Eine Perle kurdischer Musik
Seit vielen Jahren ist Aynur die ganz große kurdische Sängerin. 2004 führte ihr Album „Keçe Kurdan“ zu heftigen Reaktionen bei türkischen Nationalist*innen, die ihr unterstellten, zum bewaffneten Kampf aufzurufen. Weitere Anfeindungen zwangen die Sängerin, die sich stets für die kurdischen Interessen eingesetzt hat, die Türkei in Richtung Westeuropa zu verlassen. Jetzt ist ihr insgesamt achtes Album mit dem Titel Rabe (kurdisch für „Steh auf“) erschienen, das unter anderem Eigenkompositionen, traditionelle Weisen wie auch ein Stück des bedeutenden alevitischen Barden Pir Sultan Abdal enthält. Die Größe der Sängerin zeigt schon das erste Stück des Albums mit ihrer ergreifenden Deklamation eines Gedichtes des legendären, 1913 verstorbenen kurdischen Dichters Evdalê Zeynikê. In ihrem großen Ensemble erklingt neben Bass, Schlagzeug, Streichern und Bläsern auch die traditionelle Tenbur-Laute, die Aynur selbst spielt. Zudem hört man auf zwei Stücken die Pipa-Laute der berühmten Chinesin Wu Man, während der Pianist Franz von Chossy hier und da auch jazzige Tupfer hinzufügt. Dieses Album zeigt von Anfang bis Ende die Klasse dieser herausragenden Sängerin und steht zu Recht oben in den beiden Weltmusikcharts.
Aynur – Rabe – Dreyer Gaido
Klezmer und mehr
Dobranotch ist ein Ensemble, das eigentlich in Sankt Petersburg zu Hause ist, sich aber vor über 25 Jahren in Frankreich gegründet hat. Der Überfall auf die Ukraine veranlasste den Kopf der Band Mitia Khramtsov, zusammen mit anderen Mitgliedern nach Deutschland zu ziehen. Der musikalische Kern dieser Gruppe ist die Musik der osteuropäischen Jüdinnen, der Klezmer. Aber schon früh hatte Dobranotch ein offenes Repertoire, so auch auf dem aktuellen Album Vander ikh mir lustik. Neben Klezmerstücken, die in einem Fall aus der Ukraine stammen und die auf Jiddisch gesungen werden, sind Melodien aus den Karpaten, Georgien, Serbien und von den Rom*nja verarbeitet worden. Sie alle passen bestens zusammen. Die Besetzung besteht aus Tuba, Pauke, Banjo, Cimbalom, Akkordeon und wird von der Geige und der Klarinette angeführt. In Zeiten, die wenig Anlass zur Freude geben, ist diese Platte in ihrer Beschwingtheit geradezu widerständig – nach dem Motto „Trotz alledem“. Das ist ein ganz feines Album einer erstklassigen Truppe, die im Klezmer zu Hause ist, aber keine Scheuklappen kennt.
Dobranotch – Vander ikh mir lustik – CPL Music
McCallas Stilmix
Auf dieser Platte mischen sich verschiedene Stile, die von Leyla McCalla miteinander verbunden werden. Manche kennen sie von ihrer Mitwirkung bei Carolina Chocolate Drops oder vom Frauentrio Our Native Daughters; nun aber hat sie ihr fünftes Soloalbum im Angebot. Ihre Eltern stammten aus Haiti und sie lebt heute in New Orleans. Sie spielt Cello, Gitarre und Banjo und singt mit einer Stimme, die über ein unverwechselbares Timbre verfügt. Schon zuvor hat sie in ihren Liedern Benachteiligung und Unterdrückung verarbeitet. Für die neue Platte Sun Without The Heat hat sie sich von Schriften Schwarzer Feministinnen inspirieren lassen. Bisher war ihre Musik geprägt von haitianischen Klängen und Americana/Folk-Einflüssen. Das ist auch jetzt noch zu spüren, aber brasilianische Samba-Elemente und Afrobeat treten hinzu und bringen ihre Songs auf ein Level, das bisher so nicht bei ihr zu hören war. Besonders interessant ist, dass sie sich diesmal von entspannten akustischen Stücken aus auch in rockige Experimentalsphären vorwagt. Eine spannende Platte, deren musikalisches Zentrum stets die besondere Stimme McCallas bleibt. Im November in der Luxemburger Philharmonie!
