Im Kino: „Furiosa: A Mad Max Saga“

Der neue Film von George Miller ist Actionkino vom Feinsten. Im direkten Vergleich mit „Mad Max: Fury Road“ – es handelt sich hier immerhin um das Prequel – werden die Schwächen allerdings offensichtlich.

Erst in der zweiten Hälfte von „Furiosa: A Mad Max Saga“ bekommen wir die erwachsene von Anya Taylor-Joy gespielte Hauptfigur zu sehen. (Bildquelle: Warner Bros.)

Fantasievoll aufgemotzte Fahrzeuge, dystopisches Ödland, spektakuläre Attacken bei Hochgeschwindigkeit – die Bildsprache, die man gemeinhin mit Mad Max-Filmen assoziiert, ist einzigartig. Der australische Filmemacher George Miller ist dafür bekannt, jahrelang am Setdesign und an den Stuntchoreografien seiner Filme zu feilen. Egal, in welche Ecke der Leinwand man schaut, überall gibt es ein liebevoll geschaffenes Detail zu entdecken. In Zeiten, in denen C.G.I.-überflutete Hollywood-Blockbuster meist weder gut aussehen noch sich wesentlich voneinander unterscheiden, liefern „Mad Max“-Filme eine willkommene Abwechslung. Allen voran der 2015 erschienene „Fury Road“ ist nicht nur Actionkino vom Feinsten, sondern auch ein Meisterwerk des visuellen Erzählens.

Die Messlatte für „Furiosa: A Mad Max Saga“ hätte kaum höher liegen können. Fast zehn Jahre nach dem Erscheinen von „Fury Road“ feierte dieser kürzlich bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes Weltpremiere. Wenige Tage später folgte der internationale Kinostart. Um den der Franchise ihren Titel gebenden Max ging es auch schon in „Fury Road“ nur noch peripher, nun taucht er quasi gar nicht mehr auf. Der neue Film erzählt nämlich die Vorgeschichte der Figur Furiosa. In „Fury Road“ war sie die treibende Kraft hinter der Handlung: Mithilfe eines Riesenlastwagens schmuggelte sie eine Gruppe von Frauen aus der Gefangenschaft des Kriegsführers Immortan Joe. Das Ziel: das „Green Place“, ein paradiesähnlicher Ort, aus welchem Furiosa als Kind entführt worden war.

„Furiosa“ beginnt denn auch an genau diesem Ort. Der Kontrast zum üblichen Setting von „Fury Road“ könnte kaum größer sein. Denn eine Ölkrise gefolgt von einem Atomkrieg haben die Zivilisation in ihren Grundfesten erschüttert. Auf dem Erdball wächst kaum noch etwas, der Kampf um die knappen Ressourcen ist erbarmungslos. Im „Green Place“ ist das anders: Die Natur wuchert nur so vor sich hin, die matriarchisch organisierte Bevölkerung lebt in Frieden. Doch eines Tages wird der Ort von einer Biker-Gang entdeckt, die noch junge Furiosa (als Kind: Alyla Browne, als Erwachsene: Anya Taylor-Joy) entführt und fortan von Kriegsführer Dementus (Chris Hemsworth) gefangen gehalten. „Furiosa“ erzählt vom Überlebenskampf der Hauptfigur und ihren Bestrebungen, die brutale Ermordung ihrer Mutter zu rächen.

