Backcover: Giulia Thinnes

Im Mai präsentiert die Fotografin Giulia Thinnes ihr Projekt „It’s easier for me like that“ auf den Rückseiten der woxx. Im Interview teilt sie die Geschichte hinter dem vermeintlich positiven Titel.

Giulia Thinnes ist Fotografin und macht zur Zeit ihren Abschluss an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. Seit 2016 ist sie außerdem Teil des Luxembourg Streetphoto Collective. (Copyright: Giulia Thinnes)

woxx: Giulia, beginnen wir mit dem Titel Ihrer Fotoserie: Worauf bezieht sich der Satz „It’s easier for me like that“?


Giulia Thinnes: Der Titel ist eine Aussage, die so wortwörtlich im Austausch mit einer meiner Töchter gefallen ist. Sie resümiert darüber hinaus die Lebensverhältnisse, in denen ich mich derzeit befinde.

Auf was spielen Sie an?


Ich bin trans und habe vor zehn Jahren die entsprechenden Operationen vornehmen lassen. Der Ausgangspunkt meiner Serie ist also meine Transition, mit der meine Kinder im Jugendalter unterschiedlich umgehen. Ihre bisher teilweise starken Reaktionen waren nicht nur positiver Natur, was nachvollziehbar ist.

Warum nachvollziehbar?


Die Kinder müssen selbst einen Umgang mit dem Thema finden. Der Satz „It’s easier for me like that“ ist in einer Diskussion mit einer meiner Töchter gefallen, in der es unter anderem um ihren Umgang mit meiner Transition ging, auch in Bezug auf die Thematisierung davon in ihrem Freundeskreis. Gleichzeitig könnte der Titel auf mich bezogen sein. Generell möchte ich mit dem Titel aber auch offenlassen, worum es geht. Jede Person soll hineinlegen, was zu ihrer Situation passt.

Auf den ersten Blick fällt einem nicht auf, dass es bei der Serie um trans Menschen geht.


Mir ist es nicht wichtig, dass das Thema erkennbar ist. Es braucht keine plakative Fotografien, bei deren Betrachtung sich das Publikum sofort denkt: „Oh, hier geht es um eine trans Person.“

Warum der Kontrast zwischen dem zuversichtlichen Titel und den düsteren Motiven?


Es war keine Absicht, einen Kontrast zwischen den Fotos und dem Titel herzustellen. Ich möchte an der Stelle erwähnen, dass es sich bei der Serie um Auszüge aus meinem Abschlussprojekt an der Berliner Ostkreuzschule für Fotografie handelt – es gibt demnach mehr Material als das, was ich in der woxx zeige. Manche Fotos sind Momentaufnahmen, andere habe ich bewusst inszeniert, wie etwa die Aufnahme mit dem Torso. Ich stelle jedoch fest, dass es vor allem die düsteren Fotos in meine engere Auswahl geschafft haben. Sie gefallen mir ästhetisch betrachtet besser und sie spiegeln eher meine Lebensrealität.

„Für mich sind Fotos, 
die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, 
die spannendsten.“

Inwiefern?

Ich persönlich habe den Eindruck, dass bei der Darstellung von trans Personen oft die positiven Aspekte überwiegen. Das ist zweifelsfrei wichtig, doch ich wollte nicht ausblenden, dass es auch negative Momente gibt, etwa die, in denen Beziehungen zu Menschen, die ich liebe, leiden.

Wie kam die Serie zustande?


