Verschwörungslügen: Rechte Mythen über First Ladies

Erst war es Michelle Obama, nun ist es Brigitte Macron, die rechtsextremen Verschwörungsmythen zufolge ein Mann sein soll. Die internationale Rechte schlachtet die Themen Sexualität, Queer- und Frauenhass nach Kräften aus.

Schwarze Frauen werden nicht wahrgenommen, selbst wenn es um ein Spektakel geht: Die vor Jahren von US-amerikanischen Rechten kolportierte Lüge, die ehemalige First Lady sei ein Mann, greifen europäische Medien erst angesichts eines gleichlautenden Verschwörungsmythos um Brigitte Macron vermehrt auf. Unser Bild zeigt Michelle Obama im vergangenen August bei der Eröffnung des Tennisturniers „US Open“. (Foto: EPA-EFE/CJ GUNTHER)

Der Verschwörungsmythos, wonach Brigitte Macron, die Ehefrau des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in Wirklichkeit keine Frau sei, hielt sich in Kreisen französischer Nazis und später in den Reihen der Gilets jaunes rund drei Jahre lang, ohne vom Rest der Welt weiter zur Kenntnis genommen zu werden. Nachdem die rechte US-Journalistin Candace Owens am 11. März die Lügengeschichte in ihrer Show des konservativen Medienunternehmens „The Daily Wire“ verbreitet hatte, machte sie international Schlagzeilen – wobei meist unerwähnt blieb, dass Emmanuel Macron in Frankreich juristisch bereits erfolgreich gegen ihre Verbreitung vorgegangen war. Angebliche Fotos des Bizeps von Emmanuel Macron, auf dem ein Tattoo seiner nackten Frau Brigitte mit Penis zu sehen ist, gefälschte Geburtsurkunden von Brigitte Macron, denen zufolge sie als Junge zur Welt kam, sowie diverse Bilder, auf denen eine Ausbeulung in Schritthöhe belegen soll, dass sie keine Frau ist – das waren meist auf Social Media verbreitete Pseudobelege.

Im Juni 2023 bestätigte ein Berufungsgericht in Caen ein gegen die damals 52-jährige Hellseherin Amandine Roy und die 48-jährige angebliche Journalistin Natacha Rey ergangenes Urteil wegen Verleumdung. Die ursprünglich festgesetzte Geldstrafe in Höhe von jeweils 1.990 Euro wurde allerdings auf 995 (Roy) beziehungsweise 470 Euro (Rey) reduziert, da beide Frauen über kein nennenswertes Einkommen verfügten.

Natacha Rey hatte Ende 2021 im Rahmen einer vierstündigen Sendung auf Amandine Roys Youtube-Kanal behauptet, mehrere Jahre lang über das Leben von Brigitte Macron recherchiert zu haben. Dabei habe sie unwiderlegbare Beweise dafür gefunden, dass Brigitte in Wirklichkeit 1953 als ein Junge namens Jean-Michel Trogneux zu Welt gekommen sei. Brigittes erster Ehemann, der 2020 verstorbene Bankangestellte André-Louis Auzière, habe im Übrigen nie existiert.

Reys – sehr verwickelter – Lügenstory zufolge waren die beiden Töchter und der Sohn von Brigitte Macron in Wirklichkeit die Kinder von Catherine und Jean-Louis Auzière. Letzterer, der Bruder des Rey zufolge nicht existierenden André-Louis Auzière, habe deren Geburtsurkunden gefälscht, um das Staatsgeheimnis namens „Brigitte ist ein Mann“ sichern zu helfen.

Während der Gerichtsverhandlung gegen die beiden rechten Verschwörungspropagandistinnen bestätigte das Ehepaar Auzière – im wirklichen Leben bis zur Scheidung 2006 Schwager und Schwägerin von Brigitte Macron –, ebenso wie diverse weitere Zeugen und Urkunden, dass Brigitte weiblich ist und war. Daran änderten auch die Einlassungen von Natacha Reys Verteidiger, dem als Nationalisten und Ultrakatholiken bekannt gewordenen Anwalt Frédéric Pichon, nichts: Er behauptete, die Aussagen seiner Mandantin seien als freie Meinungsäußerung von Artikel zehn der EU-Menschenrechtskonvention gedeckt, und beklagte, dass Rey zum Schweigen gebracht werden solle.

