Auf der Brüsseler Keramikmesse „Ceramics Brussels“ werden dieses Wochenende wieder zahlreiche Keramikkunstwerke präsentiert – darunter eine Installation der Luxemburgerin Letizia Romanini. Ein Gespräch mit der Künstlerin über Inspirationsquellen, kreative Prozesse und vermeintliche Banalitäten.

Letizia Romanini lässt sich bei ihrer kreativen Arbeit vor allem von ihrer Neugierde leiten. Dabei betritt sie gerne Neuland, was Techniken und Materialien angeht. (© Maurine Tric)
woxx: Frau Romanini, was inspiriert Sie?
Letizia Romanini: Mich inspiriert der Alltag, das, was mich umgibt. Kleinigkeiten, die einem vielleicht gar nicht mehr auffallen, weil man, wie heutzutage üblich, in einer großen Hektik gefangen ist und über Social Media mit Bildern förmlich bombardiert wird. Mit meiner Kunst versuche ich, eine Pause einzulegen und mir diese vermeintlichen Nichtigkeiten genau anzusehen.
Und wie spiegelt sich das in Ihrer Kunst wider?
Das ist ganz unterschiedlich, denn ich passe mein Schaffen immer dem an, was ich in dem Moment ausdrücken möchte. Oft arbeite ich mit einer Ansammlung von eigentlich alltäglichen Objekten, die durch die Veränderungen ihres Materials, ihrer Größe oder ihrer Menge einen anderen Sinn bekommen und so eine neue Geschichte erzählen können. Bei einem meiner letzten Projekte fotografierte ich zum Beispiel Bäume und Blumen, die an sich nichts Besonderes hatten – und doch können wir nicht wissen, wie lange diese Pflanzen noch banal sind, immerhin erleben wir gerade das sechste Massenaussterben. Es geht bei meiner Kunst darum, auf diese Dinge aufmerksam zu machen.
Viele Ihrer früheren Werke thematisieren den Lauf der Zeit, Vergänglichkeit und Beständigkeit. Erforschen Sie diese Themen auch weiterhin?
Meine Werke haben immer einen Bezug zur Zeit und ähneln in gewisser Weise einem Protokoll. Auch wenn mir das am Anfang eines Projekts nicht immer auffällt, haben meine Arbeiten oft etwas mit sich wiederholenden Gesten zu tun. 2021 habe ich zum Beispiel eine Wanderung entlang der Luxemburger Grenzen gemacht, daraus entstanden ein Buch und meine erste größere Soloausstellung in der Düdelinger Galerie „Nei Liicht“. 2023 arbeitete ich dann an den Werken, die auf der „Ceramic Brussels“ gezeigt werden sollen – sie sind sozusagen eine Sammlung vergessener Gesten.
Können Sie das genauer erklären?
Es geht um die Kritzeleien auf den Blättern und Notizblöcken, auf denen man Kugelschreiber oder Bleistifte in Geschäften ausprobieren kann. Das ist eine Écriture automatique, man überlegt nicht lange, sondern schreibt einfach etwas innerhalb von zwei Sekunden hin. Diese Papiere habe ich gesammelt, um Handgriffe, die zwar keine Geschicklichkeit erfordern, aber doch mit einem gewissen technischen Können und einer körperlichen Intelligenz zu tun haben, in Skulpturen aus Metall und Keramik zu transponieren.
Sie kreieren Skulpturen, Installationen, Gemälde und Fotografien – heißt kreativ sein für Sie auch vielseitig sein?
Ich denke schon. Vor Kurzem hat man mir in einem Interview die Frage gestellt, was meine Spezialität sei. Ich antwortete: Keine zu haben. Ich bin sehr neugierig und möchte immer neue Dinge lernen, deswegen springe ich vom Siebdruck in der Fotografie auf die Keramik und von der Keramik auf das nächste. Ich habe Lust, unterschiedliche Materialien kennenzulernen. Wenn ich verstehe, wie Dinge gemacht sind, verstehe ich auch meine Umgebung besser.
Gibt es denn Materialien, die Sie bevorzugen?
Zu Beginn arbeitete ich mehr mit Textilien und Fäden, das hat sich aber geändert. Ich kann nicht sagen, dass ich dieses oder jenes Material lieber mag. Das, was ich wirklich liebe, ist zwischen ihnen zu wechseln.

