Iran: Atom-Sanktionen wieder in Kraft

von | 10.10.2025

Wegen anhaltender Verstöße des islamischen Regimes in Teheran gegen das Wiener Atomabkommen sind die 2015 ausgesetzten UN-Sanktionen wieder in Kraft getreten. Nun droht der Iran mit dem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag.

Demonstration iranischer Oppositionsgruppen unter dem Motto „ Nein zum Appeasement – Nein zum Krieg” im Juni in Berlin: Im Hintergrund eine aufblasbare Puppe des Obersten Führers des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, der eine Atombombe in den Händen hält. (Foto: EPA/HANNIBAL HANSCHKE)

Die früheren UN-Sanktionen gegen den Iran, die mit dem Wiener Atomabkommen von 2015 (JCPOA) ausgesetzt worden waren, sind am 28. September in vollem Umfang wieder in Kraft getreten. Das ist das Ergebnis des sogenannten Snapback-Verfahrens, einer 30-tägigen Frist, bis zuvor ausgesetzte Sanktionen wiedereingesetzt werden können; das Verfahren hatten drei Unterzeichnerstaaten des JCPOA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, meist als „E3“ bezeichnet, am 28. August in Gang gesetzt. Betroffen sind davon vor allem Öl- und Gasgeschäfte, finanzielle Transaktionen und eine Menge von Firmen und Einzelpersonen aus dem Umfeld der iranischen Revolutionsgarden.

Die Zeitspanne von 30 Tagen gab dem Iran Gelegenheit, sich um eine weitere Aussetzung der Sanktionen zu bemühen. Diese hätte im UN-Sicherheitsrat eine Mehrheit finden müssen, ein Veto war hier nicht möglich. Alles, was schließlich zustande kam, war eine Beschlussvorlage, mit der Russland und China eine Fristverlängerung für den Iran erreichen wollten. Der Antrag wurde im Sicherheitsrat mit neun zu vier Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Dafür stimmten neben Russland und China noch Algerien und Pakistan, dagegen Dänemark, Frankreich, Griechenland, Panama, Sierra Leone, Slowenien, Somalia, Großbritannien und die USA. Guayana und Südkorea enthielten sich. Damit wurde das JCPOA-Abkommen nach zehnjähriger Dauer außer Kraft gesetzt. Es geschah zum letztmöglichen Zeitpunkt: Die im JCPOA verankerte Berechtigung, bei unüberbrückbaren Differenzen den Snapback-Mechanismus auszulösen, wäre am 18. Oktober abgelaufen.

In der Debatte schloss sich der russische UN-Botschafter der offiziellen Position des Iran an. Der Snapback sei ungerechtfertigt und „illegal“, die Initiatoren des Snapback hätten sich nicht an die im JCPOA vorgesehenen Regeln zur Schlichtung von Differenzen gehalten. Der Vertreter Chinas warnte vor einer Eskalation des Konflikts und vor einer Vertiefung der Spaltung in der sogenannten Weltgemeinschaft.

Die E3 stellten in einer gemeinsamen Erklärung fest, der Iran habe wiederholt gegen seine Verpflichtung verstoßen, den ausschließlich friedlichen Charakter seines Atomprogramms zu gewährleisten. Er habe die im JCPOA festgelegten Höchstmengen an angereichertem Uran um das 48-fache überschritten. Seine Vorräte seien der Kontrolle durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) mittlerweile vollständig entzogen. Die Menge an hoch angereichertem Uran reiche aus, um ungefähr zehn Atomwaffen herzustellen. Dafür gebe es keine wie auch immer geartete zivile Rechtfertigung. „Kein anderes Land ohne Atomwaffenprogramm reichert Uran in diesem Umfang und in dieser Größenordnung an“, stellt die Erklärung fest.

„Der Iran hat keinerlei glaubwürdige zivile Rechtfertigung für seine Vorräte an hochangereichertem Uran. Kein anderes Land ohne Atomwaffenprogramm reichert Uran in diesem Umfang und in dieser Größenordnung an.“ Gemeinsame Erklärung der E3 zum Iran.

Noch vor der Entscheidung hatte es eifrige Versuche gegeben, in letzter Minute einen Aufschub zu erreichen. Dazu hatten die E3 Bedingungen gestellt, von denen sie dieses Mal nicht abwichen. Es müsse offengelegt werden, wo sich die 409 Kilogramm Uran befänden, die der Iran vor den Militärschlägen Israels und der USA zu 60 Prozent angereichert hatte. Die Überwachung durch die IAEA müsse in vollem Umfang wiederhergestellt werden und der Iran müsse direkte Verhandlungen mit den USA aufnehmen.

