Willis Tipps: Juni 2025

Roma-Brass mit Gitarre

Das druckvolle rumänische Roma-Blas- orchester Fanfare Ciocarlia ist seit seinem ersten internationalen Album 1998 die Vorzeigeband des östlichen Balkans. Die Musikgruppe verwandelt auch mal einen Mambo oder das James-Bond-Theme augenzwinkernd in eine Gypsy-Hymne. Zu dieser Offenheit gehört auch, dass sie bereits 2014 ein Album mit dem kanadischen Gitarristen Adrian Raso, der gerne Gypsy-Jazz spielt, unter dem Titel „Devil’s Tale“ aufgenommen haben. Damals konnte man sie auch in der Philharmonie live erleben. Elf Jahre später haben sich Raso und Fanfare – letztere teilweise personell verjüngt – nun erneut zusammengetan und The Devil Rides Again veröffentlicht. Wie schon auf dem ersten Album fungiert Fanfare Ciocarlia teilweise als Begleitband für den Gitarristen, aber auf etlichen Stücken klingt sie so explosiv, wie man sie von ihren eigenen Platten kennt. Neben typischen Roma-Stücken finden sich auch hier wieder nette Cover, wie Dolly Partons „Jolene“ und „I’m a Man“ der britischen Spencer Davis Group aus den 1960er-Jahren. Exquisite Roma-Musik plus Gitarre. Immer wieder stark!

Adrian Raso & Fanfare Ciocarlia – The Devil Rides Again – Asphalt Tango

Maghreb mit Beats

Nordafrikanische Musik ist seit vielen Jahrzehnten in Europa beliebt, sei es – früher – der Rai von Khaled, seien es die Chansons von Souad Massi oder der World-Jazz eines Majid Bekkas. Ammar 808, ein Projektname, hinter dem sich der jetzt in Dänemark lebende tunesische Produzent Sofyann Ben Youssef verbirgt, mag es extremer. Auf seinem dritten Album Club Tounsi schlägt er den gleichen Weg ein wie auf seinen früheren Alben. Er verwandelt die traditionelle Musik seiner alten Heimat in moderne Klänge, in denen Electronics eine große Rolle spielen. Es gibt viel zu viel Clubmusik, in der es nur auf banale Beats ankommt und alles andere lediglich eine unbedeutende Beigabe ist. Bei Ammar 808 ist das anders. Hier stehen tunesische Melodien und Rhythmen im Vordergrund. Eingespielt von Montassar Jebali auf dem nordafrikanischen Dudelsack Mezoued, Imed Rezgui, dem Perkussionisten, zwei Sängern und einer Sängerin und gelegentlichem Einsatz der arabischen Ney-Flöte hat Ben Youssef dies dann am Studiomischpult dancefloortauglich gemacht. Nichts für Purist*innen, aber hier kann man moderne tunesische Grooves entdecken – aufregend und tanzbar.

Ammar 808 – Club Tounsi – Glitterbeat

Neues von Savina Yannatou

Unter Expert*innen für mediterrane Musik gilt Savina Yannatou als die größte lebende Sängerin Griechenlands. Zehn Jahre nach ihrem letzten Album mit dem Ensemble Primavera en Salonico hat ihr Plattenlabel ECM ein neues mit dieser Besetzung veröffentlicht. Yannatou hatte immer schon einen weiten Blick auf Musik und deshalb nicht nur traditionell griechische Klänge eingesungen, sondern den ganzen mediterranen Raum abgedeckt, der seit der Antike eine Region gegenseitiger kultureller Befruchtung ist. Das aktuelle Album trägt den Titel Watersong. Er verrät schon, dass es hier um die elementare Bedeutung des Wassers für Menschen geht. Die Lieder stammen unter anderem aus Griechenland, Ägypten, Spanien, Süditalien, aber auch aus Irland und dem Irak. Als Gastsängerin kann man die Tunesierin Lamia Bedioui erleben, die bereits vor über zwanzig Jahren an Aufnahmen von Yannatou und ihrem Ensemble mitwirkte. Die Begleitung umfasst sowohl orientalische Instrumente wie Qanun, Nay und Ud als auch Violine, Akkordeon und Kontrabass sowie Perkussion. Thematisch angesichts des Klimawandels hochaktuell und musikalisch erstklassig.

Savina Yannatou, Primaravera en Salonico, Lamia Bedioui – Watersong – ECM

Kuba-Klänge aus Mexiko

Rita Donte wurde 1989 in Havana, Kuba geboren und arbeitete zunächst als Flamenco-Tänzerin, bevor sie den Gesang für sich entdeckte. Mittlerweile lebt sie in Mexiko. Ihr Debütalbum, das den Titel Ritual trägt, enthält elf Stücke. Sie wurden mit einer Ausnahme von ihr selbst geschrieben. Eingespielt wurde das Album von einem großen Ensemble, in dem verschiedene Saiteninstrumente – unter anderem die hellklingende, mit drei Doppelsaiten bespannte kubanische Tres – eine dominante Rolle spielen. Das Album wurde von dem Venezolaner Gustavo Guerrero produziert, der in Mexiko lebt. Musikalisch sind die Bezüge zu Kuba unüberhörbar, sei es im Lied „Habana“ im Stil des Son oder bei „Patria Querida“ im Guajira-Stil des ländlichen Kubas. Ganz starke Perkussion hört man im Stück „Zunzun Baba“, einer Rumba in der Guaguancó-Variation. Es lassen sich hier und da auch ganz dezent eingesetzte mexikanische Einflüsse ausmachen. Das Album wurde in Mexico City offenbar live ohne Overdubs aufgenommen, um die Klang- ästhetik klassischer kubanischer Aufnahmen zu reproduzieren. Das klingt sehr nah und natürlich und lässt die besondere Stimme Dontes glänzen.

Rita Donte – Ritual – Ansonia Records

 

World Music Charts Europe Juni – Top 20

1. Adrian Raso & Fanfare Ciocarlia – The Devil Rides Again – Asphalt Tango
2. Ammar 808 – Club Tounsi – Glitterbeat
3. Matthieu Saglio & Camille Saglio – Al Alba – ACT
4. Rodrigo Leao – O Rapaz da Montanha – Galileo
5. Trio Da Kali – Bogola – One World Records
6. Hajda Banda – Niepraudzivaya – Hajda Banda
7. Barbora Xu – The Garden of Otava – Nordic Notes
8. Mehmet Polat Quartet – Roots in Motion – Aftab Records
9. Värttinä – Kyly – Rockadillo Records
10. Brigan – Luna, Cera e Vino – Liburia Records
11. Wimme + Rinne – Ivgu – Rockadillo Records
12. Omiri – Modas Novas e Algumas Verlhas – Repasseado
13. Boubakar Traoré, Vincent Bucher, Jeremie Diarra – Live! – Büro Käser
14. Youssou N’Dour – Eclairer le Monde – Orchard
15. Amamere – Man shall be free – Afro Urban Project
16. Kazdoura – Ghoyoum – August 4 Records
17. Natalia Lafourcade – Cancionera – Sony
18. Ezra – Froggy’s demise – Adhyaropa Records
19. Awa Khiwe – African women arise – Outhere Records
20. V.A. – Curiosity Sesseion Vol. 1 – Bebe Rebe

Die WMCE TOP 20/40 bei: www.wmce.de, Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und woxx.lu

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