Earth Speakr: Kinderstimmen zu Umweltproblemen

Das partizipative Kunstprojekt „Earth Speakr“ gibt Bäumen und Plastikmüll eine Stimme: die von Kindern und Jugendlichen. Was sie zu sagen haben und warum das Projekt in Sachen Anonymität und Technik nachrüsten muss.

Das Kunstprojekt „Earth Speakr“ setzt auf junge Stimmen und Computeranimationen: Was sagen Kinder und Jugendliche zu Plastikmüll und der Abholzung der Regenwälder? (Copyright: Olafur Eliasson, Earth Speakr, 2020)

Plastikmüll kann sprechen. Tischplatten aus Holz, Plüschtiere und Spülseife auch. Das stimmt nicht? Und ob – zumindest im Online-Kunstprojekt „Earth Speakr“. Hinter der Plattform stecken der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson und das Goethe Institut. Die Idee: Kinder und Jugendliche zwischen sieben und siebzehn Jahren geben dem Planeten ihre Stimme, um auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Das passt zum Zeitgeist, immerhin wurden im letzten Jahr besonders Jugendliche auf den Straßen gegen eine lasche Klimapolitik laut. Zugegeben, so politisch wie die weltweiten „Youth for Climate“-Bewegungen sind die Videobeiträge auf der Plattform nicht. Das Projekt ist auch keine Ausstellung im Sinne von „Hier sind die Kunstwerke, hier die passenden Begleittexte – viel Spaß damit“. Es ist eine partizipative, offene, digitale, audiovisuelle Kunstschau.

„Earth Speakr“ hält bunte Seifenblasen und eine interaktive Weltkarte bereit. Draußen zeigt die App „Loud Speakrs“ und „Earth Speakrs“-Nachrichten. An markierten Stellen können die Nutzer*innen die Kamera auf die entsprechenden Gegenstände halten und via „Augmented Reality“ live und vor Ort die passende Videonachricht abspielen. Wer auf die bunten Bläschen drückt, gelangt auf der Website und der App zum Projekt zu den einzelnen Videobeiträgen. Die User*innen können vom Schreibtisch aus eine Weltreise unternehmen, denn die Seifenblasen sind quer über den Globus verteilt: Es gibt unter anderem Videos aus verschiedenen Ecken Europas, aus Südamerika und Australien. Luxemburg ist auch vertreten, wenn auch nur mit wenigen Beiträgen, wie etwa einem aus Bissen. „Ich wollte immer eine riesige Dschungelpflanze werden und dass ein Affe auf mir lebt, aber leider werden die Regenwälder jetzt abgeholzt“, bedauert dort eine Topfpflanze mit Gesicht. Mit Gesicht? Ja, denn per App werden abgefilmte Gegenstände und Naturmaterialien animiert. Sie verpasst ihnen Augen, einen Mund und eine Nase, die sich zur Stimme der Sprecher*innen bewegen.

Die Technik funktioniert leider nicht immer. Manche Animationen sind verrutscht, in anderen Beiträgen sind Menschen im Biergarten erkennbar. Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendliche die App unter Aufsicht einer erwachsenen Person nutzen. Auf der Website heißt es, dass die Identität der Benutzer*innen anonymisiert und geschützt ist. Wenn die Technik spinnt oder die Filmer*innen mit ihrem Handy einen Computerbildschirm ablichten, in dem sich hinter dem Avatar dann doch ihr Gesicht spiegelt, ist dieser Schutz nur noch bedingt gegeben. Hochgeladene Beiträge lassen sich zudem nicht löschen, aber immerhin bei unpassendem Inhalt melden.

Was nervt: Erwachsene geben trotz explizitem Hinweis darauf, dass es ein Projekt für Minderjährige ist, ihren Senf dazu. An sich werden Erwachsene nur dazu aufgerufen, die Beiträge zu teilen. Es gibt dennoch einige Beiträge reifer Stimmen, die unmöglich von Kindern stammen können. Beim Herunterladen der App wird das Alter nicht überprüft. Selbst wenn keine Interaktion zwischen den Benutzer*innen möglich ist, sorgt das für ein mulmiges Gefühl: Offensichtlich werden unpassende Inhalte nicht unmittelbar entfernt.

Das erklärt allerdings, warum sich unter den vorwiegend amüsanten Videos mit wichtigen Aussagen auch Quatsch-Aufnahmen tummeln. Ein partizipatives Projekt bringt diese Gefahr immer mit sich, die könnte aber durch den minimalen Eingriff von Kurator*innen verringert werden. Außerdem wäre es schön, wenn die in jeder denkbaren Landessprache hochgeladenen Beiträge irgendwo übersetzt würden. Viele Nachrichten bleiben Menschen, die nicht mehrsprachig sind, andernfalls verwehrt.

Für Kinder und Jugendliche, die zuhause nicht auf ein Smartphone zurückgreifen können oder die eine Behinderung haben, gibt die Projektwebsite Tipps zur Teilnahme, wie etwa den Rückgriff auf die Geräte und Hilfe von Freund*innen sowie öffentlicher Institutionen. Der Grundgedanke des Projekts – die umweltpolitischen Belange von Kindern und Jugendlichen hör- und sichtbar zu machen – ist schön, auch wenn an der Umsetzung noch gefeilt werden muss. Das Projekt verweist aber nicht zuletzt auf die wichtigen Verknüpfungen zwischen Technik und Kunst, Kunst und Politik, Politik und Jugend.

Earth Speakr. Partizipatives Online-Kunstprojekt. Ende unbekannt, abrufbar 
via https://earthspeakr.art/en. 
Die App „Earth Speakr“ ist kostenlos für iOS und Android verfügbar.

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