Leyla McCalla – Sun Without the Heat – ANTI-
Marokko-Rock
Wie man nordafrikanische Musik mit Rock verbinden kann, ohne die Bodenhaftung zu verlieren, zeigt das Ensemble Bab L’Bluz. Die überwiegend französische Gruppe wird geleitet von Brice Bottin sowie der Sängerin und Multiinstrumentalistin Yousra Mansour, die marokkanische Wurzeln hat. Eine herausragende Rolle spielen traditionelle nordafrikanische Instrumente wie die Awisha-Laute. Diese wird, wie auch die Gimbri-Laute, elektrisch verstärkt, wobei letztere als Bassinstrument zusammen mit den Drums einen wuchtigen Schub erzeugt. Auch die arabische Ney-Flöte ist zu hören. Die moderne algerische Rai-Musik, die nicht nur in Frankreich mit Stars wie Khaled großen Anklang fand, ist weitgehend in der Versenkung verschwunden, aber diese Gruppe hier bringt nordafrikanische Klänge wieder auf die Tagesordnung zurück. In den Texten des vierten Albums der Band, Swaken (Besessenheit), geht es um Solidarität, Toleranz, die Bekämpfung von Sexismus sowie die Unterstützung der indigenen Bevölkerungsgruppen in Nordafrika, die dort bereits vor der arabischen Expansion lebten und weiterhin leben und als Amazigh oder Berber bezeichnet werden. Die Musik klingt weniger, wie der Name der Gruppe nahelegt, nach Blues, sondern zeigt bei den meisten Stücken treibenden Rock auf Basis der Musik des Schwarzen Bevölkerungsteils in Marokko, der Gnawa, und erinnert bisweilen an die Weltmusik-Pioniergruppe Dissidenten. Absolut hörenswert!
Bab L’Bluz – Swaken – Real World Records
Transglobal World Music Chart Juli – Top 20
1. Ali Doğan Gönültaş · Keyeyî · Mapamundi Música
2. Bab L‘ Bluz · Swaken · Real World
3. The Zawose Queens · Maisha · Real World
4. Bassekou Kouyate & Amy Sacko · Djudjon, l‘Oiseau de Garana · One World
5. Huun-Huur-Tu, Carmen Rizzo & Dhani Harrison · Dreamers in the Field · Dark Horse / BMG
6. Asmaa Hamzaoui & Bnat Timbouktou · L‘Bnat · Ajabu!
7. Aynur · Rabe · Dreyer Gaido
8. Olcay Bayir · Tu Guli · ARC Music
9. Aziza Brahim · Mawja · Glitterbeat
10. Dobet Gnahoré · Zouzou · Cumbancha
11. Sam Lee · Songdreaming · Cooking Vinyl
12. Ahmed Moneka · Kanzafula: Afro-Iraqi Sufi Soul · LulaWorld
13. Quintet Bumbac · Héritages · Collectif Çok Malko
14. Kiran Ahluwalia · Comfort Food · Six Degrees
15. A Cantadeira · Tecelã · Repasseado
16. Tarwa N-Tiniri · Akal · Atty
17. Atanda · Ọ̀mọ̀nílẹ̀, Son of the Soil · One World
18. Barcelona Gipsy balKan Orchestra · 7 · Satélite K
19. Dario Muci · Talassa · Zero Nove Nove
20. V.A. · Congo Funk! Sound Madness from the Shores of the Mighty Congo River (Kinshasa / Brazzaville 1969-1982) · Analog Africa
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