Pakistan: Bündnispflege in Islamabad

Pakistan steckt in einer finanziellen und innenpolitischen Krise, es droht ein Staatsbankrott. Die USA versuchen, ihre Beziehung zu dem Land wieder zu verbessern, auch um dessen wachsender wirtschaftlicher Abhängigkeit von China entgegenzuwirken.

Protestaktion am vergangenen Sonntag in Lahore: Unterstützerinnen des ehemaligen pakistanischen Premierministers Imran Khan demonstrieren gegen die steigende Inflation und die Politik der aktuellen Regierung unter Shehbaz Sharif, die sie als aus dem Ausland gestützt bezeichnen. (Foto: EPA-EFE/Shahzaib Akber)

Das Geld hat Pakistan dringend benötigt. Am Donnerstag voriger Woche gab die staatliche „Chinese Development Bank“ (CDB) die Vergabe eines Kredits über 700 Millionen US-Dollar an das von einer schweren finanziellen Krise gebeutelte Pakistan bekannt. Insgesamt 130 Milliarden US-Dollar betrugen die pakistanischen Auslandsschulden Ende vergangenen Jahres, 30 Milliarden davon schuldet es China oder chinesischen Banken.

Wie die Staatsbank von Pakistan (SBP) kürzlich vermeldete, musste Pakistan von Juli bis Dezember vergangenen Jahres 10,21 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst – also Tilgungs- und Zinszahlungen – aufbringen, davon zwei Drittel allein während der letzten drei Monate 2022. Im zweiten Halbjahr 2021 hatte Pakistan nur sechs Milliarden US-Dollar an Zinsen und Tilgung an seine Gläubiger zu zahlen. Jetzt fiel diese Summe in einem Quartal an. Da verwundert es nicht, dass die staatlichen Devisenreserven zuletzt auf 3,2 Milliarden US-Dollar sanken – das reicht noch, um Importe für drei bis vier Wochen zu finanzieren. Pakistan droht die Zahlungsunfähigkeit bei seinen in US-Dollar bestehenden Auslandsschulden.

Die pakistanische Regierung hofft auf die nächste Kreditrate des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar. Jüngste Verhandlungen sollen zwar Fortschritte gebracht haben, jedoch noch keine Einigung. Die Inflation liegt derzeit bei 38,4 Prozent gemessen am Vorjahr. Noch deutlich höher fällt die Teuerung bei Lebensmitteln und vielen Waren des täglichen Bedarfs aus, was vor allem jene am stärksten belastet, die ohnehin jede Rupie zweimal umdrehen müssen. Um den Auflagen des IWF nachzukommen, hat die Regierung Mitte Februar die Steuern auf Öl und Gas erhöht. Die Benzinpreise stiegen dadurch um 8,9 Prozent, für Diesel müssen 6,5 Prozent mehr als zuvor bezahlt werden. Auch das häufig zum Betrieb von Kochstellen verwendete Kerosin verteuerte sich um 6,8 Prozent. Zudem wurde die Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 18 Prozent angehoben.

Kaum ein halbes Jahr ist es her, dass infolge der starken Monsunregenfälle zeitweise ein Drittel Pakistans überflutet war. Die Kosten der zerstörten Infrastruktur und wirtschaftlichen Schäden hat die Regierung kürzlich bei einer UN-Konferenz mit 16 Milliarden US-Dollar beziffert. Verschärft wird die wirtschaftliche Krise außerdem durch den starken Anstieg der Energiepreise und eine Stromversorgungskrise. Das alles trifft ein politisch zerrissenes Land, das von Machtkämpfen in den Provinzen sowie Anschlägen der einheimischen Taliban (TTP) und des regionalen Ablegers des „Islamischen Staats“ (IS) geplagt wird.

Kaum ein halbes Jahr ist es her, dass infolge der starken Monsunregenfälle zeitweise ein Drittel Pakistans überflutet war.

Mitte Februar reiste eine Delegation der US-Regierung nach Islamabad. Die USA versuchen derzeit, ihre Beziehung zur pakistanischen Regierung wieder zu stärken. Während der Regierungszeit des Premierministers Imran Khan von der Partei „Pakistan Tehreek-e-Insaf“ (PTI), der im April vergangenen Jahres durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum abgesetzt wurde, hatte sich das Verhältnis zu den USA verschlechtert. Khan hatte immer wieder Kritik an den USA und den Folgen der pakistanischen Teilnahme am sogenannten „war on terror“ geübt und unter anderem die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan als Abwerfen der „Fesseln der Sklaverei“ begrüßt. Er warf den USA außerdem vor, an seiner Entmachtung mitgewirkt zu haben.

Khan präsentiert sich seither mit antiamerikanischer Rhetorik und scharfen Angriffen auf die neue Regierung als Volkstribun und dringt auf vorzeitige Neuwahlen, bei denen er sich gute Chancen auf den Sieg ausrechnet. Dabei wiederholt er immer wieder, sein Machtverlust sei das Ergebnis einer Intrige von Teilen der Armeeführung im Bündnis mit einer „ausländischen Macht“ – gemeint sind die USA. Bestätigt fühlte sich Khan durch einen Attentatsversuch im November. Er überlebte zwar, aber einer seiner Anhänger wurde getötet. Die von Khan angeführten Proteste gegen die neue Regierung fachte das weiter an.

