, einzelne Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe unter Generalverdacht zu stellen. Es gilt vielmehr, ein System zu entlarven, das sich ohne die Förderung oder zumindest Einwilligung der obersten Entscheidungsträger nicht auf so fatale Weise hätte entfalten können.

Bleibt zu hoffen, dass der Prozess nicht ob jetzt auftauchender prozeduraler Unklarheiten zu lange unter- oder gar ganz abgebrochen wird, denn so oder so sitzen auf der Anklagebank – wenn überhaupt – nur Mitläufer.


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