Außerdem sagte Pichon in seinem Plädoyer etwas, das nicht nur die Weltsicht der meisten Verschwörungsfans sehr gut zusammenfasst, sondern auch erklärt, warum nur wenige der prominenten Zielscheiben von Lügengeschichten öffentlich und juristisch gegen diese Verleumdungen vorgehen: Wenn das, was Natacha Rey verbreitet habe, „wirklich so weit hergeholt ist, warum dann dagegen vorgehen?“

Dass Gerichtsurteile, Faktenchecks, eindeutige Beweise und selbst Eingeständnisse von Erfindern solcher Verschwörungsmythen Leute nicht davon abbringen zu glauben, was sie glauben wollen, ist mittlerweile bekannt. Ausgeschlossen ist zudem nicht, dass öffentliche Gerichtsverfahren die Aufmerksamkeit eines größeren dafür empfänglichen Publikums auf solche Mythen lenken. Das rechte Magazin „Faits et Documents“, das Reys angebliche Recherchen zuerst veröffentlicht hatte, bewirbt auf seiner Website jedenfalls immer noch seine Dossiers zum Thema Brigitte Macron.

Bleibt die Frage, warum Brigitte Macron zur Zielscheibe solcher Verleumdungen wurde. Das dürfte zum einen daran liegen, dass Rechte ihren Mann ohnehin hassen und die internationale Rechte das Thema Sexualität schon lange für sich entdeckt hat. Sie kämpft erbittert gegen die angebliche „Verschwulung“ des Abendlands, die Gleichberechtigung von LGBTIQA+ sowie das, was sie für gezielte Entmännlichung hält.

Nach wie vor gilt, dass nichts so blöd sein kann, als dass es nicht doch geglaubt würde.

Zum anderen hat Brigitte Macron mit einer anderen Frau, die bereits Jahre zuvor lügenhaft zum Mann erklärt worden war, nämlich Michelle Obama, einiges gemeinsam: Beide waren nie bloße Anhängsel an der Seite ihres Präsidentengatten, sondern äußerten sich selbstbewusst und kenntnisreich zu sie interessierenden sozialen und politischen Fragen, beide gelten als gebildet und gleichzeitig als attraktive Stilikonen.

Dass über die „Michelle ist ein Mann“-Lüge in Europa erst jetzt im Zuge des Falls Brigitte berichtet wird, liegt sicher nicht nur daran, dass Transsexualität erst in den vergangenen Jahren ein großes Thema geworden ist. Vielmehr dürfte es auch daran liegen, dass, wie es eine US-Journalistin schrieb, „schwarze Frauen noch immer nicht wahrgenommen werden“ – auch dann nicht, wenn sie die Frau eines der bekanntesten Politiker der Welt sind.

Vielleicht besteht ein weiterer Grund aber auch darin, dass Michelle Obama sich schon lange das royale Motto „never complain, never explain“ zu eigen gemacht hat. In ihrer 2018 erschienenen Autobiographie „Becoming“ ging sie immerhin auf eine Verschwörungslüge ein, sie schrieb: „Donald Trump hat mit seinen lauten und rücksichtslosen Anspielungen die Sicherheit meiner Familie gefährdet. Und das werde ich ihm nie verzeihen.“

Gemeint war die sogenannte Birther-Theorie, der zufolge Barack Obama nicht in den USA geboren worden sei und entsprechend nicht Präsident der Vereinigten Staaten werden könne. Vielmehr sei er in Kenia zur Welt gekommen und seine eigene, in Nyang’oma Kogelo lebende Stiefgroßmutter habe dies in einem mitgeschnittenen Telefongespräch mit einem Bischof namens Ron MacRae zugegeben. Die Aufnahme war jedoch nachträglich manipuliert worden, Sarah Onyango Obama widersprach den Behauptungen zudem immer wieder öffentlich.

Zunächst wurde die Geburtslüge auf rechtsextremen Websites verbreitet, ab 2010 maßgeblich auch vom späteren Präsidenten Donald J. Trump, der sie in diversen Fernsehsendungen als Fakt darstellte und damit entscheidend zu ihrer Popularität beitrug. Obama sah sich schließlich Ende April 2011 gezwungen, seine Geburtsurkunde zu veröffentlichen. Trump heftete sich diese Veröffentlichung später während seines ersten Präsidentschaftswahlkampfs als Verdienst an – und erklärte dazu wahrheitswidrig, dass das bösartige Gerücht von seiner Kontrahentin Hillary Clinton erfunden worden sei.

