Im Kino: Decision to Leave

Mit seinem neuen Film liefert Park Chan-wook einen ungewöhnlich humorvollen Neo-Noir, der auch ohne große Schockmomente zu begeistern weiß.

Hae-joon und Seo-rae sind überwältigt von ihren Gefühlen füreinander. (Fotos: © Filmcoopi)

Als am Fuß eines Bergs eine Leiche gefunden wird, kommt etwas Schwung in den Arbeitsalltag des von Schlaflosigkeit geplagten Kriminalbeamten Hae-joon (Park Hae-il). Kurz zuvor hatte er seinem Arbeitskollegen So-wan (Go Kyung-pyo) gegenüber noch die niedrige Anzahl an Mordfällen in Busan beklagt. Die Spur führt schnell zur Witwe des Verstorbenen, die sehr viel jüngere, als Altenpflegerin arbeitende chinesische Migrantin Seo-rae (Tang Wei). Ist sie so unschuldig wie sie vorgibt? Je mehr der Ermittler über die Verdächtigte herausfindet, desto weniger ist er an der Aufklärung des Mordes interessiert. Daran ändert sich auch nichts, nachdem ein Mann, den Seo-rae späterhin heiratet, ebenfalls tot aufgefunden wird.

Anders als es zunächst scheint, ist der neue Film des südkoreanischen Filmemachers Park Chan-wook kein typischer Who-dunnit: Nicht die potenziell kriminellen Taten von Seo-rae stehen in „Decision to Leave“ im Fokus, sondern Hae-joons Gefühle für sie.

Selbst nachdem Seo-rae als Verdächtige ausgeschlossen wird, spioniert er diese ihm so mysteriös erscheinende Frau weiterhin aus. Besonders geschickt geht er dabei nicht vor: Immer wieder ertappt sie ihn dabei. Nur stört es sie nicht, dass sie beobachtet wird. Fast scheint sie sich vor dem Moment zu fürchten, in dem der Ermittler ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenken könnte.

Für einen Mystery-Film enthält „Decision to Leave“ auffallend wenige Schockmomente und Wendungen. Damit unterscheidet er sich deutlich von Parks vergangenen Werken wie „Oldboy“ (2003) und „The Handmaiden“ (2016). „Decision to Leave“ ist für einen Film Noir zudem ungewöhnlich humorvoll. Dies ist in der ersten Hälfte vor allem Hae-joons Arbeitskollegen zu verdanken. Dadurch werden die Zuschauer*innen unablässig daran erinnert, den Film nicht allzu ernst zu nehmen und sich stattdessen der kunstvollen Ästhetik und Film-Noir-Elemente zu erfreuen.

Obwohl „Decision to Leave“ den Zuschauer*innen mit seinen vielen Figuren und den immerzu wechselnden Schauplätzen und Zeitebenen viel abverlangt, fällt die Spannung nie ab. Das ist vor allem der Kreativität von Inszenierung und Schnitt zu verdanken. Manche Einstellungen bestechen durch ihre Schönheit, wie etwa eine aus der Vogelperspektive gefilmte nächtliche Spurensuche im Wald, andere durch ihre eigenartige Qualität, wie etwa die Perspektive einer am Boden liegenden Leiche, über deren Augen Ameisen krabbeln.

Realismus strebt Park dabei nicht an. Eine oberflächliche Vorführung seines Könnens aber ebenso wenig. Die sorgfältig eingesetzten Stilelemente tragen einerseits zur angespannten Atmosphäre bei, andererseits visualisieren sie das Innenleben der Figuren. Wenn der Ermittler Seo-rae beobachtet, wird er als direkt neben ihr stehend dargestellt. Damit soll die Intensität solcher Momente hervorgehoben werden. Mal verschmelzen Bilder ineinander, mal doppeln sich die Figuren in spiegelnden Flächen, mal wird mittels einer Naheinstellung unsere Aufmerksamkeit auf eine scheinbar unwichtige Geste gelenkt. Wer auf das Lesen der Untertitel angewiesen ist, wird unweigerlich einige dieser Details verpassen.

Nicht weniger wichtig als die Filmart, sind moderne Technologien. Smartphones und Smartwatches werden jedoch nicht nur eingesetzt, um Informationen zu vermitteln, sondern auch um deren Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen zu verdeutlichen.

Was als Krimi beginnt, entpuppt sich als Charakterstudie zweier sich ineinander verliebende Menschen. Dieser Fokus wird auch schon durch den Titel angedeutet. Der Hauptprotagonist ist nämlich mehr oder weniger glücklich verheiratet. Doch ist das, was er mit Hae-joon hat, Grund genug, um seine Ehe zu beenden?

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Bewertung der woxx : XXX


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