Im Rahmen der multimedialen Ausstellung Eders im städtischen Mudam reizt der deutsche Künstler die Mehrdeutigkeit des Begriffs „psychic“ aus und droht damit die BesucherInnen in den Wahnsinn zu treiben.
Martin Eder gilt als „Meister des schlechten Geschmacks“ und ist für eine ganz eigene subversive Art des Kitschs bekannt. Im Namen der Kunst vergreift er sich gerne an Kätzchen, Hasen, Pudeln und regelmäßig auch an jungen Mädchen – nur zur Motivfindung, versteht sich. Nun hat der bekennende Atheist sich einem Thema gewidmet, das, wenn ihm auch Kitsch nicht fremd ist, doch einiges mehr an Sprengkraft impliziert. Der gebürtige Augsburger lässt nämlich einen Konfettiregen aus Elementen von religiöser Symbolik, Esoterik und Paranormalem auf die BesucherInnen niedergehen.
Der englische Begriff „psychic“ kann übersetzt Medium bedeuten, ebenso steht er aber auch für Adjektive wie seelisch, übernatürlich oder spiritistisch. Der Fokus liegt demnach auf einem Verlassen des Gewohnten, des Vertrauten. In dieser Atmosphäre des Unberechenbaren fordert Martin Eder mit acht im Mudam erstmals gezeigten Videoinstallationen sowie 14 Gemälden nicht nur die Analysefähigkeit, sondern auch die Psyche der BetrachterInnen heraus. Wer einen gemütlichen Spaziergang durch seine Ausstellung erwartet, wird erschrecken. Eder konfrontiert, und das mit boshaftem Vergnügen.
Schon im Foyer des Mudam schallen einem bedrohliche, verzerrte Klänge entgegen. Nachdem man den ersten Ausstellungsraum betreten hat, muss man sich zunächst in der Dunkelheit zurechtfinden. Die sehr laut aufgedrehte dissonante Musik wirkt keineswegs sammelnd und einstimmend, sondern schafft Orientierungslosigkeit. Mit etwas Glück nimmt man dann nicht neben, sondern auf einer kleinen Bank vor dem ersten großen Bildschirm Platz. Die junge, bleiche Frau im bewegten Bild nuckelt am kleinen Finger, von der Hand baumelt ein Rosenkranz. Die Frau wirkt abwesend und doch präsent. Sie ist voll und ganz da, aber doch nicht dort, wo man sich selbst befindet. Sie stiert und starrt, scheint von irgendetwas anderem geleitet oder gar getrieben, das man im kleinen dunklen Raum nicht erfassen kann.
Die Ölgemälde, die man nebst dem Videomaterial in einem helleren Zwischenraum betrachten kann, wirken ebenfalls unheilschwanger. Die von Fotos abgezeichneten, dann in Aquarelltechnik weiterbearbeiteten und abschließend mit Ölfarbe übermalten Portraits, meist von halbnackten Frauen, wirken allein aufgrund der Farbwahl (z.B.: pink, lila) oder auch der Ikonographie (Engelsflügel) auf den ersten Blick kitschig. Dennoch wohnt ihnen eine gewisse Kälte inne. Seiner eigenen Aussage nach belebt der ehemalige Meisterschüler Bosslets mit Vorliebe an sich zeitlose Körper mit Bedeutung, die jedoch niemals ein-, ja nicht einmal nur zweideutig ist.
Auf einem anderen Bildschirm tritt eine weitere junge Frau in Erscheinung. Sie irrt umher, kann nicht verweilen. Vom Aussehen her könnte man beide Frauen für Berliner Hipster halten, die sich aus Omas Kleiderkiste bedient haben. Aufgrund des tranceartigen Blicks macht der bis oben zugeknöpfte, fast schon kindlich wirkende Stil aber irgendwie Angst. Denn was unter dieser ach so reinen Oberfläche schlummert, verheißt nichts Gutes. Beide Figuren scheinen konstant von etwas Unbestimmtem magisch angezogen.
Die kurzen Videos, die unter anderem Titel wie „Exorcism“, „False Monarchy“ oder „Ceremony“ tragen, wurden im Rahmen einer spiritistischen Seance aufgenommen. Eder, der für Performances auch gelegentlich als Hypnotiseur fungiert, spielt aber mit den Zuständen nicht nur der Gezeigten, sondern auch der Betrachtenden. Er lässt ein Chaos der Symbolik entstehen und stellt damit die Vision der Realität eines jeden einzelnen in Frage. Wer auf beiden Seiten des Bildschirms den Weg aus dem Labyrinth finden wird, bleibt abzuwarten.
Bis zum 3. September im Mudam.
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