MALEREI: Wurst und Kolonialisierung

Der Maler Manuel Ocampo ist unbequem und ironisch: In seiner turbulenten Bildsprache rechnet er mit Geschichte und Kultur ab.

Vor schmutzig rosa Hintergrund ist eine dunkelhäutige Comicfigur mit Glubschaugen, dem obligaten Knochen durchs Kraushaar, Lackschuhen sowie einem Lendenschurz aus Pflanzenblättern an einem Holzkreuz festgebunden. Über ihrem Kopf ist ein lachsfarbener Judasstern angebracht und zu ihren Füßen tummeln sich entsetzt dreinblickende Entenwesen. Auf einer Staffelei malt ein frei schwebender Pinsel eine blutrote Fleischwurst auf. „Guided by Sausage“, so nennt sich dieses Comic-Golgatha, eines der Ölgemälde von Manuel Ocampo, dessen Werk zur Zeit in der Galerie Nosbaum & Reding zu sehen ist.

Irgendwie scheint bei dem 1965 auf den Philippinen geborenen Ocampo alles verdreht. Er stellt Symbole in einen ganz anderen Zusammenhang. Dabei sind seine Aussagen nie eindeutig, mal scheint er ironisch – zuweilen gar sarkastisch. Auch seine Bildtitel sind konsequent unernst, etwa wenn er ein Gemälde „Kitsch Recovery Effort“ benennt. „Painting in some way has given me the basis to … try to reconcile the past and the present“, sagte Ocampo in einem Interview. Auch wenn seine Ölbilder wie Pop-Artefakte wirken, beinhalten sie doch eine ernste Auseinandersetzung mit politisch-sozialen Aspekten wie Identität und Geschichte. Ocampo, der in den frühen achtziger Jahren in die USA zog, beschäftigt sich insbesondere mit den Konflikten der philippinischen Immigranten. „It’s funny as Filipino Immigrants we inhabit this realm of double or triple ambiguity. We have a fixed identity of non-identification. We are always in doubt of our dubiousness. We’re just confused, that’s all“, meinte der Maler einmal. In seinen Gemälden reflektiert er diese Hingezogenheit zu seinem Geburtsland, das über Jahrzehnte die spanischen Besatzer ertrug, sowie die ambivalenten Gefühle gegenüber seiner Wahlheimat und den durchdringenden amerikanischen Einfluss auf den Philippinnen. Kulturelle Konfusion, Pathologie der kolonialisierten Psyche ? seine Gemälde scheinen zugleich auf komische und hässliche Art einen ewigen „culture clash“ zu reproduzieren. „History is written by Westerns. If we don’t write our own history they will … what we need to do is create a reverse anthropology“, glaubt er. Und ist dabei nicht zimperlich: Wie in politischen Comics aus dem subkulturellen Bereich vermischt er Profanes, wie fäkale und sexuelle Referenzen mit Symbolen der Macht wie etwa der Swastika und reproduziert religiöse Vorstellungen. Collageartig werden bei Ocampo Gegensätze zusammengefügt: Tradition und Popkultur, Dekoration und soziale Kritik. Dabei kehren gewisse Attribute wie etwa Zähne, eine Uhr oder ein Schädel, die an das Memento mori zu appellieren scheinen, immer wieder. In einem Kontrast dazu steht die ausgeprägte strahlende Farbigkeit seiner Bilder. Von seinem Malstil her gewinnen seine bunten größtenteils in Öl gefertigten Bilder eine unmittelbare Präsenz durch seinen ruppigen Pinselstrich. Als ob Ocampo befürchte, sich selbst zu ernst zu nehmen oder von der Kunstszene verurteilt zu werden, hat er etwa in „Bomb in Toilet“ das eigene Ölgemälde so weit wieder übermalt, dass nur noch ein paar Hausschuhe und ein Wurststück zu sehen sind.

Insgesamt eine interessante Ausstellung, die dazu einlädt aufgeworfene Allegorien zu entschlüsseln: Schließlich ist bei Ocampo nicht alles Wurst was danach aussieht.

Galerie Nosbaum & Reding,
bis zum 9. Februar


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