Ähnlichkeiten und Unterschiede

In „Furiosa“ bleibt Miller der visuellen und auditiven Ästhetik von „Fury Road“ treu. Auch diesmal sind die größtenteils handgemachten Stunts wieder atemberaubend und innovativ. Miller ist es wichtig, dass bei jedem Sprung, jeder Explosion, jedem Wurf oder Schuss, die Gesetze der Physik berücksichtigt werden und sich das Visuelle und Auditive optimal ergänzen. Das Filmerlebnis wird dadurch umso immersiver. Auch ist wieder viel Aufwand in die Gestaltung der Setausstattung und Darsteller*innen-Kostüme geflossen. Jeder Gegenstand, jedes Vehikel, jede Infrastruktur weist Gebrauchsspuren auf. Auch den Menschen, die die Welt von „Mad Max“ bewohnen, kauft man die jahrzehntelangen Hungersnöte, Epidemien und Bürger*innenkriege ab, die Hygienestandards sind niedrig, vielen Figuren fehlen Körperteile. Was die Gestaltung lebender und lebloser Objekte angeht, scheint Millers Kreativität schier unerschöpflich. Den Film auf einer möglichst großen Kinoleinwand zu sehen, lohnt sich.

(Bildquelle: Warner Bros.)

Dramaturgisch unterscheiden sich die beiden Filme allerdings stark voneinander. Es ist durchaus nachvollziehbar: Statt zu versuchen, die unmöglich hohe Messlatte von „Fury Road“ zu erreichen, hat Miller mit „Furiosa“ einfach einen gänzlich anderen Film gemacht. Statt einer wenige Schauplätze umfassenden Momentaufnahme gibt es diesmal ein Jahrzehnte übergreifendes Epos. Dass Miller hier ein Prequel liefert, ist für seine Herangehensweise eher untypisch. Bisher hing die Handlung von „Mad Max“-Filmen eher lose zusammen, an Kontinuität war der Filmemacher nur mäßig interessiert. Damit bricht Miller nun.

In „Fury Road“ wird ein absolutes Minimum an Hintergrundinformationen über die Figuren vermittelt, gerade so viel, dass man der Geschichte folgen kann. Um in die Geschichte einzusteigen, muss man nicht wissen, dass Max einst ein Polizist war und seine Ehefrau und Tochter von einer Biker-Gang ermordet wurden – beides erfährt man im ersten „Mad Max“-Film von 1979. Was in „Fury Road“ angedeutet wurde, wird in „Furiosa“ visualisiert. Leider trägt dies nicht zu einem besseren Verständnis der Figur bei. Auch in „Fury Road“ war klar, dass die Protagonistin einen langen Leidensweg hinter sich hatte – ihr Körper und ihre Handlungen sprachen Bände darüber. Uns diesen Leidensweg zu zeigen, wäre demnach nicht nötig gewesen.

Ulkiger Bösewicht

Diese Schwäche ist allerdings verzeihlich im Vergleich zu einer sehr viel bedeutenderen: dem zentralen Bösewicht, Dementus. Für einen „Mad Max“-Film redet er ungewöhnlich viel – wieso, wird nie ganz klar. Die Figur nimmt gegenüber anderen viel zu viel Raum ein. Das ist vor allem deshalb so bedauernswert, weil er damit der Hauptfigur die Show stiehlt – der einzigen weiblichen Figur im Film. „Fury Road“ hob sich vor allem deshalb positiv von anderen, ähnlichen Produktionen ab, weil er die weibliche Perspektive sowie geschlechtsspezifische Gewalt thematisierte. Die Erwartungen an „Furiosa“ waren entsprechend hoch, nur findet man in diesem Teil nichts davon vor. Daran ist nicht primär Dementus schuld, seine Präsenz hilft allerdings auch nicht. Seine ulkige Art verhindert zudem, dass man ihn als ebenbürtigen Kontrahenten Furiosas erlebt. Mit 148 Minuten ist dieser „Mad Max“-Film eindeutig zu lang geraten, bei der Figur Dementus hätte man kürzen müssen.

Dass „Furiosa“ im Schatten von „Fury Road“ stehen würde, war abzusehen. Für sich alleine stehend ist der Film unterhaltsam und visuell ansprechend, im direkten Vergleich – und dieser drängt sich dadurch, dass es sich um ein Prequel handelt, unweigerlich auf – werden jedoch flagrante Schwächen erkennbar. Nichtsdestotrotz: „Furiosa“ ist einer der besten Actionfilme der letzten Jahre.

Siehe auch die Podcastfolge „Um Canapé mat der Furiosa“.


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