Die Galerie Reuter Bausch präsentiert Letizia Romaninis Installation „Black Doodles“ auf der Keramikmesse in Brüssel. (© Letizia Romanini, 2022)
Was reizt Sie daran, Keramikkunst herzustellen?
Das hat mit der Covid-Pandemie zu tun. Alles schien wie eingefroren, niemand konnte mehr ins Atelier gehen. Ich hatte damals das Bedürfnis, unter Einsatz meines ganzen Körpers mit einem Material zu arbeiten. Deswegen kollaborierte ich mit meinem Vater, der Automechaniker ist. Aus den Kritzeleien, die ich gesammelt hatte, stellten wir Metallskulpturen her. Dabei lernte ich, Metall eine Form zu geben, zu löten, zu schweißen, zu lackieren. Von den hergestellten Formen wurden Gipsabdrücke gemacht und aus diesen entstanden 2021 dann meine ersten Lehmarbeiten.
Wie viel Zeit vergeht zwischen der Idee und dem fertigen Kunstwerk?
Es kann sein, dass ich vor zehn Jahren eine Idee hatte und plötzlich macht es Klick und ich beginne, die Idee umzusetzen – weil ich merke, dass ich das passende Material oder die passende Form gefunden habe, sodass Inhalt und Form sich in einem Gleichgewicht befinden. Dieser Prozess kann aber auch nur eine Woche dauern. Es gibt kein Rezept.
Was erhoffen Sie sich von Ihrer Teilnahme an der Keramikmesse „Ceramic Brussels“?
Mich freut es einfach, dass ich damit eine größere Sichtbarkeit bekomme und die Skulpturen endlich das Atelier verlassen. Sie wurden vorher noch nie einem Publikum gezeigt. Ich erwarte mir natürlich auch die Möglichkeit zu netzwerken.
Sie wirken ja vor allem in Straßburg und Luxemburg – haben Sie sich an beiden Orten schon ein tragendes Netzwerk aufgebaut? Ist Ihnen der Kontakt zu anderen Kunstschaffenden wichtig?
Der Kontakt zu anderen Kunstschaffenden ist mir unglaublich wichtig. In Straßburg bin ich bereits Teil des Kollektivs CRIC, das 22 Mitglieder zählt. In Luxemburg darf ich eines der Ateliers in Verlorenkost benutzen, die von der Association des artistes plasticiens du Luxembourg betrieben werden. In den Gebäuden arbeiten ungefähr 40 Menschen – ich bin sehr froh, Teil einer Gruppendynamik sein zu dürfen und Menschen zu begegnen, die mir Feedback geben können. Es ist schön, dass man, wenn man einem Problem bei seiner Arbeit begegnet, darüber reden und gemeinsam Lösungen finden kann.
An was arbeiten Sie im Augenblick?
Bis nächste Woche bin ich noch mit der Messe beschäftigt. Für Anfang Juli ist dann eine Ausstellung in der Escher Konschthal geplant. Dort werden Werke von vier jungen Luxemburger Künstler*innen gezeigt, nämlich von Jeremy Palluce, Julien Hübsch, Claudia Passeri und mir. Jeder kann dort ein eigenes Thema ausarbeiten und weiterentwickeln. Ich werde die Recherche, die ich für meine erste Soloausstellung gemacht habe, weiterverfolgen, das heißt, es wird mit Fotos von Pflanzen und Unkraut zu tun haben. Wer mehr erfahren will, muss dann die Ausstellung besuchen (lacht).
Ceramic Brussels ist die weltweit erste internationale Kunstmesse, die ausschließlich zeitgenössischer Keramik gewidmet ist. Vom 22. bis 26. Januar präsentieren über 60 Galerien und Institutionen aus 15 Ländern moderne Keramikkunst in den Hallen des Kultur- und Veranstaltungsorts Tour & Taxis in Brüssel.
Letizia Romanini, 1980 in Esch-sur-Alzette geboren, ist eine luxemburgische Künstlerin, die durch ihre vielseitige Arbeit mit verschiedenen Medien bekannt ist. Ihre künstlerische Präsenz erstreckt sich weit über Luxemburg hinaus und umfasst unter anderem Einzelausstellungen in vier europäischen Ländern: Österreich, Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Derzeit lebt und arbeitet Letizia Romanini in Straßburg, wo sie auch studierte. Mehr Informationen auf: www.romaniniletizia.com