„Quartier 3“ nennt sich die Neuauflage eines Experiments, das anfangs in der hauptstädtischen „Galerie Bradtke“ veranstaltet worden war. Diesmal findet es aber in Esch/Alzette in einem populären Viertel statt.
Nein, es war nicht der Sieg der Benfica, der am letzten Freitagabend den Menschenauflauf, ein paar hundert Meter vom Bahnhof der Minette-Metropole entfernt, verursacht hat – es war eine Vernissage. Ungewohnt für dieses Viertel, das vor den Pforten des Escher Neudorfs liegt und dessen Einwohner wohl nur sehr selten die luxemburgische Künstlerboheme vor der Haustür zu sehen kriegen. Das Projekt „Quartier 3“ wurde von dem einheimischen Künstler – und ehemaligen linken Stadtrat – Théid Johanns ins Leben gerufen, der auch schon in der „Galerie Bradtke“ ausgestellt hat. Als er hörte, dass ein seit einiger Zeit leerstehendes Haus, das schon fast hundert Jahre auf dem Buckel hat, nun einem Promoter zum Fraß vorgeworfen werden soll – wie so oft in solchen Fällen, wird die Fassade als einziges erhalten bleiben – rief er das Projekt ins Leben. Denn wie stets in den letzten Jahrzehnten geht es in Luxemburg darum, Freiräume zu schaffen, die anders kaum verfügbar wären. Nicht ohne Grund betitelte das „Luxemburger Wort“ seinen Artikel zu „Quartier 3“ mit „Es muss nicht immer das Mudam sein“…
Da alle KünstlerInnen und ihre Werke hier zu beschreiben ein Ding der Unmöglichkeit ist, sollen nur ein paar der Schöpfungen vorgestellt werden, die im Haus Nummer 3 der „Rue Quartier“ in Esch zu bestaunen sind. Am besten fängt man im Garten an, wo Eric Mangen sich auf den Hauswänden der hinter dem eigentlichen „Quartier 3“ liegenden Gebäude ausgetobt hat: Sie ziert jetzt ein übergroßes Schlangentattoo. Im Erdgeschoss kann man unter anderem das Zimmer von Désirée Wickler – die ein gespenstisches Szenario mit einem Damoklesschwert von Justyna Knoeke geschaffen hat, sehen. Und, in der ehemaligen Küche, Anne Lindners in Zusammenarbeit mit Joël Nepper entstandene Installation „Room 101“, sowie Nora Wagners Raum, die sich dem Zusammenspiel verschiedener räumlicher Wahrnehmungen verschrieben hat. Aber auch Marc Soissons sehr poetisch verformtes Zimmer verdient die ganze Aufmerksamkeit, die es dem Publikum abfordert. Etwas schlichter geraten ist Mikka Heinonens Raum, der jedoch mit minimalem Einsatz maximalen Effekt erreicht. Das Treppenhaus und verschiedene Türen wurden von Jo Malano und Julien Hübsch neu interpretiert und verstärken die Erwartung, hinter jeder Tür ein neues Universum zu entdecken.
Im ersten Stockwerk erwartet die Besucher ein ganz in Melancholie getauchter Zimmer, kreiert von einem „Anfänger“, dem Fotografen Emile Hengen, der sich hier zum ersten Mal an eine Rauminstallation gewagt hat. Etwas weiter findet man auch Sergio Sardellis Skulpturen, die zwar im Kontrast zu dem bisher Gesehenen etwas klassisch anmuten, trotzdem aber perfekt mit der Atmosphäre harmonieren. Hier, in der ersten Etage, liegt auch das Badezimmer, das von Altmeister Théid Johanns in seinem typischen Stil mit kreischenden Neonfarben und geschwungenen Formen aufgemotzt wurde. Auch der zweite Stock punktet mit Highlights, wie den Schmetterlingsraum der Künstlerin Sandra Biewers, und noch vieles, vieles mehr.
Wer jetzt meint, „Quartier 3“ setze auf Masse statt Klasse, irrt gewaltig. Auch wenn nicht alle Installationen gleichwertig sind und sich die Geschmäcker sicher unterscheiden – die Ausstellung spiegelt die Vielfalt und Lebendigkeit einer Szene wider, die auch im so infrastrukturreichen Großherzogtum immer noch nach Aufmerksamkeit suchen muss.
Noch an den beiden nächsten Wochenenden (22. bis 24. Mai und 29. bis 31. Mai) geöffnet, jeweils von 14 Uhr bis 22 Uhr.
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