Bei dem gescheiterten Militärputsch im Oktober in Benin spielte auch der aus Frankreich stammende ehemalige Sektenführer Kémi Séba eine Rolle. Nun wird der putinfreundliche Propagandist per internationalem Haftbefehl gesucht.

Patrouille von Ecowas-Truppen Anfang Dezember in Cotonou, dem Sitz der Regierung von Benin: Dass der Putschversuch gegen die Regierung so schnell scheiterte, hing auch damit zusammen, dass sie sowohl von Frankreich als auch von Nigeria unterstützt wurde. (Foto: EPA/STRINGER)
Einer der bekanntesten Staatsbürger des westafrikanischen Benin ist der 1981 in Straßburg geborene Stellio Capo Chichi alias Kémi Séba. Am Freitag voriger Woche wurde gegen ihn ein internationaler Haftbefehl wegen Staatssicherheitsdelikten erlassen. Die Justiz Benins, des Herkunftslands seiner Familie, geht damit gegen den Repräsentanten einer rechten Variante des Panafrikanismus vor. Diese stellt letztlich eine identitäre Rassenlehre dar, die an vermeintliche Ursprünge im altägyptischen Pharaonenreich, das von Schwarzen regiert worden sei, anknüpfen möchte.
Auf Grundlage dieser Ideologie formte Kémi Séba in Frankreich 2005 eine militante antisemitische und rassistische schwarze Sekte, „Tribu Ka“, die im darauffolgenden Jahr verboten wurde, aber unter anderem Namen bis 2010 weiterbestand. Nach dem Scheitern seiner politischen Pläne in Frankreich predigte Kémi Séba die „Rückkehr nach Afrika“ und siedelte sich selbst dort an, zunächst 2011 im Senegal.
Seit 2024 firmiert Kémi Séba als Sonderberater des im Juli 2023 durch einen Putsch in der Republik Niger an die Macht gekommenen Generals Abdourahamane Tchiani. Dessen Militärregierung interessiert vor allem, dass Kémi Séba einige fanatische und rücksichtslose Anhänger hat. Hinzu kommt das Bestreben nach einer stärkeren Anbindung an Russland, das die Militärjuntas in Niger, Mali und Burkina Faso mit Sébas Sektierern teilen („Imperium der Peripherie“, woxx 1865).
Im Jahr 2017 wurde Kémi Séba von dem rechtsextremen Ideologen Aleksandr Dugin nach Moskau eingeladen, um über eine geopolitische Allianz zwischen Panafrikanisten und Eurasiern gegen eine Hegemonie des Westens zu reden („Der Denker des Imperiums“, woxx 1704); seither gilt er in Russland und in den Sahel-Staaten als bedeutender Influencer im Sinne des Kreml. Mittlerweile verfügt Séba über 1,5 Millionen Follower in den sozialen Medien. Seit Oktober 2024 läuft in Frankreich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Verbindungen zu der russischen Söldnergruppe Wagner.
Am 7. Oktober hängte Séba sich im Hinblick auf Benin weit aus dem Fenster. Am frühen Morgen und Vormittag jenes Sonntags versuchten Teile der Armee zu putschen, in der Wirtschaftsmetropole Cotonou kam es zu Schusswechseln und Kämpfen; derweil verkündete Séba, Benin werde soeben „befreit“. Präsident Patrice Talon sei verhaftet worden, seiner „profranzösischen Diktatur“ werde nun ein Ende gesetzt.
Bereit seit Oktober 2024 läuft in Frankreich gegen Kémi Séba ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verbindungen zu der russischen Söldnergruppe Wagner.
