Sex und Tod ziehen immer. Auch der japanische Fotograf Nobuyoshi Araki liebt es, diese Themen auf ästhetische und provozierende Weise in Szene zu setzen.
Es wird fast zum Sport, um in den einzelnen Hochglanzfotos den toten verschrumpelten Eidechsenkörper zu suchen, der immer irgendwo aus den bunten Blumengestecken hervorlugt. Dabei geht es Nippons schärfstem kulturellen Exportartikel, dem Fotografen Nobuyoshi Araki, dessen Bilder zurzeit in der Galerie Clairefontaine zu sehen sind, weniger um Suchspiele, als um Identität und die Ausschöpfung sozialer Tabus rund um Sex und Tod. Und ein Augenzwinkern ist auch dabei, denn der japanische Künstler liebt es exzentrisch. Darauf lässt auch sein allgemeines Erscheinungsbild schließen mit seinen trashigen Sonnenbrillen und seitwärts in den Himmel gekämmten Haaren. Bekanntheit erlangte der Künstler vor allem im Bereich der Aktfotografie. Seine Karriere begann vor rund 45 Jahren: Nachdem er Fotografie an der Chiba Universität Tokio studiert hatte, arbeitete er zunächst in einer großen Werbeagentur. Neben Fotoaufnahmen von Kindern in Tokio, fotografierte Araki seine eigene Hochzeitsreise sowie Stillleben. Jedoch löste er sich zunehmend vom Genre der Reportage-Fotografie, um Bilder zu inszenieren. Vor allem mit erotischen Bildern in Porno-Magazinen gelang Araki der Durchbruch: Sein Talent besteht darin, aus Sadomasochismus und erotischen Fesselspielen Kunst zu machen. Aber auch der Tod kommt mittelbar in seinem Werk vor: 1991 starb seine Frau an Krebs. Ihr Sterben ist ebenfalls in seine Kunst eingeflossen.
Bei den ausgestellten großformatigen, bunten Hochglanzfotos, schlicht „Flowers and Jamorinsky“ genannt, geht es ebenfalls in erster Linie um Libido und Hinfälligkeit: Wie ein „Memento mori“ wirken die schon erwähnten prächtigen Blumenaufnahmen mit dem vertrockneten Eidechsenkörper zwischen den verblühenden tiefroten, violetten oder gelben Blumenköpfen. Eben weil die in Nahaufnahme und teilweise unscharf vor schwarzem oder weißem Hintergrund aufgenommenen Blumengestecke mit ihren verschlungenen und verknoteten Blütenknospen auf weibliche Geschlechtsorgane anspielen.
Weniger verschlüsselt sind die anderen Fotos der Ausstellung. Die kleinformatigen, schwarz-weißen Abzüge und Polaroid-Aufnahmen, die offensichtlich viel älter als die Blumenfotos sind, thematisieren unmittelbar Begehren und Sexualität: Etwa das Foto eines verschlungenen Zungenkusses in Nahaufnahme mit einem dünnen schwarzen Faden auf der Zungenoberfläche. Dieser Zwirn scheint auf die Zerbrechlichkeit von Beziehung anzuspielen. Zu sehen sind weiter einige Aufnahmen seiner erotischen Fesselungen, die in Japan teilweise wegen Obszönität zensiert wurden: Dicke Stricke umwinden die Körper von nackten Frauen, schneiden tief in die Haut ein und lassen Körperteile hervorquellen. Araki zwängt seine Modelle in bizarre Positionen oder lässt sie von der Decke baumeln. Der auch als Toulouse Lautrec Japans bezeichnete Araki, benutzt den japanischen Ausdruck „Kinbaku“ (statt Bondage) für seine Fesselungen und wehrt sich gegen den Vorwurf, dass Frauen in seinen Bildern erniedrigt werden: „Bondage bedeute, jemanden gefangen zu halten. Kinbaku ist dagegen wie eine Umarmung“, so Araki in einem Interview. Auch stellte der Meister in der Vergangenheit immer wieder klar, dass seine Modelle „selbst bestimmen, was geschieht“. Auf den Betrachter könnten die geknebelten Frauen wie Opfer wirken. Seine Intention sei jedoch, dass der Betrachter sich am Ende selbst als Opfer erlebe, weil er von den Aufnahmen gefesselt sei. In der Tat ist es schwer sich von der Faszination des kontroversen Zusammenspiels von Sex, Tod und Schönheit zu lösen, das die Fotos von Araki evozieren.
Im Espace 2 der Galerie Clairefontaine, noch bis zum 26. Juli.
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