American Teenage Cinema: Von Horror zu Highschool-Humor

Trivial? Von wegen! Die Teenie-Filmklassiker der späten 1970er- und 1980er-Jahre lassen sich nie auf nur eine Weise lesen – das wissen die Filmexpert*innen Julia Rock und Yves Steichen vom CNA. An diesem Samstag, dem 19. Oktober halten sie deshalb einen Vortrag über „Gender und Moral im amerikanischen Komödien- und Horrorkino“.

Ein kultiger Killer: Freddy Krueger. (Foto: Unsplash/Enrique Guzman Egas)

Nicht grundlos beschwören die Netflix-Erfolgsserie „Stranger Things“ oder die Neuverfilmungen des Horrorklassikers „It“ den mit ordentlich Nostalgieglanz besprenkelten 1980er-Flair herauf und stellen dabei Heranwachsende ins Rampenlicht: Teenager*innen und Eighties – eine produktive wie profitable Verbindung, sagt uns die Filmgeschichte. Eine Entwicklung, die sich Ende der 1970er-Jahre mit „Grease“ (1979), „Halloween“ (1978) oder auch „Carrie“ (1978) schon anbahnte, gewann im darauffolgenden Jahrzehnt dermaßen an Schwung, dass man von einer Blütezeit des American Teenage Cinema sprechen kann. In der Folge entstanden viele Teenie-Filme, die heute als Klassiker gelten, zum Beispiel „Fast Times at Ridgemont High“ (1982), „The Breakfast Club“ (1985), „Poltergeist“ (1982) und „A Nightmare on Elm Street“ (1984), in dem der zur Kultfigur aufgestiegene Serienmörder Freddy Krueger seine Opfer in ihren Träumen verfolgt und ermordet.

Doch warum entdeckte die Filmindustrie ab dem Ende der 1970er-Jahre ausgerechnet Heranwachsende für sich? „Aus einer Marketingperspektive wurde erkannt, dass Jugendliche ihr Geld im Kino lassen, besonders, wenn sie sich in den gezeigten Filmen wiederfinden“, erklärt Julia Rock, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Nationalen audiovisuellen Zentrums (CNA). „Zu der Tatsache, dass der Teenager auf einmal als Zielpublikum entdeckt wird, tragen noch zwei Faktoren bei“, ergänzt Yves Steichen, Verantwortlicher des für Recherchen zuständigen „Service Film“ des CNA. Einerseits trug der neu entstandene US-amerikanische Fernsehsender MTV, der Trends für die Jugendkultur setzte, dazu bei, dass Teenager*innen als Konsument*innen wahrgenommen wurden. Andererseits musste sich der Kinobetrieb aufgrund fallender Besucher*innenzahlen in den 1970er-Jahren neu erfinden. Die Konsequenz: Das heute übliche Multiplexkino entstand, ein Großkino mit mehreren Sälen, in denen parallel unterschiedliche Filme gezeigt werden.

Oft war das Kino auch direkt in ein Einkaufszentrum integriert (wie es heutzutage noch zum Beispiel in Esch-Belval der Fall ist) und die sogenannte „Shopping Mall“ war in den 1980er-Jahren ohnehin der Treffpunkt der US-amerikanischen Jugend. „Ein mythischer Ort“, sagt Steichen. „Nicht umsonst spielt die dritte Staffel von ,Stranger Things‘ zu einem Großteil in einem Einkaufszentrum.“

Coming of Age und Sex

Sieht man sich die klassischen Teenager-Filmhits der 1980er-Jahre an, fällt auf, dass es sich dabei vornehmlich um Komödien und Horrorfilme, teilweise auch Horrorkomödien, handelt – allesamt sehr beliebte Genres, die bei aller Unterschiedlichkeit auch zahlreiche Parallelen aufweisen. Zum Beispiel spielen sich die Geschichten an den immer gleichen Schauplätzen ab: die High-School, das Einkaufszentrum, das Sommercamp, die verlassene Hütte im Wald oder das leere Elternhaus, das heißt die, salopp formuliert, sturmfreie Bude. Gegenorte zur Erwachsenenkultur also, in denen gesellschaftliche Regeln und Normen für kurze Zeit außer Kraft gesetzt werden und Teenager*innen außerhalb des Aktionsradius einer erwachsenen Kontrollinstanz agieren können. Dabei geht es oft um das Durchführen von sogenannten „Rites of Passage“, Initiationsriten, die den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenleben kennzeichnen. Erfahrungen mit Drogen sowie – vor allem – erste sexuelle Kontakte stehen während dieser Eskapaden im Mittelpunkt. „Eine neue Darstellung von Sexualität unter Teenagern auf der Leinwand fiel auch mit einem zunehmenden Bewusstsein dafür zusammen, dass das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr bei amerikanischen Jugendlichen immer weiter sank“, schreibt Timothy Shary in „Teen Movies: American Youth on Screen“.

