In der Cinémathèque: La passion de Dodin Bouffant

Für seinen neuen Film benutzt Regisseur und Drehbuchautor Trần Anh Hùng nur wenige Zutaten, das Ergebnis ist dennoch ein purer Genuss.

In den Augen von Dodin gibt es keine bessere Köchin als Eugénie. (© Frenetic Films)

Man sollte sich „La passion de Dodin Bouffant“ am besten nicht mit leerem Magen ansehen, denn während eines Großteils des Films wird gekocht: Soßen, Suppen, Eintöpfe, Desserts – es gibt scheinbar nichts, das nicht zum Repertoire von Köchin Eugénie (Juliette Binoche) zählt. In der Küche steht sie selten alleine: Sowohl die Magd Violette Galatéa Bellugi, deren Nichte Pauline (Bonnie Chagneau-Ravoire) als auch ihr Arbeitgeber, der wohlhabende Gourmet Dodin (Benoît Magimel), sind da, um ihr unter die Arme zu greifen.

Premiere feierte der lose auf einem Roman von 1924 des Schweizer Autors Marcel Rouff basierende „La passion de Dodin Bouffant“ vor einem Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes. Obwohl er dort auf positive Reaktionen stieß, schaffte er es nie in die Luxemburger Kinos. Umso erfreulicher, dass die Cinémathèque ihn nun im Rahmen ihrer Ciné-Culinaria-Reihe zeigt.

Der Streifen von Filmemacher Trần Anh Hùng spielt nicht etwa in einem Sternerestaurant; der Schauplatz von „La passion de Dodin Bouffant“ ist sehr viel intimer, persönlicher. Gekocht wird nämlich in der Privatküche von Dodins Anwesen. Es ist das Jahr 1885. Was heutzutage von Pürierstab oder Mixer geleistet wird, machen Eugénie und ihre Gehilf*innen per Hand. Konzentration und Präzision sind hier ebenso gefordert wie physische Kraft und Ausdauer. Geduldig fängt die Kamera jede Etappe von Eugénies aufwändigen Rezepten ein: Wie Flüssigkeiten von einem Behälter in einen anderen umgefüllt, Zwiebeln angebraten, Gerichte mit frischen Kräutern angereichert werden. Die Vorbereitungen für die Essenszubereitung fangen bereits in den frühen Morgenstunden im üppigen Gemüsegarten an, wo es gilt, die Zutaten fürs Mittagessen zu ernten. Und wenn im Film nicht gekocht oder gegessen wird, dann wird meist darüber nachgedacht beziehungsweise geredet. Bei den zahlreichen Kochszenen handelt es sich nicht um Plansequenzen; dadurch, wie lang und detailreich sie sind, fühlen sie sich jedoch so an. Am Ende einer Kocheinheit hat man das Gefühl, selbst einige Stunden mit einem perfekt eingespielten Team von Köch*innen verbracht zu haben.

Über das Verhältnis der Figuren zueinander erfahren wir erst nach und nach etwas. Es stellt sich heraus, dass Eugénie bereits seit 20 Jahren für beziehungsweise mit Dodin kocht. Wie es dazu kam, dass er nun stets mit ihr in der Küche steht, obwohl er sich auch einfach nur bekochen lassen könnte, erfahren wir nicht. Auch viele andere Details kommen nicht zur Sprache. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander interagieren, verrät uns alles, was wir wissen müssen.

Liebe geht durch den Magen

Nicht nur in der Küche sind Eugénie und Dodin auf einer Wellenlänge, sondern auch darüber hinaus. Im Grunde sind sie ein romantisches Paar, auch wenn sie diese Kategorisierung wohl kaum für sich benutzen würden. Von der Beziehung zwischen den beiden geht der Reiz von „La passion de Dodin Bouffant“ aus. So ästhetisch die zahlreichen Kochsequenzen auch sind, was berührt, ist das, was die Figuren darin implizit kommunizieren. Tagtäglich ist Dodin von Eugénies Fähigkeiten begeistert, nie nimmt er ihre Anwesenheit für selbstverständlich. Eugénie ihrerseits kocht jeden Tag mit dem gleichen Elan, der gleichen Liebe zum Detail. Es hätte immer so weitergehen können, wäre da nicht die undefinierte Krankheit, die Eugénie eines Tages befällt.

„La passion de Dodin Bouffant“ wirkt, als sei er aus der Zeit gefallen. Die Handlung ist so unterkomplex, dass man auch zur Schlussfolgerung kommen könnte, es gäbe überhaupt keine. Wir sehen eine Momentaufnahme aus dem Leben einer Gruppe von Menschen, die eines eint: ihre Liebe für gutes Essen. Das trifft ebenso auf die Köch*innen zu, wie auf diejenigen, die das zubereitete Essen anschließend verzehren dürfen. Was wir zu sehen bekommen, erinnert stärker an eine Traumwelt, als dass hier ein naturalistisches Bild der Lebensumstände im 19. Jahrhundert vermittelt würde. Wir erfahren nichts über die politische Situation, die Figuren leben in einer Blase, in welcher nichts anderes existiert als Gourmetgerichte und in der ihnen alles Erdenkliche zur Verfügung steht, um diese genau so zuzubereiten, wie sie es wünschen.

Die Substanz des Films ist letzten Endes das Gefühl, mit dem er die Zuschauer*innen zurücklässt. Die Prämisse mag simpel sein, die Ausführung ist trotzdem – vielleicht aber auch gerade deswegen – exquisit.

Am 27. Juni um 20 Uhr in der Cinémathèque.

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