Spitzen-Joik
Ulla Pirttijärvi ist die bedeutendste Meisterin des Joik in Finnland, des virtuosen vokalen Ausdruckstils der Sámi-Urbevölkerung. Ihre erste Schallplattenaufnahme machte sie bereits 1992 mit dem Sámi-Frauentrio Angelin Tytöt, bevor sie dann eine Solokarriere begann, in der sie teilweise auch eine rockige Begleitung wählte. 2019 tat sie sich mit zwei Norwegern zusammen, mit Olaf Torget, der die Gitarre und auch andere – mitunter afrikanische – Saiteninstrumente beherrscht, sowie dem Perkussionisten Harald Skullerud. Mit ihnen veröffentlichte sie unter dem Bandnamen Áššu (Glut) ein preisgekröntes, gleichnamiges Album. Vor drei Jahren starb Skullerud. Nun, sechs Jahre nach der ersten, ist eine zweite Platte von Áššu mit dem Titel Luohteniegut erhältlich. Auf ihr ist als neues Mitglied Kenneth Ekornes zu hören. Wie schon bei der ersten Veröffentlichung des Trios erlebt man hier Pirttijärvis gutturalen Joik in einer akustischen Form, bei der eigenwillige Saitenklänge und groovender Schlagwerkeinsatz eine ganz besondere Atmosphäre erzeugen. Zudem hört man Hildegunn Oiseth, die in ein Ziegenhorn bläst. Wieder einmal ein hochklassiges Album mit Pirttijärvis einzigartigem Joik und mit kongenialer Begleitung.
Áššu – Luohteniegut – Nordic Notes
Ghana-Highlife
Nach einer vierjährigen Pause meldet sich Santrofi nun mit dem zweiten Album zurück. Das Oktett kommt aus Ghana und spielt den Highlife, der schon vor 100 Jahren in ihrer Heimat entstand. Das lokale Musikgenre ist mit westlichen Elementen wie dem Klang von Brassbands versetzt und wurde später mit Jazz verbunden, um einen bestens tanzbaren und sehr melodischen Klang zu entwickeln. Lange Zeit dominierte der Highlife nicht nur die populäre Musik Ghanas sondern auch die des nicht weit entfernten Nigerias. Aus der Verbindung des Highlife mit Funk und modernen Jazzstilen entstand dann in beiden Ländern der Afrobeat. Die junge Truppe Santrofi revitalisiert auf dem neuen Album Making Moves den klassischen Highlife, doch auch der Afrobeat hat bei ihnen Spuren hinterlassen. Die beiden Gitarren liefern mal funkige, mal singende Töne und die Bläsersektion drückt. Zusammen mit einem Fundament aus Keyboard, Bass und Schlagzeug umrahmen sie den eingängigen Lead- und Chorgesang, dem auch mal Rap-Einlagen hinzugefügt werden. Die Texte behandeln das oft sehr schwierige Leben auf den Straßen der Hauptstadt Accra. Ausgezeichneter Highlife in zeitgemäßer Form!
Santrofi – Making Moves – Outhere Records
Klassische Boleros
Wer klassische Latino-Klänge liebt, ist mit dem Album Entre tus flores von Miramar gut bedient. Miramar ist ein Trio, bestehend aus dem Gesangsduo von Reinaldo „Rei“ Álvarez und Laura Ann Singh sowie der Pianistin, beziehungsweise Organistin Marlysse Simmons-Argandoña. Für ihr aktuelles Werk holte das Dreiergespann zudem Begleitmusiker*innen ins Studio. Die Gruppe ist in Richmond, Virginia, USA zu Hause; ursprünglich stammt das Gesangsduo aber aus Puerto Rico, während Simmons chilenische Wurzeln hat. Acht der zehn Stücke des Albums „Entre tus flores“ stammen aus der Feder von Álvarez und sind Boleros in verschiedenen Versionen, aber auch ein Bachata-Stück ist dabei. Wer kubanische Musik kennt, entdeckt beim Hören einiger Stücke schnell Ähnlichkeiten. Vor allem der schöne Gesang erinnert oft an den Buena Vista Social Club, der die kubanische Musik vor rund 30 Jahren weltweit in die Charts brachte. Bei der Instrumentierung spielen das Piano und die Perkussion eine wichtige Rolle, ebenso wie die Trompete; zudem fügt eine in Echo getauchte Gitarre eine interessante Facette hinzu, wie im Stück „Tu Peine“. Gelegentlich kommen auch Streicher zum Einsatz. Richtig schön retro!
Miramar – Entre tus flores – Ansonia Records
Sevdah-Urgesteine
Bosnien-Herzegowina hat seinen ganz eigenen Musikstil, der Sevdah oder Sevdalinka genannt wird. Schon vor 500 Jahren, als die Osmanen den Westbalkan beherrschten, ist diese Musik entstanden. Zahlreiche Elemente der Musik der Roma sind mit eingeflossen und so entstand diese überwiegend getragene, melancholische Form, die so ganz anders ist als das, was die druckvollen Balkan-Brassbands spielen. Seit nun über 25 Jahren existiert die Gruppe Mostar Sevdah Reunion, die von Dragi Šestić gegründet wurde, 1999 ihre erste Platte herausbrachte und seitdem zu den bekanntesten Bands Ex-Jugoslawiens zählt. Benannt nach Mostar, der größten Stadt der Herzegowina, hat diese Gruppe jedoch auch ihre musikalischen Antennen in Richtung anderer Stile ausgestreckt. Der Kern ist aber immer die Sevdalinka geblieben, wenn auch bisweilen leicht jazzig ausgeführt. Seit vier Jahren hat die Gruppe nun die fabelhafte Antonija Batinić als Sängerin dabei, die auch auf dem aktuellen Jubiläumsalbum Bosa Mara glänzt. Eine Platte mit exzellenten Liedern und einigen überraschenden Kooperationen (zum Beispiel mit Muntu Valso aus Kamerun). Wieder ein vorzügliches Album der Gruppe mit überwiegend melancholischen Klängen vom Balkan.
Mostar Sevdah Reunion – Bosa Mara – Snail Records
World Music Charts Europe März – Top 20
1. Santrofi – Making Moves – Outhere Records
2. L’Alba – Grilli – Buda Musique
3. Samba Touré – Baarakelaw – Glitterbeat
4. Áššu – Luohteniegut – Nordic Notes
5. Mostar Sevdah Reunion – Bosa Mara – Snail Records
6. Warsaw Village Band – Sploty / Twines – Karrot Kommando
7. Songhoy Blues – Heritage – Transgressive Records
8. Baba Sissiko & Mediterranean Blues – Live in Basel – Caligola
9. Joao Selva – Onda – Underdog
10. Kaito Winse – Reele Bumbou – Zephyrus
11. Frigg – Dreamscapes – Bafe’s Factory
12. Karolina Wegrzyn – Oy vesna krasna – Karolina Wegrzyn
13. Pauanne – Joku raja rakkaudesakin – Nordic Notes
14. Momi Maiga – Kairo – Segell Microscopi
15. Ildikó Kali – Jore Jore – Ildikó Kali
16. Park Jiha – All living things – Glitterbeat
17. The Bongo Hop – La pata coja – Underdog
18. Jupiter & Okwess – Ekoya – Airfono
19. Nfali Diakité – Hunter Folk Vol. 1: Tribute to Toumani Koné – Mieruba
20. Uusikuu – Piknik – Nordic Notes