Jugendliche Sexualität wurde dabei auf äußerst ambivalente Weise präsentiert – nicht zuletzt wegen des konservativen politischen Klimas während der Reagan-Ära, das ein puritanisch-prüdes Verhältnis zur Sexualität förderte und in dem die sexuell aktive Jugend somit ein neues Irritationsmoment darstellte. „Ein Film hat immer einen artistischen und einen kommerziellen Anspruch“, erläutert Steichen. „Das bedeutet, dass Filme gedreht werden, die Teenager interessant finden und mit deren Charakteren sie sich identifizieren können.“ Gleichzeitig werde mit der Handlung – bei der die promiskuitive Figur oft getötet oder bestraft werde – auch immer der moralische Zeigefinger erhoben. Die Botschaft laute: „Pass auf, wenn du dich nicht an die Regeln hältst, geschieht etwas Schlimmes.“ Besonders hart treffe es die weiblichen Figuren, die für ihre Freizügigkeit auf besonders radikale Weise abgestraft würden.

Trotzdem wäre es vereinfacht zu sagen, dass die Komödien und Horrorfilme – in den 1980er-Jahren waren es meist Slasher Movies – die Jugend ausschließlich abschrecken wollten. „Die Filme hatten auch immer eine entlastende Funktion“, weiß Steichen. „Die jungen Zuschauer sehen natürlich Teenager, die von einer bösen Entität oder einem Killer ermordet werden, weil sie Alkohol trinken oder miteinander schlafen.“ Zugleich sei diese Bestrafung im Film so drastisch, wie sie in der Realität nie sein könne. Die Zuschauer*innen wüssten, dass es ihnen so schlimm nie ergehen könne, egal was sie täten – eine Erleichterung für die jungen Zuschauer*innen.

Wer Teenie-Filme der späten 1970er- und 1980er-Jahre gesehen hat, wird sie kennen: die Charaktertypen, die selbst heute noch mit beruhigender Verlässlichkeit auftauchen. Sie kommen laut Steichen einer (überzeichneten) Stichprobe der „High School Society“ gleich: der Sportler (Jock), einerseits stark und beliebt, andererseits oberflächlich und arrogant (oft auch dümmlich), die ebenfalls beliebte Cheerleaderin oder Prinzessin aus gutem Hause, die manchmal Züge eines durchtriebenen und frivolen ,mean girl‘ trägt, der intelligente, aber sozial unbeholfene Nerd oder Stoner und zu guter Letzt die introvertierte, schüchterne und geistreiche Außenseiterin (oft ohne sexuelle Vorerfahrung), die in Gruselfilmen oft als einzige überlebt, indem sie den Bösewicht überlistet und ihn mit seinen eigenen Waffen schlägt. Sie wird damit zum „Final Girl“, einem bekannten Begriff der Filmtheorie, der 1992 von der Forscherin Carol J. Clover eingeführt wurde.

Filmische Archetypen

„In den 1970ern ändert sich der Fokus von einem extrem männlichen Idol zu einem weiblichen“, sagt Rock. Dass das mit dem die Geschlechterrollen betreffenden gesellschaftlichen Wandel zu tun, liegt auf der Hand. Gerade das „Final Girl“ weist als Archetypus eine markante Dualität auf; durch ihre Darstellung werden Geschlechterverhältnisse zur gleichen Zeit zementiert und infrage gestellt. Sie beweist Mut, emanzipiert sich von weiblichen Rollenbildern, die das Verletzliche, Hilflose an der Frau herausstellen, und übertrumpft als tapfere Kämpferin den männlichen Täter. Gleichzeitig ist sie auch oft diejenige, die jungfräulich ist beziehungsweise weniger Interesse an Sexualität zeigt, anderen Menschen mit Zurückhaltung begegnet, sich nicht allzu sehr um ihr Äußeres kümmert und doch attraktiv ist.

Es ist letztlich auch diese Ambivalenz, die Komödien und Horrorfilme aus den späten 1970ern und 1980ern so ergiebig für Analysen macht. Dass diese filmischen Werke keinesfalls banal sind und mehrere Deutungen zulassen, möchten Steichen und Rock bei ihrem Vortrag zu „Gender und Moral im amerikanischen Komödien- und Horrorkino“ am morgigen Samstag, dem 19. Oktober hervorheben. „Wir reden ja eigentlich über Filme, welche die meisten kennen“, sagt Rock. „Was für das Publikum aber interessant ist, ist, dass wir diese Filme aus einer neuen Perspektive heraus betrachten.“ So werde klar, dass keine einseitige Lesart dieser Klassiker existiere. „Es geht auch darum, zu zeigen, dass etwas, worüber man vielleicht erst die Nase rümpfte, interessanter und tiefgründiger ist, als man zuvor glaubte.“

Der Vortrag „Gender und Moral im amerikanischen Komödien- und Horrorkino“ ist Teil der Vorlesungsreihe „Talking Pictures“. Diese richtet sich an die breite und filminteressierte Öffentlichkeit. Die Vorträge, die bis Dezember stattfinden, kreisen dieses Jahr um das zentrale Thema des Coming-of-Age. Der Vortrag zu „Gender und Moral im amerikanischen Komödien- und Horrorkino“ findet an diesem Samstag, dem 19. Oktober um 10 Uhr im CNA (1b, rue du Centenaire) in Düdelingen statt. Der Eintritt ist kostenlos. Auf der Website www.cna.public.lu finden Sie alle wichtigen Informationen zu den kommenden Veranstaltungen.


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