Die Teheraner Regierung antwortete wie üblich mit einem „Ja, aber“. Man sei grundsätzlich bereit, die Bedingungen zu erfüllen, aber dazu müsse ein neues Abkommen ausgehandelt werden, wofür man sehr viel Zeit benötige. Auch die USA beteiligten sich hinter den Kulissen der jüngsten UN-Vollversammlung rege an der Suche nach einem Kompromiss. Es gab die Ankündigung, dass der Iran und die USA offizielle Verhandlungen aufnehmen wollen, doch das soll angeblich daran gescheitert sein, dass US-Präsident Donald Trump eine gemeinsame Pressekonferenz und ein gemeinsames Foto mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi gefordert habe. Dazu habe sich der iranische Diplomat nicht durchringen können, gelten die USA dem Iran doch als erklärter Todfeind.

Nach der Abstimmung im Sicherheitsrat bekam man dann deutlichere Worte zu hören. Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian sagte, die USA hätten die Herausgabe sämtlicher Bestände an angereichertem Uran verlangt. Diese Forderung empfinde er als Demütigung – und nicht etwa als Selbstverständlichkeit nach einem verlorenen Krieg. Was das nahezu waffentaugliche Uran betrifft, behauptet der Iran nun, es liege unter dem Schutt der bombardierten Anlagen von Natanz und Fordo begraben.

Im Gegensatz dazu hatte der frühere Führer der Revolutionsgarden, Mohsen Rezai, wenige Tage vor Kriegsbeginn erklärt, das Material sei in Sicherheit gebracht worden. Die IAEA war von der Regierung in Teheran sogar offiziell informiert worden, dass man „besondere Maßnahmen“ zum Schutz der nuklearen Ausrüstungen und Materialien getroffen, das heißt, sie beiseitegeschafft habe.

Derweil bereitet eine Gruppe von Abgeordneten des iranischen Pseudoparlaments einen Gesetzentwurf zum Austritt des Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag vor, der es Ländern, die über kein Nukleararsenal verfügen, verbietet, an solche Waffen zu gelangen. Diese Abgeordneten argumentieren, der Sperrvertrag biete dem Iran keine Vorteile mehr, daher könne man ohne weiteres aussteigen.

Mit aller Macht versucht das Regime, soziale Unruhen im Keim zu ersticken.

Das ist ein schwerer Irrtum, denn ein Ausscheiden wird nach Lage der Dinge wohl so verstanden werden, dass der Iran wie seinerzeit Nordkorea einen Atomwaffentest in Angriff nimmt. Die iranischen Beteuerungen, die Nukleartechnik nur zu zivilen Zwecken zu betreiben, wären endgültig widerlegt. Der Austritt aus dem Sperrvertrag würde den letzten Beweis erbringen, dass die iranische Mitgliedschaft in der Internationalen Atomenergieorganisation nur ein Mittel zum Zweck war: nämlich die technologischen Voraussetzungen für ein Programm zu meistern, das in Wirklichkeit von Anfang an dazu dienen sollte, Atommacht zu werden.

Davon ist der Iran nach dem Zwölftagekrieg im Juni weit entfernt. Seine Nuklearanlagen sind schwer beschädigt, viele Führungskräfte nicht mehr am Leben. Insofern wirkt die Drohung mit dem Austritt aus dem Sperrvertrag eher hilflos. Das Atomprogramm des Regimes ist zwar nicht am Ende, wie Trump und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu im Sommer triumphierten, aber es ist zum Scheitern verurteilt.

Denn die wiedereingesetzten Sanktionen verbieten den traditionellen Zulieferern des iranischen Atomprogramms aus dem Westen, bei den Reparaturen der beschädigten Anlagen Aufträge zu übernehmen. Die Iraner müssten also beim Wiederaufbau ihrer Urananreicherung russische oder chinesische Technik verwenden. Dann würden die neuen Schrauben nicht in die alten Fassungen passen und die Iraner müssten wohl alles abschreiben, wofür sie in den vergangenen drei Jahrzehnten einen irrsinnigen Aufwand betrieben haben. Anders gesagt: alles zweimal bezahlen und das Ziel trotzdem nicht erreichen.

Mit der Ankündigung des Snapback ist die iranische Währung auf den niedrigsten je registrierten Kurs zum US-Dollar gefallen. Bei einem Austritt aus dem Sperrvertrag dürfte sich der Wertverlust weiter beschleunigen. Mit aller Macht versucht das Regime, soziale Unruhen im Keim zu ersticken. Seit dem Zwölftagekrieg läuft eine Verhaftungswelle gegen vermeintliche israelische Spione, Todesurteile werden gefällt, afghanische Migranten abgeschoben, Minderheiten wie die Bahai-Gemeinde noch stärker drangsaliert. Die Opposition, allen voran die Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“, steht unter enormem Repressionsdruck.

Detlef zum Winkel ist Physiker und Publizist. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Atompolitik.

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