Tatsächlich ist die Armee seit Jahrzehnten ein bedeutender Machtfaktor in der pakistanischen Politik, ebenso wie der mächtige Geheimdienst ISI; das gilt auch in Zeiten ohne direkte Militärherrschaft, wie sie in fast der Hälfte der Geschichte Pakistans seit der Staatsgründung 1947 bestand. Khan hatte in seiner Regierungszeit Konflikte mit dem Militär ausgefochten, das sich bei Khans Entmachtung dann auch nicht auf dessen Seite stellte, woraufhin der Abgesetzte die Armeeführung beschuldigte, an einer Verschwörung zu seinem Sturz beteiligt gewesen zu sein.

Doch die Abberufung Khans und seiner Regierung vollzog sich im Einklang mit der Verfassung: Seine Regierung hatte im Zusammenhang mit den sich verschärfenden wirtschaftlichen Problemen des Landes schlicht ihre knappe Parlamentsmehrheit verloren. Der frühere Cricket-Star Khan hatte 2018 erstmals die seit der Unabhängigkeit Pakistans bestehende Dominanz der sich an der Macht abwechselnden beiden großen Parteien „Pakistanische Muslimliga – Nawaz“ (PML-N) und „Pakistanische Volkspartei“ (PPP) durchbrochen, die sich in den Augen vieler Wähler durch Skandale um Machtmissbrauch, Korruption und Ineffizienz diskreditiert haben. Khan versprach einen Neubeginn, doch an den Problemen wie der Steuervermeidung durch die Reichen, notorischer Korruption und Inkompetenz der Verwaltung scheiterte auch er.

Seit Khans Absetzung regieren die eigentlich konkurrierenden Parteien PML-N und PPP im Bündnis mit einigen kleineren Partnern erstaunlich harmonisch miteinander. Doch die ökonomische Krise und die nicht abreißenden Proteste der Anhänger des früheren Premierministers setzen Premierminister Shehbaz Sharif (PML-N) unter Druck. Berichten zufolge hatte die pakistanische Regierung gehofft, von den USA Unterstützung bei den Verhandlungen mit dem IWF zu erhalten, um die Auszahlung der nächsten Kredittranche zu erreichen. Beim Treffen der US-Delegation mit Außenminister Bilawal Bhutto (PPP) soll es vor allem um Fragen der ökonomischen Kooperation, den Wiederaufbau nach der Flut und die Krise im Energiesektor gegangen sein. Wichtig für das Team um Derek Chollet, einen Berater im US-Außenministerium, war auch das Treffen mit General Syed Asim Munir. Dieser ist seit Ende November in der Nachfolge von Qamar Javed Bajwa neuer Armeechef. Somit kommandiert ein Mann die 600.000 Mann starken Streitkräfte, der zuvor schon den mächtigen Geheimdiensts ISI geleitet hatte, dort aber nach einem Zerwürfnis mit Imran Khan vorfristig abgesetzt worden war.

Für die USA ist es wichtig, auch nach dem Abzug aus Afghanistan in Südasien präsent zu bleiben. Hinzu kommt die Konkurrenz mit China, das nicht nur der größte Kreditgeber Pakistans ist, sondern auch als Wirtschaftspartner und Investor immer wichtiger wird. Mit Projekten wie dem „China–Pakistan Economic Corridor“ (CPEC), einem Ableger der weltweiten Belt and Road Initiative Chinas, will die Regierung in Peking die wirtschaftliche Verflechtung beider Länder vertiefen. Zum CPEC gehören große Bauvorhaben im Energiesektor (Kohlekraftwerke, Solarparks und Windfarmen) ebenso wie der Ausbau des Tiefseehafens Gwadar und des Straßen- und Schienennetzes. Insgesamt geht es bisher um Investitionen im Wert von 62 Milliarden US-Dollar.

Die USA wollen deshalb an alte Bindungen anknüpfen. Bei diesen spielte über Jahrzehnte, seit dem Höhepunkt der Blockkonfrontation im Kalten Krieg, die militärische Kooperation eine wichtige Rolle. Während das benachbarte Indien 1961 zu den Mitgründern der Blockfreien-Bewegung gehörte und stets eine unabhängige Außenpolitik verfolgte, baute Pakistan ab 1950 eine militärische Partnerschaft mit den USA auf. In den 1980er-Jahren unterstützte Pakistan gemeinsam mit den USA den bewaffneten Kampf gegen die sowjetische Armee in Afghanistan. Auch nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 stellte sich Pakistan an die Seite der USA. Im Gegenzug erhielt es finanzielle Unterstützung und Waffen.

Das Verhältnis blieb jedoch schwierig, nicht zuletzt wegen der anhaltenden Verbindungen zwischen pakistanischem Militär sowie Geheimdienst und den Taliban. 2018 setzte der damalige US-Präsident Donald Trump die Militärhilfen aus und zog zugesagte Zahlungen im Umfang von mehreren Hundert Millionen US-Dollar zurück, weil, so der Vorwurf, Pakistan Taliban-Stützpunkte auf eigenem Territorium toleriere, von denen diese Angriffe in Afghanistan durchführten. „Die Vereinigten Staaten haben Pakistan törichterweise mehr als 33 Milliarden Dollar an Hilfen im Laufe der vergangenen 15 Jahre gegeben“, twitterte Trump damals, und hätten „nichts als Lügen und Betrug“ erhalten.

Die Regierung Joe Bidens gab im vergangenen September immerhin wieder eine Vereinbarung im Wert von fast einer halben Milliarde US-Dollar zur Aufrüstung der F-16-Kampfjetflotte Pakistans bekannt. Das zeigt, welche Bedeutung die USA nach wie vor für das pakistanische Militär haben.

Thomas Berger ist freier Journalist mit Themenschwerpunkt insbesondere in Südasien und Südostasien.

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