Urteil im Kreide-Prozess: Unerwartete Kreativität

Das Polizeigericht der Stadt Luxemburg hat diese Woche die vier Aktivisten der Künstlergruppe „Richtung 22“ zu Geldstrafen von je 200 Euro verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, in der Nacht vor dem Nationalfeiertag 2016 die Treppen und Wände der Philharmonie mit einer alternativen Version der Nationalhymne umdekoriert zu haben – und dies mit Sprühkreide. Der Prozess, dem es an absurden Wendungen nicht mangelte (so wollte die Staatsanwaltschaft tatsächlich durch eine Expertise feststellen lassen, ob auch Sprühkreide mit Wasser abgewaschen werden kann), hatte von Anfang an eine politische Note. Denn die Aktivisten von „Richtung 22“ sind dem Establishment schon öfters auf die Pelle gerückt, zum Beispiel mit ihrem Nation Branding-Theaterstück „Lëtzebuerg du hannerhältegt Stéck Schäiss“. Und so liest sich das Urteil denn auch wie eine Revanche, bei der das Gericht sich besonders kreativ zeigte um die vier Angeklagten doch noch verurteilen zu können. Vom Vorwurf der Sachbeschädigung wurden alle freigesprochen. Zum Ausgleich zauberte die Richterin deshalb einen anderen Paragrafen aus dem Hut, der weder im Polizeibericht noch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vorkommt: Artikel 557.4 des Code Pénal, der es verbietet, öffentliche Gebäude mit Dreck zu bewerfen. Bekleckert hat sich in diesem Fall auch die Justiz, die nun zurecht mit dem Vorwurf leben muss, ein politisches Urteil gesprochen zu haben. Richtung 22 ruft derweil zu Spenden auf, um die Berufung finanzieren zu können.


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