Hatte sich Heinz Strunk noch letztes Jahr mit „Der Goldene Handschuh“ an dem berüchtigten Serienmörder Fritz Honka abgearbeitet und der Hamburger Unterwelt der Säufer und der Verzweifelten ein Denkmal gesetzt (das übrigens von Fatih Akin verfilmt wird), so geht es nun in „Jürgen“ doch etwas beschaulicher zu. Allerdings nur an der Oberfläche, denn die Geschichte des Jürgen Dose, der ein ganz armer Wurm ist, ist gespickt mit Alltagsbeobachtungen zwischen Hoffnung und Sarkasmus, in denen sich die Lieblosigkeit unserer Leistungsgesellschaft spiegelt. Denn die Liebe ist es, was Jürgen sucht, aber als unattraktiver Mittvierziger wohl kaum finden wird – zumal da er eine halbdemente und sehr besitzergreifende, paranoide Mutter pflegen muss und sein bester Freund ein etwas hinterhältiger Rollstuhlfahrer ist. So nimmt Strunk den Leser mit auf den Leidensweg Doses, eine unendliche Folge von peinlichen Flirtversuchen, Selbsttäuschungen, Klagen über angeblich verpasste Gelegenheiten und katastrophale Misserfolge. Vom Spiegel-Kritiker als „zu normal“ abgewatscht ist „Jürgen“ eben genau das: Ein Buch über Menschen, die zwar auch in einer Reality-Soap bei RTL2 sitzen könnten, sich aber noch an das bisschen Würde klammern, das sie davon abhält. Und – nebenbei – ein verdammt witzig geschriebenes Buch.
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