In Wirklichkeit hatten die Putschisten Talon nie festgenommen, die Mitteilung wurde jedoch den Klickzahlen auf seinen sozialen Medienaccounts zufolge innerhalb von kurzer Zeit drei Millionen Mal gelesen. Die Justiz Benins erließ einige Tage später Haftbefehle gegen Kémi Séba sowie den einheimischen Oppositionspolitiker Sabi Sira Korogoné und schrieb die beiden international zur Fahndung aus. Vorgeworfen wird Séba die Anstiftung zu Verbrechen gegen die Staatssicherheit, zu Gewalt und zum Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Viel mehr als die Besetzung des Hauptsitzes des Staatssenders RTB, wo sie ein Kommuniqué verlasen und die Gründung eines „Militärischen Komitees für die Neugründung“ des Landes ankündigten, hatten die Teilnehmer des Putschversuchs nicht zustande gebracht. Am Abend des 7. Oktober wurden 13 Offiziere festgenommen.
Dass ihr militärischer Umsturzversuch so schnell scheiterte, hing auch damit zusammen, dass sowohl Frankreich als auch Nigeria die Regierung unterstützten. Nigerianische Truppen bombardierten im Namen und Auftrag der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft „Ecowas“ Stellungen der Putschisten. Frankreich gab am Dienstag voriger Woche offiziell bekannt, man habe der Regierung des Landes „bei der Koordinierung“ der Streitkräfte, „Überwachung und Logistik“ geholfen.
Manchen Putschisten, vor allem ihrem Anführer Pascal Tigri, gelang die Flucht. Oberstleutnant Tigri war bis dahin ein unauffälliger Armeeangehöriger gewesen, der zur Bekämpfung von Jihadisten – die aus den benachbarten Sahel-Staaten über die Grenze einsickern – im Norden von Benin eingesetzt war. Er und seine Kameraden wurden nach ihrer Flucht zunächst im nördlichen Nachbarland Niger vermutet. Dann berichtete jedoch das in Paris erscheinende panafrikanische Wochenmagazin „Jeune Afrique“, Tigri halte sich in Wirklichkeit im westlich gelegenen Nachbarstaat Togo auf.
Die Frage, ob nicht die Militärjuntas der drei verbündeten Staaten der Sahel-Allianz AES – Mali, Burkina Faso, Niger – den Putsch begünstigt haben, bleibt allerdings offen. Dies ergäbe insbesondere für Niger Sinn, da der im Inneren des Kontinents liegende Staat den Zugang zu den Häfen im angrenzenden Benin benötigt. Das Verhältnis zwischen den AES-Staaten und Benin war eher angespannt; die traditionell eher profranzösische Diktatur im benachbarten Togo hat eine Annäherung an die Sahel-Allianz akzeptiert.
Seit seinem Amtsantritt 2016 hat Präsident Talon das zuvor als eine Art Musterdemokratie in Westafrika geltende Benin in einen repressiven Staat umgewandelt.
Offiziell hielten sich die drei Militärjuntas mit Stellungnahmen zum Geschehen in Benin zurück. Ihnen politisch ergebene Online-Medien, die – auch unter Mitwirkung russischer Kommunikationsspezialisten – eine relativ hohe Reichweite erzielten, verbreiteten jedoch unverblümt Propaganda. Auf ihren Websites gaben sie Bilder von jubelnden Menschen aus Kenia, Tansania und Kamerun als solche der vom Putsch in Benin begeisterten Massen aus.
Die autoritäre Amtsführung von Präsident Talon hat allerdings zu einer gewissen Delegitimierung seiner Herrschaft beigetragen. Seit seinem Amtsantritt 2016 hat Talon das zuvor als eine Art Musterdemokratie in Westafrika geltende Benin in einen repressiven Staat mit politischen Gefangenen umgewandelt und auch ehemalige Präsidentschaftskandidaten zu jahrzehntelanger Haft verurteilen lassen. In Frankreich wurde Benin wegen dieser Entwicklung 2021 von der Liste der „sicheren Herkunftsländer“ für Asylbewerber genommen.
Am 12. April kommenden Jahres soll der Nachfolger von Patrice Talon gewählt werden.