Wann genau der Verschwörungsmythos entstand, wonach Michelle in Wirklichkeit ein Mann namens Michael sei, ist unklar. Aufgegriffen wurde er jedenfalls öffentlich zuerst von der Komikerin Joan Rivers, die für ihren oft bösartigen, vor nichts Halt machenden Humor bekannt war. Rivers war im Juli 2014 in einem New Yorker Buchladen zu Gast gewesen, wo zwei ihrer schwulen Fans sie baten, ihre Hochzeit zu moderieren. Von einem Reporter gefragt, wann die USA wohl einen schwulen Präsidenten haben würden, antwortete Rivers: „Haben wir doch längst, Obama.“ Sie fügte hinzu, dass Michelle bekanntlich ja eine Transe sei.

Es folgte ein Shitstorm – und gut einen Monat später der Tod der 81-jährigen Rivers während einer Operation, der späteren Ermittlungen zufolge auf einen ärztlichen Kunstfehler zurückzuführen war.

Gefälschte Bilder des angeblichen „Michael“ Obama waren allerdings zuvor schon in rechtsextremen Kreisen verbreitet worden. Wie ein Foto der jungen Obamas, die lachend in die Kamera blicken: Als Beweis für die Lüge, Michelle sei in Wirklichkeit ein Mann, wurden Kinn und Unterkiefer kantiger, der Haaransatz eckiger, die Lippen schmaler sowie die Augenbrauen buschiger retuschiert, um einen maskulineren Eindruck zu erwecken. Seither wird das gefälschte Foto bei Facebook mit einer Warnung versehen, mehrere Faktenprüfer, unter anderem von renommierten Bildagenturen, hätten eindeutige Manipulationen gefunden.

Andere Bilderfälscher gingen weiter. Entsprechend kursieren gleich mehrere Fotos, auf denen Michelle Obama in ihrer Funktion als Präsidentengattin bei offiziellen Terminen zu sehen ist. In den von Verschwörungs-Websites verbreiteten Versionen dieser Bilder wurde im Schritt eine deutliche Beule in Kleider und Hosen retuschiert, um einen Penis vorzutäuschen. In einigen Fällen wurde Michelle Obamas Kopf auf nackte männliche Körper montiert und als Beweis präsentiert.

Bis heute hält sich der Mythos, dass keine Fotos der schwangeren Michelle Obama existierten und auch keine Bilder aus den ersten Lebensjahren der beiden Töchter.

Dass die beiden typischen Social-Media-Plattformen für User, die notorisch private Videos und Fotos posten, also das 2004 gegründete Facebook und das 2010 gegründete Instagram, jünger sind als Malia (geboren 1998) und Sasha (geboren 2001) Obama, interessierte die Fans der Verschwörungslüge natürlich kein Stück. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Obamas damals noch keine Polit-Promis waren und entsprechend keine Veranlassung dazu hatten, die Welt über Schwangerschaften, Geburten und erste Schritte, Wörter und generelle Niedlichkeiten ihres Nachwuchses zu informieren.

Seit Barack Obama nicht mehr Präsident ist, werden die Verschwörungsgeschichten deutlich weniger verbreitet. Aber nach wie vor gilt, dass nichts so blöd sein kann, als dass es nicht doch geglaubt würde. Zum Beispiel kam 2019 die Lüge auf, dass Michelle Obamas Mutter gestorben sei und testamentarisch ihren Sohn Michael als Alleinerben eingesetzt habe. Diese Geschichte krankt gleich an mehreren leicht zu überprüfenden Fehlern: Erstens hat Marian Shields Robinson keinen Sohn namens Michael. Michelles älterer Bruder heißt vielmehr Craig und ist Exekutivdirektor des Verbands der Basketball-Coachs. Dazu kommt zweitens, dass Shields Robinson nicht tot ist.

Elke Wittich ist Redakteurin der in Berlin erscheinenden Wochenzeitung „Jungle World“, mit der die woxx seit vielen Jahren kooperiert.

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