Ich habe vor sechs, sieben Jahren zum ersten Mal darüber nachgedacht, meine Transition in Bildern aufzuarbeiten. Das war ein amateurhaftes Projekt. Später habe ich trans Personen für Porträts kontaktiert. Als ich mein Fotografie-Studium aufgenommen habe, ist das Thema in den Hintergrund gerückt. Außerdem wurde in Deutschland eine Zeit lang viel darüber diskutiert und ich hatten den Eindruck, ich könnte mit meinen Fotos nichts Neues zur Debatte beitragen. Im Zuge meiner Abschlussarbeit kam die Idee wieder auf, doch ich wusste nicht, wie ich es angehen soll. Irgendwas fehlte. Ich habe eine Zeit lang fotografiert, ohne mir ein Thema zu setzen. Als ich dann vor zwei, drei Monaten mein Material gesichtet habe, ist mir bewusst geworden, dass alle Motive meinem Alltag entnommen sind, und somit auch einen Bezug zu meiner Lebenssituation, also indirekt auch der Transition, haben. Im Gesamtprojekt ist zudem ein Teil mit Archivfotos aus meiner Kindheit, der Zeit vor der Transition und mit Fotos aus meinem Alltag vorgesehen.

Zählen queere Menschen zu Ihrer Zielgruppe, da diese oft in Ihrer Porträtfotografie auftauchen?


Teils teils, würde ich sagen. Einerseits ist das dem Umstand geschuldet, dass viele der Porträts in Berlin entstanden sind und der Anteil queerer Menschen dort deutlich höher ist, als in Luxemburg. Andererseits achte ich als Fotografin auf Menschen, die besondere Merkmale aufweisen. Das trifft auf alle Menschen zu, denn unabhängig vom Alter, der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung und so fort, kann eine Person interessant wirken. Allerdings würde ich behaupten, dass der Anteil in queeren Kreisen höher ist, als in der Gesamtbevölkerung.

Achten Sie bei deren Darstellung auf etwas besonderes?


Es ist immer wichtig die Menschen nicht auf diskriminierende, herabwürdigende Weise zu porträtieren. Das gilt für alle, ich mache da keine Unterschiede. Die Gefahr, dass ein Foto in dem Sinne interpretiert werden könnte, ist bei marginalisierten Personen jedoch höher. Für mich ist klar, dass ich misslungene Fotos nicht zeige und die Würde der abgelichteten Menschen jederzeit respektiere. Ich versuche ihre Authentizität festzuhalten; auf vielen Fotos schauen sie mit neutralem Gesichtsausdruck in die Kamera. Mir geht es nicht darum, Menschen auf ein Podest zu erheben und aus der Ferne zu betrachten. Ich will sie zeigen, wie sie sind.

Welches ist Ihr Lieblingsfoto in 
„It’s easier for me like that“?


Es ist schwer, nur eins auszusuchen …

Es können auch mehrere sein.


Vielleicht ist das mit dem Torso mein Favorit. Nicht, weil ich darauf zu sehen bin, sondern weil es die Thematik der Serie gut zusammenfasst: Es geht um den weiblichen Körper, auch um seine Idealisierung. Da ich eine trans Frau bin, passt das gut. Doch auch jenes mit dem Eis im Aschenbecher zählt zu meinen Lieblingsfotos. Das liegt vor allem daran, dass es sich um ein zufälliges Motiv handelt, das mir in der „Ënneschtgaass“ aufgefallen ist. Ich finde es cool, wenn ich unerwartet auf absurde Kompositionen treffe. Für mich sind Fotos, die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, die spannendsten.

Welches Thema möchten Sie als nächstes in Ihrer Fotografie aufgreifen?


Ich würde in den kommenden Jahren gerne eine Europareise machen und unterwegs alles fotografieren, was mir vor die Linse kommt. In Luxemburg schwebt mir ein Projekt vor, bei dem urbane Landschaften, Dörfer und Porträts der Bewohner*innen im Mittelpunkt stehen. Es wäre spannend Menschen aus den unterschiedlichsten Ortschaften zu fotografieren – nicht im Studio, sondern bei ihnen zuhause, auf der Straße, wo auch immer sie sich zu dem Zeitpunkt aufhalten. Zuerst muss ich allerdings mein Abschlussprojekt hinter mich bringen!


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